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"Ciao, alter weißer Mann" Johanna Adorjáns klarer Blick auf die Welt

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Als Journalistin kennt sie sich aus in der Medienwelt: Johanna Adorján.

(Foto: imago/STAR-MEDIA)

Sollte man Mitleid haben mit einem einst gefragten Feuilletonisten, der noch nicht gemerkt hat, dass seine Zeit abgelaufen ist? Schonungslos und gleichzeitig hochgradig amüsant seziert Johanna Adorján in ihrem Roman "Ciao" den vielzitierten "alten weißen Mann", der sich noch immer für einen tollen Hecht hält.

Teilen Sie sich das gut ein! Denn Sie werden Johanna Adorjáns neuestes Werk "Ciao" am liebsten in einem Rutsch durchlesen wollen. Das liegt zum einen an ihrer schönen, unprätentiösen Sprache, zum anderen daran, dass man im Verlaufe des Lesens dieses Buches meint, sich mit der ein oder anderen Figur bereits einmal getroffen zu haben. Oder weil man sich identifizieren möchte. Oder auch einfach nur, weil man ein Beobachter der Szene ist und das eine um das andere "Aha"-Erlebnis in Form einer Glühbirne, wie in einer Comic-Sprechblase, über dem eigenen, über das Buch gebeugten Haupt zu leuchten scheint.

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Muss man eher Mitleid haben mit Hans Benedek, Adorjáns Hauptprotagonisten, dem einst gefragten Feuilletonisten, der noch gar nicht gemerkt hat, dass seine Zeit beziehungsweise die Art, wie er arbeitet, abgelaufen ist? Oder sich zumindest erfolgreich versucht vorzumachen, dass er immer noch ein ganz ganz Wichtiger ist? Oder sollte man beziehungsweise frau einfach mal sagen: Schwamm drüber, alter weißer Mann, geh' nach Hause, zieh' dir die Puschen an und überlass das Ruder anderen. Jüngeren. Frecheren. Denen mit den noch besseren Kontakten. Oder einfach einer Frau.

Wie viel Hans Benedek steckt in Ihnen?

Denn obwohl Hans Benedek - den es außerehelich unablässig zum anderen Geschlecht hinzieht - es fast ausnahmslos mit Frauen zu tun hat, kommt ihm nicht im Entferntesten in den Sinn, dass Frauen es sein könnten, die ihn zu Fall bringen. Sogar so richtig mit Absicht und Ansage zu Fall bringen möchten. Die ihn, den großen Benedek, betrügen oder hintergehen könnten. So sicher ist er sich seiner selbst und seiner Bedeutung, dass er alle Zeichen der Zeit, alle Warnungen übersieht. Vielleicht auch nicht sehen will. Ein bisschen möchte man ihn anschubsen und ihm einen Hinweis geben - es ist aber auch ein Vergnügen, ihn auf seinem Blindflug zu begleiten.

Die Frage wäre interessant: Wie viele männliche Leser erkennen sich in einer Figur wie der des Hans Benedek wieder, vorausgesetzt, sie haben einen Funken Selbstreflektion in der DNA? Dass so ziemlich jede Frau in ihrem Berufs- oder Privatleben so einer Benedek-Figur begegnet ist, vielleicht sogar mit ihr zusammenarbeiten muss, stellt sich als Frage nicht wirklich. Zu groß ist doch die Wahrscheinlichkeit.

Und wie gesagt, die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Johanna Adorjáns Buch nicht aus der Hand legen wollen, ist ebenfalls groß. Die Journalistin und Bestseller-Autorin hat ein Händchen dafür, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Und so ist ihr mit "Ciao" nach "Eine exklusive Liebe", "Meine 500 besten Freunde" oder auch "Männer" wieder ein Roman gelungen, der uns viel über das Älterwerden verrät, die Eitelkeit und die Kraft der Liebe - wenn auch nicht unbedingt die Liebe zwischen Männern und Frauen damit gemeint ist.

Quelle: ntv.de

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