Geliebte Literatur-IkoneJane Austens Leben und Schreiben als Graphic Novel
Von Solveig Bach
Sie prangt auf britischen Pfund-Noten, ihre Romane werden immer wieder neu verfilmt, ihre Lebensorte sind Pilgerstätten von Fans. 250 Jahre nach Jane Austens Geburt ziehen nur noch wenige ihre Fähigkeiten als Autorin in Zweifel. Nun wird sie Hauptfigur ihrer eigenen Graphic Novel.
Jane Austen hat insgesamt sechs vollendete Romane veröffentlicht. Niemand beschrieb die elegant-heimelige und gleichzeitig brutale Welt des englischen Landadels vor mehr als 200 Jahren präziser und humorvoller als die Frau, die schon lange als eine der größten Romanautorinnen Großbritanniens und der Literaturgeschichte gefeiert wird.
Am 16. Dezember 1775 kommt Jane Austen im Dorf Steventon, in Hampshire, zur Welt, wo ihr Vater Pfarrer ist. Janina Barchas und Isabel Greenberg widmen Austen aus diesem Anlass eine Graphic-Novel-Biografie. Statt am Tag ihrer Geburt beginnt sie am 23. August 1796. Jane Austen ist 20-jährig zu Gast in London und schreibt ihrer Schwester Cassandra, mit der sie zeit ihres Lebens eine innige Verbindung haben wird. Dann bricht sie zusammen mit ihrem Bruder Francis William Austen in eine Shakespeare-Ausstellung auf. Ihr als Schriftstellerin werde das sicher gefallen, sagt Frank, wie sie ihn liebevoll nennt.
Jane trägt ein gelbes Regency-Kleid und die typischen Stirnlocken, wie man sie von Porträts von ihr kennt. Die gesamte Doppelseite ist in Grau-, Blau- und Gelbtönen gezeichnet. Das Farbschema zieht sich durch das gesamte Buch und wird nur unterbrochen, wenn es in Jane Austens literarische Welt geht. Dann aber explodieren ihre Kreativität und ihre Ideen in rosa- und magentafarbenen Bildfeldern oder ganzen Seiten.
Im ersten Kapitel ist es nur ein Aufblitzen in der Shakespeare-Ausstellung, in der sie Gemälde anschaut, die Szenen aus den Stücken zeigen. Immer wieder ist Puck zu sehen und Jane fällt auf, dass sie sich Puck als Mädchen vorstellt. Im zweiten Kapitel nimmt der Roman "Sense and Sensibility" in ihr Gestalt an. Die Hauptfigur Marianne und die Landschaft fließen aus Janes Feder, während Cassandra, die gerade ihren Bräutigam verloren hat, neben ihr zu schlafen versucht.
Expertise trifft auf Kreativität
Dieses Farbkonzept ist die Idee der Londoner Grafikerin Isabel Greenberg, die bereits mehrere hochgelobte Graphic Novels veröffentlicht hat, zuletzt 2020 die Biografie der Brontë-Geschwister "Glass Town". Greenbergs Illustrationen wirken gleichzeitig naiv und fast hölzern, dann wieder wie Stickereien oder Szenen aus einer Austen-Verfilmung. Immer wieder streut sie historische Details ein und beschriftet beispielsweise die Gesellschaftsspiele auf einer Party oder die Gerichte auf dem Frühstückstisch.
Mit Janine Barchas, einer ausgewiesenen Austen-Expertin und Professorin für Buch- und Literaturwissenschaft an der University of Texas, hat Greenberg eine detailversessene Partnerin, die sich nicht scheut, ihren Forschungsgegenstand immer wieder neu zu sehen. Barchas hat bereits mehrere Bücher über Jane Austen veröffentlicht und das digitale Projekt What Jane Saw ins Leben gerufen. In Interviews scherzt sie gern, es sei "wunderbar, nicht immer nur für die gleichen zwölf Leute im eigenen Fachgebiet zu schreiben".
Unterteilt in drei Lebensphasen, "Aufstrebende Autorin", "Erfolglose Künstlerin" und "Veröffentlichte Autorin" lässt sich verfolgen, wie zwingend der Wunsch zu schreiben in Austen, wie hart das Ringen um Veröffentlichung ist. Da die Geschwister aus einem armen Zweig der Familie stammen, müssen sie sich Strategien überlegen, um die Gunst ihrer wohlhabenderen Verwandten nicht zu verlieren. Gleichzeitig kämpft Jane darum, mit ihren Veröffentlichungen Geld zu verdienen. Die Familie, insbesondere ihre künstlerisch begabte Schwester Cassandra, die Janes Liebe zur Unterhaltungsliteratur teilt, ermutigen sie zum Schreiben. Der Rest der Familie hört sich ihre Entwürfe an und und urteilt oft sehr deutlich: "Fanny Price ist fade", sagt ihre Mutter über die Heldin von Mansfield Park. "Mrs. Norris hingegen hat mir gefallen."
Späte Genugtuung
Nach Jahren der Zurückweisung wird 1811 schließlich "Sense and Sensibility" veröffentlicht. Jane und Cassandra, die ebenfalls unverheiratet geblieben ist, leben auf dem Anwesen ihres Bruders Edward in Chawton zusammen. Die finanziellen Ängste der Jahre zuvor sind ausgestanden, auch wenn von Reichtum keine Rede sein kann. Nach ihrem Tod am 18. Juli 1817 erscheinen ihre beiden Romane "Northanger Abbey" und "Überredung" endlich auch unter ihrem eigenen Namen. Cassandra Austen bekommt noch eine Ahnung vom Ruhm ihrer Schwester.
Die Graphic Novel endet damit, dass die Orte, an denen Jane Austen gelebt und gearbeitet hat, heute Pilgerstätten für Austen-Fans aus aller Welt sind. Das "eigensinnige und halsstarrige Mädchen", deren Inneres voller Figuren und Geschichten war, wird bei Barchas und Greenberg so lebendig, dass man beinahe traurig wird, nicht dabei gewesen zu sein.
Denn sichtbar wird nicht nur eine Autorin, sondern auch eine um Selbstbestimmung ringende Frau, deren Lebensentwurf - um es vorsichtig auszudrücken - in ihrer Zeit nicht eben geschätzt wurde. Das wissen echte Austen-Fans natürlich. Für sie ist das Buch aber wegen seiner zahlreichen versteckten Anspielungen trotzdem ein Vergnügen. Alle anderen können die Frau, der Hollywood einige seiner besten Filmvorlagen verdankt, kennenlernen. Das lohnt sich auch 250 Jahre nach ihrer Geburt.
