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Das Kliemannsland ist abgebrannt Wie (un)sozial ist Fynn Kliemann wirklich?

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Sein Saubermann-Image ist nun mehr als nur angeknackst: Fynn Kliemann.

(Foto: imago images / Future Image)

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Er gilt als der Do-it-yourself-Mann Deutschlands. Fynn Kliemann werkelt bei Youtube, macht Musik und startet ein soziales Projekt nach dem anderen. Dank Jan Böhmermann und seinem Team legt sich nun ein dunkler Schatten über all das. Kliemann soll in großem Stil betrogen haben.

Im Mai 2020 steckte die Pandemie noch in den Kinderschuhen. Auf einen Impfstoff war noch nicht zu hoffen und Mund-Nase-Schutzmasken waren rar gesät. In dieser Zeit versuchten nicht nur mehrere Politiker, aus diesem Mangel Profit zu schlagen. Auch ein Mann, den man bis dahin für besonders integer hielt und der gerade bei der Generation U30 einen Stein im DIY-Brett hat, soll weitaus weniger sozial gehandelt haben, als er es selbst bis heute gern darstellt. Die Rede ist von Fynn Kliemann.

Kliemann ist ein Do-it-yourself-Handwerker-Typ mit erfolgreichem Youtube-Kanal und zwei Nummer-eins-Alben. Er ist ein Tausendsassa, der so viele Projekte auf die Beine stellt, dass man sich fragt, wann der Mann mal schläft. Dass der 34-Jährige allerdings gern andere für seinen Erfolg arbeiten lässt, ist inzwischen bekannt. Schon einmal geriet er in die Negativschlagzeilen, als er Mitarbeiter für sein selbst errichtetes Kliemannsland suchte, aber nur bereit war, für Kost und Logis aufzukommen. Ein Lohn für geleistete Arbeit war nicht vorgesehen. Und auch beim Umbau von Gunter Gabriels Hausboot, das er bis heute mit seinem Kumpel (und Böhmermann-Freund) Olli Schulz betreibt, wurde manch wichtiger Helfer im Anschluss wohl ziemlich blöd im Regen stehen gelassen. Während die meisten seiner Anhänger ihm dieses "Fauxpas" schnell verziehen hatten, dürfte das, was Jan Böhmermann mit seinem "ZDF Magazin Royale"-Team jetzt aufgedeckt hat, größere Kreise ziehen.

Aus "Spende" wird "Soli-Beitrag"

Die Vorwürfe und vorliegenden Beweise wiegen schwer. Kliemann soll mit seinem Ferienwohnungsvermietungsservice LDGG ("Lass dir gut gehen") Spendengelder gesammelt haben, die er inzwischen als "Soli-Beiträge" deklariert, deren Verwendung aber weiterhin äußerst schwammig formuliert ist. Hier kann aktuell noch nachgebessert, für mehr Transparenz gesorgt werden. Denn die sei ihm wichtig, so Kliemann in einem Instagram-Video vor wenigen Tagen, in dem er den Fragenkatalog der Böhmermann-Redaktion veröffentlichte und beantwortete. Er hätte jemanden fragen sollen, der sich mit so etwas auskennt, dazu wurde ihm sogar im Vorfeld geraten. Doch in der ihm so typischen hochmütigen Art wollte Kliemann das selbst in die Hand nehmen. Ein Schuss ins eigene Knie. Während seither der Text auf der Seite von LDGG mehrfach angepasst wurde, um sich unangreifbar zu machen, war das, was das "ZDF Magazin Royal" dann tatsächlich in den Fokus der Sendung rückte, weitaus prekärer.

Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Tom Illbruck und ihrer Firma "Global Tactics" soll Fynn Kliemann kurz nach Beginn der Pandemie die Produktion von Masken in Auftrag gegeben haben. Sie sollten mit 2,20 Euro pro Stück zu den günstigsten auf dem Markt gehören und dazu noch fair in Europa produziert werden. Eine hehre Absicht und fast zu schön, um wahr zu sein. Schließlich riefen andere Firmen gerade Wucherpreise für ihre Masken auf und es wurden fragwürdige Deals mit Ländern wie China geschlossen. Wahr war dann an allem, was Kliemann behauptete, um die Werbetrommel für seine Schutzmasken und vor allem sich selbst zu rühren, offenbar nichts.

