
Ist es noch weit? Bill Bryson (Robert Redford) und sein alter Schulfreund Stephen Katz (Nick Nolte) kämpfen sich den Appalachian Trail entlang.
(Foto: Alamode Film)
Katz hat Schulden, Angst vorm Knast, ist fett und trockener Alkoholiker mit Whisky im Gepäck. Bill ist zwar sehr erfolgreich - aber die Enge des Alltags drückt. Jung sind beide nicht mehr. Dennoch planen sie eine lange, harte Wanderung. Wenn das mal gutgeht.
Bill Bryson wird häufig als "Reiseschriftsteller" eingeordnet - dabei hat er so viel mehr drauf, wie etwa sein umfangreiches Werk "Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge" zeigt, in dem es um die Geschichte der Menschheit geht, um Wohnen, Essen und Sex, um einfach alles. Oder sein nicht weniger dickes Buch "Eine kurze Geschichte von fast allem", in dem sich Bryson dem Universum widmet - eine Reise durch Zeit und Raum.

Die Filmgang: Bill Bryson, Nick Nolte, Produzent Bill Holderman, Robert Redford, Produzent Chip Diggins und Regisseur Ken Kwapis (v.l.) im Januar 2015.
(Foto: Dan Steinberg/Invision/AP)
Der US-amerikanische Journalist und Schriftsteller, der abwechselnd in den USA und England lebt, hat einen unnachahmlich unterhaltsamen Stil - amüsant, humorvoll und gleichzeitig spannend und informativ. Ein guter Beobachter mit einem liebevollen Blick für Absurdes. Damit hat er sich weltweit eine riesige Fangemeinde erschrieben.
1997 kam sein Buch "A Walk in the Woods: Rediscovering America on the Appalachian Trail" heraus, zwei Jahre später in Deutschland unter dem Titel "Picknick mit Bären". Beim Lesen haben ich und alle, denen ich das Buch lieh oder schenkte, nicht selten Tränen gelacht. Die Verfilmung (im Original "A Walk in the Woods", in der deutschen Fassung "Picknick mit Bären") wurde also herbeigesehnt und gleichzeitig gefürchtet - kann sie mit dem Witz des Buches mithalten?
Ende 70 statt Mitte 40

Bill und Cathy sehen Katz aus dem Flugzeug stolpern - und ihre Skepsis verstärkt sich.
(Foto: Alamode Film)
Erste Irritation: Robert Redford in der Hauptrolle. Bryson war erst Mitte 40, als er die kräftezehrende Wanderung auf dem Fernwanderweg Appalachian Trail unternahm, um die es im Film geht, Robert Redford aber geht schon stramm auf die 80 (wirklich!) zu. An seiner Seite als der fette, faule, schlecht organisierte Stephen Katz: Nick Nolte. Brysons Frau Cynthia (die im Film Catherine beziehungsweise Cathy genannt wird) wird gespielt von Emma Thompson. Also durchaus eine Starbesetzung. Und die Starbesetzung macht sich bezahlt! Emma Thompson mit ihrer herrlich ironischen Art passt hervorragend zum Ton der Komödie. Hier regiert nicht der Schenkelklopferspaß, sondern eher Sarkasmus und Galgenhumor.
Der Film fängt vielversprechend komisch an: mit einem total peinlichen TV-Interview und einem ignoranten, blöden Moderator. Seine Frau begrüßt Bill zu Hause mit "Hallo, Fremder!" und eröffnet ihm, dass sie zu einer Beerdigung müssten. Wo dann der Schriftsteller Bryson, doch eigentlich ein Mann des Wortes, nicht das passende findet ... alles scheint irgendwie verkorkst und einengend. Zudem mehren sich die Vorzeichen der eigenen Sterblichkeit, des körperlichen Verfalls. Da entdeckt Bill bei einem erlösenden Spaziergang, dass unweit seines Hauses der Appalachian Trail entlangführt. Der Fernwanderweg durchzieht 14 US-Bundesstaaten und ist insgesamt 2190 Meilen lang. Oder, wie Bills Sohn es formuliert: "Fünf Millionen Schritte in fünf Monaten!" Denn die Familie ist alles andere als begeistert von seiner Wander-Idee, die ihm sogleich kommt - sie hält ihn für total durchgeknallt. Er sei viel zu alt dafür und überhaupt: "Kannst du das nicht mit dem Volvo machen?"
Fetter Alkoholiker
Bill lässt sich nicht abbringen, jetzt erst recht, er will "zurück zur Natur" - aber keiner will mit. Alle Freunde, Bekannten, Verwandten, die er fragt, ob sie ihn begleiten würden (eine Bedingung seiner Frau für ihre Zustimmung: "Du gehst nicht allein!"), sagen ab, haben was Besseres vor, erklären ihn ebenso für verrückt. Nur einer, den er eigentlich gar nicht gefragt hatte (und das sagt viel aus - er hatte eigentlich bei so ziemlich jedem angeklingelt), ruft an und sagt, er käme mit: sein alter Schulfreund Stephen Katz. Schon die Stimme am Telefon klingt wie das, was kurze Zeit später aus dem Flugzeug stolpert: versoffen, übergewichtig, Knie kaputt, das Gegenteil von fit und sportlich. Und so geht es auch auf der Wanderung weiter: Katz hängt schon auf den ersten Metern hinterher und schnauft. Und grummelt: "Ist das hier ein Rennen?" Aber irgendwie grooven sich die alten Jungs ganz gut ein. Obwohl sie des Öfteren schwer daran zu schlucken haben, andauernd von jüngeren, fitteren, besser ausgerüsteten Wandercracks überholt zu werden.
Negativer, aber sehr komischer Höhepunkt dabei: die Begegnung mit Mary-Ellen. Sie ist das, was man auf Englisch "a pain in the ass" nennt. Die Wanderin kommt an ihre abendliche Raststätte und gesellt sich auf uncharmanteste Art zu Bill und Katz: "Was esst ihr da? Nudeln? Schwerer Fehler!" "Was ist das denn für ein Zelt? Was hast du dafür bezahlt? Auf jeden Fall zu viel. Die haben dich bestimmt übers Ohr gehauen." "Warum hast du kein Drei-Jahreszeiten-Zelt? Schwerer Fehler! Es ist dämlich, mit so einem Zelt im März hierherzukommen." "Du hättest vorher abspecken sollen, du bist viel zu fett!" und so weiter und so fort. Die Extremnervensäge singt nachts laut in ihrem Zelt und findet nur sich selber toll, alle anderen blöd und langweilig. Darum wandert sie auch immer allein - läuft aber am nächsten Tag trotzdem mit Bill und Katz mit. Bei ihrem kraftraubenden Fluchtversuch werden die beiden dann aber mit einer rasanten Autofahrt und der Nahsicht auf einen Blowjob entschädigt.
Spezialist für Damenunterwäsche

