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Papa-Land ist abgebranntBei "Stromberg" ist nichts wieder wie immer

04.12.2025, 16:56 Uhr Foto-Volker-ProbstVon Volker Probst
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Der Eindruck täuscht: "Stromberg - Wieder alles wie immer" spielt eigentlich gar nicht im Büro. (Foto: MadeForFilm GmbH / Willi Weber)

Und jetzt alle im Chor: Lass das mal den Papa machen! Elf Jahre nach seinem bis dato letzten Großauftritt kommt Bernd Stromberg erneut über uns. "Wieder alles wie immer" beteuert der Untertitel seines neuen Films. Doch das entspricht nicht der Wahrheit.

"'N Hund im Büro …?!" Wer bei diesem Ausruf regungslos bleibt, dem oder der wird auch ziemlich egal sein, dass the one and only Bernd Stromberg nach knapp elf Jahren seine Wiederauferstehung feiert. Jünger und Jüngerinnen des einstigen Chefs der Abteilung Schadensregulierung bei der Capitol Versicherung holen dagegen vor Freude geschwind ihre Halbglatzen-Perücken und ihre Klebe-Bärtchen aus dem Schrank. So wie nicht wenige, die ihr Idol und seine "Graupen" bei der "Weltpremiere" von "Stromberg - Wieder alles wie immer" am Montag in Berlin feierten.

Nach fünf Serien-Staffeln und einem ersten Kinofilm hatte Christoph Maria Herbst Kaufhaus-Anzug und Muster-Krawatte 2014 erst einmal für eine lange Zeit ad acta gelegt. Nun hat er entschieden, doch noch einmal in seine einstige Paraderolle zu schlüpfen. Und nicht nur er: Beim "Stromberg"-Comeback ist quasi der komplette Original-Cast mit von der Partie - sowohl vor als auch hinter der Kamera. Von Bjarne Mädel (als Berthold "Ernie" Heisterkamp) und Oliver Wnuk (als Ulf Steinke) über Diana Staehly (als Tanja Steinke) und Milena Dreißig (als Jennifer Schirrmann) bis hin zu Ralf Husmann (Drehbuch) und Arne Feldhusen (Regie).

Aber auch ein neues Gesicht taucht auf: László Branko Breiding alias Julian. Er ist nicht nur der jugendliche Lover von "Schirmchen" Jennifer, sondern geht auch einer Berufung nach, von der die Generation "Stromberg" noch gar nicht wusste, dass es sie gibt: Content Creator.

Fernsehstudio statt Büro

Und damit willkommen in der schönen, neuen Welt, in der sich der Bürohengst Nummer eins in seinem Kino-Abenteuer 2025 wiederfindet. Und die - von wegen "wieder alles wie immer" - ist gar nicht im Büro angesiedelt, schließlich war Bernd Stromberg seinen Capitol-Job schon am Ende des Kinofilms von 2014 los. Stattdessen spielt der Film in einem Fernsehstudio und darum herum. In ihm soll sich die Truppe, die einst in der erfolgreichen Dokumentationsreihe "Stromberg" über den Alltag in der Versicherung mitgewirkt hat, zu einer Reunion-Show zusammenfinden.

Doch die Sendung steht unter keinem guten Stern. Nicht nur im Produktionsteam regt sich Widerstand dagegen, dem aus der Zeit gefallenen Hauptdarsteller noch einmal eine Bühne zu geben. Vor dem Studio treffen auch Pro- und Contra-Demonstrant(inn)en aufeinander - die einen wie die echten Fans bei der Berliner Premiere im "Stromberg"-Gedächtnis-Outfit, die anderen mit Protestschildern, auf denen Slogans wie "Smash the Patriarchy" oder "Fight Sexism" stehen.

