Zankapfel der Köche Der Sauerbraten
10.03.2005, 02:00 UhrDie Kölner Großmütter haben ihren "Surbroode" meist aus Pferdefleisch zubereitet. Inzwischen wird für Sauerbraten überwiegend Rindfleisch in Essig eingelegt und geschmort, bis es auf der Zunge zergeht. Mich persönlich stört, dass oft der Essig zu sehr vorschmeckt. Das Problem kann man aus der Welt schaffen, indem man für die Beize nur Rotwein verwendet ? natürlich trockenen, kräftig schmeckenden, und er kann ruhig ein wenig "quietschtrocken" sein.
Auch wenn die rheinische Variante mit Rosinensoße am bekanntesten ist: Andere Landesküchen schwören ebenfalls auf die Harmonie von süß und sauer. Dabei wird dem Klassiker je nach Region durch andere Gewürze und Zutaten eine eigene Note gegeben. Aber gleichgültig ob in Köln, München oder im Vogtland - das Schmorgericht braucht Zeit.
Ein Sauerbraten war ehemals ein Sonn- und Feiertags-Essen. Sollte er serviert werden, musste voraus geplant werden. Denn das Fleisch nimmt nicht den direkten Weg in die Bratpfanne, sondern macht mehrere Tage Zwischenstation in einer Beize. Sauerbraten ist nichts anderes als eine Konservierungs-Verlegenheit aus Zeiten, in denen es noch keinen Kühlschrank gab. Die Marinade aus Essig, Wasser oder Wein und Aromen wie Nelken, Lorbeer, Wacholder, Pfefferkörnern und Gemüse entscheidet auch über die Mürbheit des Bratens: Säure löst die Kollagenfasern des Fleisches auf. Je stärker die Beize, desto geringer ist die Bratzeit.
Die Soße ist das Tüpfelchen auf dem Braten
Ein Sauerbraten ist jedoch nicht nur sauer. Den Kontrapunkt setzt die Sauce. Deshalb ist nicht nur die Zusammensetzung der Beize, sondern vor allem die Sauce das markante Unterscheidungsmerkmal der regionalen Varianten. Über die Rezeptur kann nicht gestritten werden, sie ist Familiensache. Die Rheinländer lieben es besonders süß: Typisch sind Rübenkraut und Rosinen. Gebunden wird mit Pumpernickel oder Printen. Oft werden die Rosinen vorher in Rotwein oder Cognac eingelegt und der Braten wird mit gerösteten Mandeln garniert.
Im Rheinland und im sächsischen Vogtland wird heute noch statt Rind- bisweilen Pferdefleisch genommen - nach dem Urteil des Gourmetführers "Gault Millau" ein "ehrlicher Sauerbraten".
Die aus heutiger Sicht ungewöhnlich anmutende Bratenvariante geht vor allem auf Geldmangel zurück: Wer sich Rindfleisch nicht leisten konnte, griff früher zu Pferdefleisch. In Notzeiten stand das Fleisch besonders hoch im Kurs, zumal im französisch geprägten Rheinland der Verzehr kein Tabu war. Seit dem 8. Jahrhundert von der Kirche mit einem Essverbot belegt, wurde in Frankreich bald nach der Französischen Revolution damit gebrochen und Pferdefleisch salonfähig.
"Durstige" Beilage muss sein
Meistens werden zum Sauerbraten Rotkraut und Semmelknödeln gereicht. Im Rheinischen gehören Kartoffelklöße und Apfelkompott dazu. Die Vogtländer mögen ihren "Sauerbrotn" mit "griene Kließ" - Kartoffelklöße aus rohen Kartoffeln - und Rotkraut. Manchmal gibt's dazu auch "Halbseidene" (Klöße aus gekochten, erkalteten und dann geriebenen Kartoffeln) oder Klöße "halb und halb" (halb aus rohen, halb aus gekochten Kartoffeln). Auf alle Fälle gehört eine Beilage dazu, die die Soße gut aufnimmt.
Ein Fall fürs Gericht
2002 hat im Vogtland der Sauerbraten sogar die Gerichte beschäftigt. Auf Grund der vielen Möglichkeiten, die sich einem Sauerbraten-Koch bieten, mochte der Amtsrichter aber ein abschließendes Qualitäts-Urteil nicht fällen. Doch der klein karierte Rechtsstreit hatte immerhin ein gutes kulinarisches Nachspiel: Seither lädt der "Arbeitskreis Deutscher Sauerbraten" jedes Jahr nach Auerbach zum Wettstreit um den Sauerbraten-Champion ein. Neben klassischen Varianten steht Kreatives im Mittelpunkt. Das Spektrum reicht von Marinaden aus Cognac oder saurer Milch bis hin zu Braten mit Schweine-, Lamm-, Hirsch- oder Hasenfleisch.
Ich habe mich mit meiner "Kreation", die ich übrigens von meiner Mutter habe, noch nicht beworben - bin schließlich kein Koch, sondern nur Köchin hobbyhalber. Doch ich versichere, mein Braten verdient auch den Namen "Sauerbraten" - und er schmeckt auch!
Zutaten
1 kg Rinderschmorfleisch aus der Keule
2 Lorbeerblätter
10 Pfefferkörner
1 Zwiebel
evtl. 1 Knoblauchzehe
trockener Rotwein
1 Bund Wurzelwerk (Möhre; Sellerie, Petersilienwurzel)
einige getrocknete Pilze
etwas fetter Speck, Öl zum Anbraten
125 g Schmand oder saure Sahne
Gewürzmischung aus:
1 TL Salz
2 Prisen Pfeffer
1 Stück fein gehackte Zitronenschale
etwas Basilikum und Estragon
Zubereitung
Fleisch waschen, abtrocknen und von Sehnen und Häutchen befreien. Die Gewürze gut durchmischen und damit das Fleisch einreiben. In ein Gefäß legen und mit dem Rotwein übergießen. Das Fleisch mit einem Teller o. ä. beschweren - es muss von dem Rotwein bedeckt sein. Lorbeerblätter und Pfefferkörner dazugeben. Mindestens 2, höchstens 5 Tage kühl stellen.
Das Fleisch nach der Marinierzeit aus der Beize nehmen, trocken tupfen und in heißem Öl von allen Seiten gut bräunen. Danach Speckscheiben unter das Fleisch legen und das in Stücke geschnittene Suppengrün und die zerschnittene Zwiebel (und nach Geschmack auch die Knoblauchzehe) kurz mitschmoren. Die eingeweichten Trockenpilze mit dem Einweichwasser dazugeben. Mit Salz und Zucker abschmecken. Die Marinade (vorher durch ein Sieb gießen) zum Zugießen nutzen. Aufpassen, dass der Bratenfonds nicht zu kräftig wird, dann mit Wasser zugießen. Alles zugedeckt auf kleiner Flamme etwa 1,5 bis 2 Stunden schmoren lassen. Das Fleisch muss schön mürbe sein, wenn es fertig ist.
Vor dem Servieren Braten herausnehmen, zugedeckt ruhen lassen. Bratenrückstände am Rand des Bräters gut ablösen und alles etwas einkochen lassen. Die Sauce durch ein Sieb passieren. Etwas Stärkemehl in die saure Sahne rühren und damit die Soße andicken. Das Fleisch quer zur Faser in Scheiben schneiden. Die Sauce extra zum Braten reichen. Ich esse am liebsten Rotkraut und Kartoffelklöße dazu (bin aber keine Vogtländerin!).
Viel Spaß und guten Appetit wünscht Heidi Driesner
Quelle: ntv.de