"Geht im Leben nicht nur um Reichtum"

Er verdiene damit kein Geld, verkaufe sie zum Selbstkostenpreis, hieß es. "Es gibt Dinge, die müssen sich nicht großartig rentieren", sagte er damals auch im Gespräch mit ntv.de. "Es geht im Leben nicht nur um Reichtum. Das war mir schon immer extrem egal. Ich habe andere Werte. Uns ging es darum, möglichst vielen Menschen zu helfen, die gerade dringend Hilfe brauchen." Die Masken kämen aus Portugal und Serbien. Bei Instagram versprach er, "fair produzierte, wiederverwendbare Mundbedeckungen aus Europa" zu verkaufen, mit denen er ganz nebenbei "Arbeitsplätze bei unserem Produzenten in Europa" retten würde. Verkauft wurden die Masken im eigenen Onlineshop sowie über "About You". Dafür wurde Kliemann 2020 sogar mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet.

Und das alles soll nun also gelogen gewesen sein? Wie das "ZDF Magazin Royale" aufdeckt, wurden die Masken in Wahrheit in Bangladesch und Vietnam produziert, sollten dann aber umdeklariert werden, um den schönen Fair-Trade-Schein zu wahren, und auch, damit der "About You"-Deal nicht platzt. Der Redaktion liegen Textnachrichten und E-Mails vor, die eine eindeutige Sprache sprechen. Rund 2,3 Millionen Masken soll "Global Tactics" laut Böhmermann und seinem Team in Asien in Auftrag gegeben haben - für 45 Cent pro Stück. Verkauft wurden sie anschließend an Großkunden für 98 Cent bei Abnahme von 100 Masken. Für Kliemann und Illbruck würde allein das einen Gewinn von rund einer Million Euro bedeuten.

Nutzlose Masken für Geflüchtete gut genug

Dann ließ sich Kliemann auch noch dafür feiern, dass er 100.000 Masken an Flüchtlingscamps im griechischen Lesbos, Bosnien oder auch an Townships in Südafrika spendete. Als Held wollte er trotzdem nicht dastehen, sagte er damals. "Wir hatten die Kapazität und die Möglichkeit - und wir helfen damit ja auch uns selbst. Es rettet unsere Produzenten und finanziert unsere Leute." So bescheiden. So verlogen. Denn jene 100.000 Masken waren fehlerhaft, für den Verkauf nicht zu gebrauchen. Das belegen ebenfalls mehrere interne E-Mails und Whatsapp-Nachrichten. Was für den deutschen Markt nicht taugte, war für Geflüchtete also gerade gut genug. Nutzlose Masken während einer tödlichen Pandemie für die Ärmsten der Armen - die wohl größtmögliche Menschenverachtung in der Krise.

Wer jetzt all das dem Böhmermann-Team gesteckt hat, ist unklar. Doch hatte offenbar jemand aus dem engsten Kreis von Kliemann genug vom falschen Spiel des Hipster-Saubermannes. Genau nachlesen kann man all das auch auf der dafür eingerichteten Website LMAAFK.de, die am Vormittag - vermutlich aufgrund der großen Nachfrage - stundenlang nicht zu erreichen war. Bei Twitter und bei Instagram machen inzwischen auch eingefleischte Kliemann-Fans ihrer Enttäuschung und Wut Luft.

Die Preise für seine limitierten Platten und CDs sind bei Ebay bereits gesunken, manch einer ärgert sich über sein von einem Kliemann-Song inspiriertes Tattoo. Er selbst hat sich bislang lediglich zu den LDGG-Vorwürfen geäußert, für ein Statement bezüglich des Masken-Deals befragt er im besten Falle nun wohl doch erst mal seinen Anwalt. Fynn Kliemanns viel zitierten Satz "Krise kann auch geil sein" führen die Vorwürfe gegen ihn jedenfalls ad absurdum.

Quelle: ntv.de

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