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"Es gibt keine Traumfrauen" Amelie Fried über Freundinnen, Frust und Fertilität

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Sie glaubt nicht an Traumfrauen, aber daran, dass man seine Träume möglichst erfüllen sollte: Amelie Fried.

(Foto: Annette Hornischer/Random House)

Ihr dritter Traumfrau-Band, jetzt mit "Ersatzteilen": Die Münchener Autorin Amelie Fried lässt ihre Protagonistin dieses Mal durch die Hölle des 60. Geburtstags gehen. Dabei geht es um erwachsene Kinder, Krankheiten, unliebsame Schwiegertöchter, älter gewordene Freundschaften und die Illusionen, denen frau sich Ü 60 noch hingeben darf. Oder eben lieber nicht. Denn wenn der eigene Mann mehr Lust auf eine Fahrradtour hat als auf einen Blowjob - hat er dann eine junge Geliebte? Oder ist er einfach alt? Und ist da noch irgendeine Art von Spannungsbogen aufzubauen in der Beziehung von Amelie Frieds Traumfrau Cora und ihrem Künstler? ntv.de fragt nach bei der Bestseller-Autorin.

ntv.de: Die "Traumfrau" ist nun eine Trilogie - was bedeutet "Traumfrau" für Sie?

Amelie Fried: Den Begriff habe ich von Anfang an mit einem Augenzwinkern benutzt und eher ironisch gemeint. Der erste Traumfrau-Band entstand ja in einer Zeit, in der die sogenannten "frechen Frauenromane" boomten, da fühlte ich mich nie so ganz zugehörig. Meiner Meinung nach gibt es sowas wie "Traumfrauen" gar nicht.

Warum nicht?

Eine Traumfrau ist das, was ein anderer in ihr sieht. Wenn man in eine Frau verliebt ist, dann entspricht die vielleicht den Traumvorstellungen, die man sich so über die Zeit aufgebaut hat. Es ist ein Klischeebegriff, den ich eher spöttisch gemeint habe.

Das Buch ist in der Ich-Form geschrieben, daher hatte ich beim Lesen Sie im Kopf. Bis zu der Stelle …

… als klar wird, dass Cora schwarze lange Haare und eine große Nase hat, das kann ich tatsächlich nicht bieten (lacht). Aber diese Traumfrau hat ein lebendes Vorbild, eine Freundin von mir, mit der ich seit über 30 Jahren befreundet bin. Über die Jahre hat sich die Traumfrau in meinem Buch mir aber ein bisschen angeglichen. Ich habe ihr ein paar meiner Eigenschaften gegeben, weil es leichter ist, sich mit einer Figur zu identifizieren, wenn die auch was von einem selbst hat. Vieles, was sie denkt und sagt, würde ich so nicht denken und sagen. Andererseits hat meine Figur eine Art von Humor und Selbstironie, die ich mir manchmal auch für mich wünschen würde.

Man möchte zum Beispiel immer schlagfertig sein.

Ja, über die schlagfertigen Dialoge im Buch habe ich jedoch lange nachgedacht (lacht). Die meisten tollen Antworten fallen einem erst später ein. Aber das ist ja das Schöne an so einer Figur - die kann man erfinden, man kann ihr Leben einhauchen und die kann dann Dinge ausleben, die man sich selbst gar nicht trauen würde. Cora ist eine mutige und kämpferische Person - das finde ich gut.

Wenn man mit seiner Buch-Protagonistin zusammen älter wird, wie ist das?

Es ist, als würde ich zu einer alten Freundin zurückkehren, die ich länger nicht gesehen habe. Ich bin dann ganz neugierig, was ihr in der Zwischenzeit passiert ist. Es ist spannend, sich beim Schreiben zu überlegen, wie es mit einer Figur weitergegangen ist. Früher hatte Cora eine Partnervermittlung, inzwischen hat sie eine Therapieausbildung gemacht und betreibt eine Paarberatung. Ist doch konsequent, erst Paare zusammenzubringen und dann bei der Lösung der Probleme zu helfen, die sie ohneeinander nicht hätten. (lacht).

