Wie gut ist "Asterix bei den Pikten"? Asterix und Obelix schippern nach Schottland
24.10.2013, 09:53 Uhr
In "Asterix bei den Pikten" sind die beiden Gallier nicht immer ein Herz und eine Seele - aber nur zusammen bestehen Asterix und Obelix ihre Abenteuer.
(Foto: 2013 Les Éditions Albert René)
Schottenröcke, Malzwasser und ein Seeungeheuer: Asterix und Obelix zieht es in den Norden. Mit "Asterix bei den Pikten" gelingt der Erfolgsserie der Start in eine neue Epoche. Neben einer guten Geschichte und gelungenen Wortwitzen gibt es sogar einen Kommentar auf die EU-Flüchtlingspolitik.
Was das Meer so anschwemmt: verbeulte Römerhelme, griechische Amphoren und einen Mann in einem Eisblock. Da staunen die Gallier aus einem bekannten, widerstandfähigen Dorf nicht schlecht. Und auch diesem seltsam in einen Rock gekleideten Mann verschlägt es glatt die Sprache. Schnell stellt sich heraus, dass er ein Pikte aus Kaledonien ist, dem heutigen Schottland. Er hat also eine weite Reise hinter sich.
Der stattliche Bursche mit seiner aufregenden Tätowierung (schließlich bedeutet Pikten "die Bemalten") sorgt allerdings für Unruhe im Dorf, denn die Damen sind von dem Schottenrock fasziniert. Die Männer wollen ihn deshalb loswerden und auch Mac Aphon selbst plagt das Heimweh. Er hat noch eine Rechnung offen: Nicht nur wurde er vom verfeindeten Clanchef Mac Abberh an einen Baumstamm gebunden und auf die eisige Reise geschickt, er musste auch noch seine geliebte Prinzessin Camilla (!) zurücklassen.
Der erste Zeichner gab auf
Da zögern Asterix und Obelix nicht lange: Zu dritt machen sie sich nach Schottland auf. Dort begegnen sie nicht nur einem Seemonster, sie lernen auch den Volkssport Baumstammwerfen kennen. Nebenbei müssen sie aber Mac Aphons Clan beistehen, denn Mac Abberh will die Krone aller Pikten an sich reißen und hat sich zu diesem Zwecke auch noch Hilfe bei den Römern geholt, der "Avantgarde der Antike", wie er sie nennt. Und dieses Aufeinandertreffen erfreut natürlich Obelix ganz besonders.

Nicht jeder Gallier ist damit einverstanden, im neuen Abenteuer einen Rock verpasst zu bekommen.
(Foto: 2013 Les Éditions Albert René)
Dass der neue, lang ersehnte Asterix-Band ein klassisches Reiseabenteuer ist, ist kein Zufall. Autor Jean-Yves Ferri wollte sich mit seiner ersten Geschichte um den heldenhaften Gallier bewusst in die Tradition der Reihe einordnen, wie er im Interview mit n-tv.de erklärte. Denn auf ihm und dem Zeichner Didier Conrad lasten natürlich große Erwartungen.
"Asterix bei den Pikten", Band Nummer 35, ist der erste seit vier Jahren. Vor allem aber ist es der erste, an dem keiner der beiden Schöpfer der Gallier mitwirkte. René Goscinny, der die klassischen Abenteuer textete, starb bereits 1977. Zeichner Albert Uderzo musste seitdem allein weitermachen. Das Ergebnis konnte zwar zeichnerisch weiterhin überzeugen, doch die Geschichten ernteten zuletzt viel Kritik.
Nun hat sich Uderzo zur Ruhe gesetzt, er konnte wegen einer Arthrose ohnehin kaum noch zeichnen. Die Serie einstellen wollte er aber nicht, in Frankreich sind die Gallier schließlich Nationalhelden und weltweit eine beliebte Serie. Als zeichnender Nachfolger war zunächst Frédéric Mébarki auserkoren, der schon länger mit Uderzo zusammenarbeitete. Doch der Druck aufgrund der hohen Erwartungen wurde ihm zu viel - er stieg aus.
Sind es die keltischen Wurzeln, die Asterix nicht ruhen lassen? Im Laufe seines Lebens hat er schon etliche Reisen unternommen. So reiste er nicht nur in ganz Gallien umher und natürlich in die Hauptstadt Rom, sondern auch zu den Goten (im heutigen Deutschland), in die Schweiz, und den Nahen Osten, nach Ägypten, Korsika, Belgien, England, Spanien, Indien, Amerika und zu den Olympischen Spielen nach Griechenland. Selbst Atlantis haben die unbezwingbaren Gallier bereits betreten.
