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Was wäre, wenn? Der schöne Albtraum von der ewigen Jugend

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Die Blutproben der Versuchsmenschen zeigen, dass sie immer jünger werden.

Die Blutproben der Versuchsmenschen zeigen, dass sie immer jünger werden.

(Foto: imago images/Westend61)

Ein medizinisches Verfahren, das gegen häufig tödlich verlaufende Herzmuskelentzündungen helfen soll, erweist sich überraschend als Verjüngungsmittel. Doch ist die Menschheit bereit für das ewige Leben und wie geht sie mit dieser Möglichkeit um? Diese Fragen stellt Maxim Leo in seinem neuen Roman.

Wenn es langsam in der Hüfte zwickt und ohne Gleitsichtbrille nichts mehr geht, ist es mit der Gelassenheit dem Altern gegenüber schnell vorbei und Nahrungsergänzungsmittel oder gar Schönheitsoperationen entwickeln einen ganz neuen Reiz. Gäbe es jetzt doch nur ein Verjüngungsmittel, das einfach ein paar Jahre und einige der Beschwerden hinwegnähme! Man muss schon sehr mit sich im Reinen sein, um diesem Gedanken so gar nichts abgewinnen zu können.

Auf ein solches Mittel stößt Martin Mosländer an der Berliner Charité, als er eigentlich nach einer Medizin gegen häufig tödlich verlaufende Herzmuskelentzündungen sucht. Vier Probandinnen und Probanden bekommen das Mittel zur Reprogrammierung der Herzmuskelzellen bereits, als sich plötzlich erstaunliche Nebenwirkungen zeigen.

Der 14-jährige Jakob kann nach Jahren in ständiger Lebensgefahr erstmals ein normales Leben führen. Der Immobilienmogul Wenger hat seine Nachfolge geregelt, doch die zwei Wochen vorhergesagte Lebenszeit sind längst verstrichen und es geht ihm blendend. Verena war Leistungsschwimmerin, bis eine Herzmuskelentzündung ihre Karriere jäh beendete. Aber bei einem Ehemaligen-Wettkampf bricht sie beinahe ohne Training alle Rekorde. Jenny, die bereits das gesamte Instrumentarium der künstlichen Befruchtungsmedizin erfolglos durchlaufen hat, wird plötzlich einfach so schwanger. Und schließlich ist da Mosländer selbst, dem die langen Arbeitstage gar nichts mehr ausmachen und sein Hund Charles, dessen Fell wieder glänzt und der sogar wieder im Park Kaninchen jagt.

Ist es nur Doping?

Vor allem die Schwimmrekorde von Verena Schlink sorgen zunächst für Aufregung, allerdings nur, weil Doping vermutet wird. Als die klassischen Methoden der illegalen Leistungssteigerung ausgeschlossen werden können, bleibt noch Mosländers Medikament übrig. Bluttests ergeben, dass Verenas Herz sich vollständig erholt hat. Das erstaunlichere Ergebnis ist aber, dass ihr biologisches Alter sich zurückentwickelt. Die Untersuchung von Verenas Blut ergibt, dass die 34-Jährige ein biologisches Alter von 26 hat. Ganz Wissenschaftler testet Mosländer sich auch selbst und kommt zu ähnlichen Ergebnissen.

Inzwischen schlagen die neuen Erkenntnisse auch in der Politik Wellen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert von der deutschen Regierung Aufklärung über die "Menschenversuche". Und Medizinethikerin Miriam Holstein muss ihren Urlaub abbrechen, um Politikerinnen und Politiker zu einem medizinischen Verfahren zu beraten, das für das "Schicksal der Menschheit von universeller Bedeutung sein könnte". Gleichzeitig pilgern Biotech-Bosse aus den USA, Japan und China nach Deutschland, um zu überprüfen, ob das jetzt der seit Jahren erhoffte Durchbruch im Bereich der Zellverjüngung und genetischen Regeneration ist und ob er sich monetarisieren lässt.

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Nach einem etwas dialoglastigen Einstieg gelingt Maxim Leo in "Wir werden jung sein" der kühne Entwurf einer Dystopie, die mit jeder der 300 Seiten immer plausibler und gruseliger erscheint. In den politischen Beratungen und in den persönlichen Gesprächen der vier Versuchsmenschen wird überdeutlich, wie weitreichend die Folgen für die Menschheit sein würden, wenn es tatsächlich ein Verjüngungsmittel gäbe.

Medizinethikerin Miriam kommt dabei die Rolle zu, die kleinen wie die großen Gedanken gleichermaßen auszusprechen. Wenn man noch einmal von vorn beginnen könnte, wäre dann auch noch Platz für alternative Lebensentwürfe? Was wird aus den nächsten Generationen, wenn die vorherigen einfach niemals sterben? Gibt es so etwas wie ein Recht auf Kinder? Was wird aus Menschen oder Ländern, die sich ein längeres Leben nicht leisten können? Und wie soll eine Welt überhaupt aussehen, in der Menschen unsterblich sind?

Risiken und Nebenwirkungen

Leo, der regelmäßig allein und im Tandem mit seinem Kollegen Jochen Gutsch Romane und nicht selten Bestseller produziert, lässt die Lesenden in "Wir werden jung sein" einen Blick in eine nicht so unwahrscheinliche Zukunft werfen, der einen schaudern lässt. Zumal die unmittelbare und nicht gerade menschliche Nutzung von Regelungen, die erst in der Corona-Pandemie installiert wurden, eine gewisse Dringlichkeit empfinden lassen.

Es ist ein intellektuelles Vergnügen, Leo in seinen Entwurf zu folgen. Seine Figuren sind so vielschichtig und liebenswert, dass man sie nur zu gern begleitet bei ihrem verrückten Abenteuer. Selbst der nicht eben sympathische Immobilienmogul Wenger nötigt einem Respekt ab.

Leos Roman macht schließlich einen Zeitsprung von einem Jahr. Dann werden auch die Nebenwirkungen der Reprogrammierung deutlich, die für die Versuchsmenschen wieder neue Konsequenzen haben. Am Ende muss jeder und jede von ihnen entscheiden, was er oder sie mit diesen gewonnenen Lebensjahren tun will. Ohne zu spoilern, diese Jahre sind nicht nur ein Gewinn und der Preis dafür ist erstaunlich hoch.

Quelle: ntv.de

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