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"Stromberg"-Fans bei der Berliner Premiere. (Foto: RTL)

Während die TV-Show zusehends auf der Kippe steht, richtet sich der Fokus darauf, was die ehemaligen Capitol-Kolleginnen und -Kollegen heute so umtreibt. Tanja und Ulf Steinke sind noch immer bei der Versicherung. "Ernie" hat seine Mobbing-Erfahrungen in einem Buch verarbeitet. "Schirmchen" versucht weiter, von der Liebe zu leben. Und Stromberg? Dessen Leben ist ganz anders, als es auf den ersten Blick erscheint …

Gefangen im Humor-Dilemma

Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen - noch so ein Stromberg-Spruch. Aber einer, den die Macher nun tatsächlich inhaliert zu haben scheinen. Denn das Papa-Land, in dem der Schreibtisch-Tyrann einst groß herausgekommen ist, ist abgebrannt. Es ist halt überhaupt nicht "wieder alles wie immer" - erst recht nicht, wenn es um so etwas Ernstes wie Humor geht. An "Stromberg" im Jahr 2025 wird geradezu exemplarisch das kaum auflösbare Dilemma deutlich, in das zahlreiche Produktionen von einst schlittern oder schlittern würden, sollten sie denn eine Neuauflage versuchen.

Könnte Quentin Tarantino seine schwule Vergewaltigungsszene in "Pulp Fiction" heute noch mal so auf die Leinwand bringen? Könnte Al Bundy nach wie vor einen frauenfeindlichen Spruch nach dem anderen raushauen und sich zum Vorsitzenden von "NO MA'AM" (Nationale Organisation der Männer gegen die Amazonen-Machtausübung) küren? Könnten Begriffe wie "Muschi", "Homo", "Fotze" oder "Verrückter Mongo" in "New Kids" noch geradezu zum guten Ton gehören?

Die Antwort lautet: Ja, sie könnten, müssten aber womöglich mit deutlich stärkerem und vor allem lauterem Gegenwind von Menschen rechnen, denen bei Homophobie, Sexismus oder Rassismus schlagartig das Lachen vergeht. Genau davon lebten Formate wie "Stromberg", "Eine schrecklich nette Familie" oder "New Kids" in der Vergangenheit jedoch - von der Respekt- und Tabulosigkeit, so ziemlich über alles und jeden Witze zu machen. Funktioniert hat das, weil es in der Regel - zumindest gefühlt - eine Meta-Ebene gab. Dass manche die nicht überrissen haben, wurde als Kollateralschaden freilich in Kauf genommen.

Abahachi, Stromberg, Schlämmer

Es mutet schon beinahe ironisch an: Mit Bully Herbigs "Das Kanu des Manitu", "Stromberg" und demnächst auch einem neuen "Horst Schlämmer"-Film erfahren gerade kurz hintereinander drei deutsche Komödien-Oldtimer ein Revival, die alle das gleiche Humor-Dilemma haben. Und die es alle mehr oder weniger auf die gleiche Art zu lösen versuchen - indem sie Witze darüber machen, dass sie Witze machen, die man eigentlich ja nicht mehr machen darf.

Im "Kanu des Manitu" wird etwa mehr als einmal erklärt, dass man "Indianer" doch heute nicht länger sagen sollte. In "Stromberg - Wieder alles wie immer" wird die Auseinandersetzung mit der Humorgrenze quasi zum Prinzip erhoben. Und raten Sie mal, wie der Dialog im allerersten Trailer zum neuen "Horst Schlämmer"-Film klingt:

Horst Schlämmer: Komm, zeig dich mal

Kamerafrau: Nee.

Horst Schlämmer: Ist 'ne Hübsche.

Kamerafrau: Das macht man nicht mehr, Horst.

Horst Schlämmer: Wat?

Kamerafrau: Das Äußere von Menschen kommentieren.

Horst Schlämmer: Gut, dann nehm' ich das wieder zurück. Man ist ja lernwillig: Ist keine Hübsche.

Bei den ersten Comeback-Auftritten von Abahachi, Stromberg oder Schlämmer mag so eine Aufarbeitung der eigenen Humor-Vergangenheit noch verfangen. Ein dauerhaftes Konzept aber ist es nicht. Sollte eine der Figuren wieder in Serie gehen, wird sie das Publikum nicht ewig derart selbstreferenziell unterhalten können.

Beim neuen "Stromberg"-Film wird sich bald zeigen, ob es wenigstens ein einmaliges Erfolgsrezept sein kann. Die hart gesottenen Fans mit den Halbglatzen-Perücken und Klebe-Bärtchen werden womöglich nicht allzu begeistert davon sein, dass eben nicht wieder alles wie immer ist. Und die, die schon dem alten Bernd Stromberg aus dem Weg gegangen sind, werden wohl kaum plötzlich ihre Liebe für ihn entdecken.

"Stromberg - Wieder alles wie immer" läuft ab sofort in den deutschen Kinos

Quelle: ntv.de

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