Relativ kurzfristig wurde deshalb Didier Conrad engagiert. Er musste nun gleichzeitig den kompletten Band skizzieren, tuschen und sich nebenbei auch noch Uderzos Stil aneignen sowie dessen Anmerkungen einarbeiten. Das war gewiss keine leichte Aufgabe, aber Conrad hat sie überzeugend gelöst. Hier und da sieht man einige Unterschiede zum Stil Uderzos - die Figuren wirken etwas gröber, weniger subtil. Den meisten Lesern dürften die Unterschiede aber kaum auffallen.
Gelungen ist Conrad vor allem die Darstellung der Mimik, die neben anderen anspielungsreichen Details einen ganz eigenen Witz entwickelt. Massenszenen, oder besser gesagt, große Kampfszenen sind allerdings rar. Aber keine Angst: Der eine oder andere Verrückte, der sich den Galliern in den Weg stellt, fliegt auch hier aus den Latschen. Abgesehen von zwei grafisch unpassenden und überflüssigen Panels ist der zeichnerische Übergang also gelungen. Zumal man Conrad die Zeit zugestehen sollte, den Stil weiterzuentwickeln und ihn mit ein paar eigenen Duftmarken zu versehen.
Das Recht auf Asyl

"Asterix bei den Pikten" erscheint am 24. Oktober als Softcover im Verlag Egmont Ehapa für 6.50 Euro (D) und als Hardcover in der Egmont Comic Collection für 12 Euro (D). Beide Ausgaben haben 48 Seiten. Zudem gibt es digitale Versionen.
(Foto: 2013 Les Éditions Albert René)
Nur waren die Zeichnungen auch nicht das Problem der letzten, kritisierten Asterix-Bände. Doch auch Autor Ferri macht seine Sache in "Asterix bei den Pikten" gut. Slapstick, Gags und Wortwitz sorgen für eine unterhaltsame Lektüre. Vor allem spielt er eine Stärke der Reihe aus: Der Humor funktioniert auf verschiedenen Ebenen. Jüngere Leser werden sich nicht nur an den typisch überzeichneten Figuren oder dem liebevoll gestalteten Seeungeheuer erfreuen, sondern auch an ein paar rasanten Szenen und lustigen Äußerungen von Obelix.
Für ältere Leser hält Ferri aber noch genügend gelungene Wortwitze und Anspielungen auf schottische und britische Marotten parat. Da fallen vor allem die sprechenden Namen auf. Vom anfangs verstummten Mac Aphon über den Bösewicht Mac Abberh bis zum schon etwas älteren Druiden Mac Robiotic - Übersetzer Klaus Jöken hat sich alle Mühe gegeben, die sprechenden Namen im Deutschen zu erhalten.
Daneben spielen auch karierte Schottenröcke, Malzwasser, durch die Luft fliegende Baumstämme, Piktogramme und ein Patchworkclan eine Rolle. Und da recht wenig über die Pikten bekannt ist, ließ sich Ferri auch noch ein paar Stämme mit hervorstechenden Eigenschaften einfallen. Andererseits zeigt er sich aber auch politisch: Da beschwert sich ein römischer Soldat, dass man doch eigentlich nur "logistische Unterstützung" für den hinterlistigen Mac Abberh leisten sollte und der gallische Dorfchef Majestix sagt: "Für uns Gallier ist Recht auf Asyl kein leeres Versprechen." Angesichts der derzeitigen Debatte um die EU-Flüchtlingspolitik ist das bemerkenswert.
Schade ist allerdings, dass die Geschichte nicht ganz stringent erzählt wird. Hier und da hakt es etwas, wirkt mal sprunghaft, mal überhastet. Vielleicht liegt das daran, dass Ferris Skipt zu lang war und gekürzt werden musste. Vielleicht wollte er aber auch auf Nummer sicher gehen und möglichst viele - zu viele - Anspielungen auf ältere Asterix-Abenteuer unterbringen, um die alten Fans zu erfreuen. Zudem zündet auch nicht jeder Gag, etwa die sporadisch hervorgebrachten Songtitel Mac Aphons. Aber wie bei Zeichner Conrad gilt es auch hier, etwas Geduld zu haben, bis die richtige Balance gefunden ist.
Zweifelsohne ist der Band ein großer Fortschritt im Vergleich mit der von Uderzo zuletzt erdachten Begegnung mit Außerirdischen. "Asterix bei den Pikten" ist ein äußerst vitales Lebenszeichen, mit dem Asterix, Obelix und all den anderen Galliern der Start in die neue Epoche gelingt. Gekonnt wird an die lange Tradition der Erfolgsserie angeknüpft. Das beweist nicht zuletzt eine der witzigsten Szenen des Bandes: Da treffen die Gallier auf ihre geliebten Piraten.
"Asterix bei den Pikten" als Hardcover oder als Softcover bei Amazon bestellen. Daneben gibt es Versionen für den Kindle und für Apple-Geräte. Eine 128-seitige Luxusedition des Bandes erscheint im Dezember. Mehr Infos gibt es hier.
Quelle: ntv.de