Und sich von der Figur zu verabschieden, ist das schwer am Ende des Buches?

Ich habe da ja großes Glück, alle Traumfrauen-Bände verkaufen sich extrem gut, ich konnte bisher immer zu meiner Figur zurückkehren.

Im Buch kommen so gut wie alle Themen vor, die wichtig für Frauen sind. Von Krebsvorsorge bis Diagnose, Sex und kein Sex, Familie, das Auseinanderdriften von Freundschaften …

Ja, aber ein paar Themen habe ich noch aufgehoben … (lacht)

Das heißt, jetzt ist sie 60 geworden , sehen wir sie zum 70. wieder?

Das weiß ich noch nicht (lacht). "Traumfrau mit Stützstrümpfen" vielleicht, oder mit Rollator? Ich befasse mich bei der "Traumfrau" immer mit den Themen, die in der jeweiligen Lebensphase eine Rolle spielen. Es fing mit 30 an, da spielten Schwangerschaft und pränatale Diagnostik, Elternwerden eine Rolle, mit 40 kam ich noch nicht auf die Idee, eine Reihe daraus zu machen, mit 50 dann schon, und da ging es um die verblühende Erotik, Affären, das Sichaufbäumen gegen das Alter. Und jetzt eben 60. Es macht nur Sinn, wenn man sich den entsprechenden Fragen stellt.

Ist das ein schlimmes Datum, der 60. Geburtstag?

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Es ist auf jeden Fall ein einschneidendes Datum, wir haben diese Bilder im Kopf von 60-Jährigen: Beige Windjacken, Gesundheitsschuhe – das wollen wir auf keinen Fall (lacht). Wie man den Tag begeht oder verdrängt, ist wahrscheinlich sehr individuell: Im Bett mit 'ner Flasche Sekt und Netflix-Abo oder große Party mit Tanzen bis zur Besinnungslosigkeit. Ich habe meinen 60. gefeiert, kleinerer Kreis, aber mit Tanz bis in den Morgen. Ich war so glücklich! Und außerdem - was ist die Alternative? Jung zu sterben - das hab' ich verpasst.

Wie behält man seine Würde?

Das hat viel mit der Haltung zu tun, mit der inneren und der äußeren. Also ein gerader Rücken strafft auch augenblicklich die ganze Ausstrahlung. Ich achte immer darauf, dass ich aufrecht gehe. Man muss den Blick auch offen nach außen und geradeaus richten, und nicht nur auf sich und seine eigenen Wurschteleien. Außerdem: sich konzentrieren auf das, was geht und nicht das, was nicht mehr geht! Ich werde nicht mehr Eiskunstläuferin oder Bundeskanzlerin, so viel ist klar, aber so lange meine Knochen es erlauben, könnte ich ja noch mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug springen.

Wäre das Ihr Wunsch?

Nicht unbedingt, ich meine damit nur, dass es Zeit ist, die eigenen Träume in Angriff zu nehmen!

Ich höre immer wieder, dass Leute mit 80 immer noch denken, dass sie eigentlich erst - höchstens - 50 sind. Äußerlich nicht und auch die Zipperlein werden immer mehr, aber die Einstellung, das Grundgerüst, bleibt.

Das sieht auch meine Traumfrau Cora so: dass es einen großen Unterschied gibt zwischen der Fremd- und der Selbstwahrnehmung. Wie man sich fühlt und wie man sich von der Umgebung wahrgenommen und gespiegelt sieht. Und das empfinde ich auch: Man ist eine bestimmte Persönlichkeit, man durchlebt einen Reifeprozess, und trotzdem bleibt man die, die man ist. Das führt dann eben auch dazu, dass ich, wenn ich in einer Gruppe mit jüngeren Leuten bin, gerne sage "wir" - und die mich dann irritiert angucken. Denn die Jungen sehen in mir eine viel ältere Frau, das ist für die kein "Wir"-Gefühl. Das war für mich früher genauso: eine 64-Jährige, so wie ich jetzt, kam von einem anderen Planeten. Das ist ein bisschen schmerzhaft, gebe ich zu.