Katz trägt eine Flasche Whisky mit sich rum, um sich zu beweisen, dass er darauf verzichten kann. "Oder auch für den Fall, dass ich es nicht kann."
(Foto: Alamode Film)
So wird die Dauerwanderung der beiden alten Knochen von dem einen oder anderen aufregenden Höhepunkt unterbrochen - Katz outet sich im Waschsalon beim Flirt als "Pantyologist" und muss danach um sein Leben fürchten. Es regnet wie aus Eimern, es schneit, der Weg wird gefährlich ("Nur für erfahrene Wanderer!") und dem Film seinen deutschen Namen gebenden Bären tauchen auf, zwei gewaltige Grizzlys, und nehmen alles auseinander - ansonsten aber ist es ein entspanntes Wandern mit toller Natur, beeindruckenden Aussichten und Männergesprächen.
Denn natürlich reden die beiden auch - etwa über die Gründe, warum sie überhaupt auf den Trail gegangen sind, wem oder was sie damit entkommen wollten. Bill hat da im Vergleich eher Luxusprobleme - ihn plagen Alltagstrott und Sinnsuche. Aber Katz, der alte Haudegen, flieht vor dem Knast, in den Schulden ihn zu bringen drohen. Er ist im Gegensatz zum erfolgreichen Schriftsteller Bill Bryson ziemlich weit unten angekommen, war schwerer Alkoholiker: "Da ist jetzt ein Loch in meinem Leben, wo das Trinken früher war." Die Wanderung mit seinem alten Kumpel aus Jugendtagen war für ihn also auch eine Chance - eine Parallele zum wahren Leben, denn Mitproduzent Redford holte Nolte von der Straße, als dieser obdachlos war, indem er ihm diese Rolle anbot. (Zuletzt waren beide zusammen 2013 in "The Company You Keep – Die Akte Grant" zu sehen.)
Bevor es aber zu ernst, tiefgründig und tragend wird, nimmt "Picknick mit Bären" immer wieder eine leichtfüßige oder komische Wendung, hat einen Scherz auf den Lippen. Die beiden alten Knaben schwitzen zwar sichtlich und nehmen auch erkennbar ab auf ihrem Trip, aber sie haben auch jede Menge Spaß. So wie der Kinozuschauer. (Ich empfehle allen, die das nicht allzusehr nervt, die englische Originalfassung. Die Witze sind einfach witziger.)
Der Independent-Film "Picknick mit Bären" startet am 15. Oktober 2015 in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de