Auf der anderen Seite muss man auch feststellen dass "jung" nicht zwingend gleichbedeutend ist mit "toll". Es gibt Menschen, die kommen langweilig auf die Welt und bleiben es auch.

Das stimmt. Bloß weil die Haut noch glatt ist, heißt es noch lange nicht, dass alles prima ist. Manchmal denke ich sogar, die Jungen haben es gerade echt nicht leicht. Ich frage mich zum Beispiel, wie junge Menschen noch das Zutrauen finden sollen, Kinder zu bekommen in diesen krisenhaften Zeiten. Auch beruflich haben viele es schwerer als wir damals. Mein Gefühl, mein Blick auf die Jugend, ist eher besorgt und völlig frei von Neid. Ich unterhalte mich sehr gern mit Jugendlichen, dabei lernt man viel. Da ist viel Power, viel Intelligenz und eine ganz große Bereitschaft, die Herausforderungen anzunehmen.

Ok, es gibt Limitierungen, irgendwann hört das auf mit dem Kinderkriegen und einen neuen Beruf wird man auch meist nicht mehr ergreifen, aber da kommt noch was, es gibt noch ganz viele positive Überraschungen und Erlebnisse, denke ich.

"Mein Leben kann mich noch überraschen" - das ist doch ein Schlüsselsatz. Das ist eine Haltung dem Alter gegenüber, die wir brauchen. Wenn ich irgendwann sage, naja, hatte ich alles schon, brauche ich nicht mehr, was soll denn noch kommen, dann weiß ich auch nicht. Mit solchen Menschen will ich eigentlich gar nichts zu tun haben, das ist doch langweilig. So will ich jedenfalls nicht alt werden!

Auch ein Thema im Buch: Partnerschaft und Sex - Cora möchte mit ihrem Mann zum 60. Geburtstag "zur Sache" kommen, doch der zieht dem Blowjob eine Radtour mit dem Mountainbike vor ...

Ich glaube, wir müssen unsere Einstellung dem Alter gegenüber wirklich überdenken. Die Menschen sind von der Natur dafür vorgesehen, sich fortzupflanzen, das geht . zumindest bei Frauen . ab einem gewissen Alter nicht mehr, und damit wird ihnen gewissermaßen auch das Recht auf Sex abgesprochen. Dabei haben über 60-Jährige natürlich Sex …

… und wenn sie keinen haben, dann hätten sie gern.

Viele auf jeden Fall! Da Männer bis ins hohe Alter Kinder zeugen können, wird ihnen auch eher zugesprochen, dass sie noch ein Sexualleben haben. Paare sollten auf jeden Fall offen darüber sprechen, was sie wollen, ich glaube, da geht mehr, als viele denken. Das Gute am Alter aber ist, dass man sich überhaupt nicht mehr unter Druck setzen lassen muss und eine Gelassenheit entwickeln kann, die man in jüngeren Jahren nicht hat.

Man entwickelt sich im Laufe der Zeit auch auseinander mit Menschen, die man schon lange kennt …

Manche Freundschaften bleiben, manche enden, ohne dass etwas vorgefallen ist, aber es passt einfach nicht mehr. Die muss man dann ziehen lassen, loslassen. Es fällt mir jetzt leichter, Menschen gehen zu lassen, auf der anderen Seite habe ich auch neue Freunde dazugewonnen. Und wozu ich dringend rate: Sucht euch jüngere Freunde! Das sehe ich bei meiner über 90-jährigen Mutter: Die meisten ihrer gleichaltrigen Freunde sind schon lange gestorben. Die jüngeren aber besuchen sie nun und sehen eine Gesprächspartnerin in ihr, mit der man gerne zusammen ist. Wenn man im Alter nicht einsam werden will, dann muss man sich auch ein bisschen anstrengen, interessant zu bleiben.

Mit Amelie Fried sprach Sabine Oelmann

Quelle: ntv.de

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