Luxus, Lust, Lotterleben "Die letzte Party" und der Kater danach


Wales ist mehr als nur Naturidyll - und Schafe. Clare Mackintoshs "Die letzte Party" zeigt das eindrucksvoll.
(Foto: imago images/Martin Wagner)
Eine Silvesterfeier bei den Schönen und Reichen endet mit einem Toten und ein One-Night-Stand mit einem peinlichen Wiedersehen. Beides zusammengepackt ist der Anfang eines schwarzhumorigen walisischen Krimis, der für Lacher sorgt und Lust auf mehr macht. Let's party!
Nordwales ist Naturidylle pur: schroffe, steil abfallende Berge; klare Seen, in denen sich der wolkenverhangene Himmel spiegelt; dichte Wälder, deren Baumwipfel ein schützendes Dach vor dem lotrecht fallenden Regen bilden; sattgrüne Wiesen. "In Nordwales ist alles eher ruhig. Hauptsächlich Schafe, wie man sich denken kann. Wenn wir die nicht gerade vögeln, hahaha, klauen wir sie", sagt Fion Morgan aufgebracht. Zu viel Klischee?
Fion ist wütend. Sie ist 30, Waliserin, kommt aus dem kleinen Dorf Cwn Coed, das am Llyn Drych liegt. Ein See wie ein Mythos, eine Sage. Und sie hatte am gestrigen Silvesterabend wohl zu viel Weißwein und Wodka. Das weiß sie jetzt. An den Namen ihres One-Night-Stands kann sie sich nicht mehr erinnern. "Mike? Max? Marc? Marcus! Oder?" Fion stahl sich am Neujahrsmorgen erst aus dem über ihrer Hüfte liegenden Arm ihres Silvester-Lovers, dann aus dessen Bett und im Anschluss aus seiner Wohnung.
Nun, nur wenige Stunden später, steht er ihr gegenüber. Marcus heißt Leo. Leo Brady. Fions One-Night-Stand ist Detective Constable (DC) - und damit ein Kollege. Einziger Unterschied: DC Fion Morgan arbeitet bei der North Wales Police, DC Leo Brady für die Polizei jenseits der walisisch-englischen Grenze. Als die beiden sich am Leichenschauhaus wiedersehen, geht es um einen Toten. Rhys Lloyd. Er wurde vermisst an der englischen Seite des Llyn Drych gemeldet und tot aus dem walisischen Teil des Sees gefischt. Das Gesicht nahezu gespalten. Lloyd war einer der Besitzer eines Luxus-Lodges-Ressorts am See, in der direkten Nachbarschaft des heimeligen Dörfchens Cwn Coed.
Der Schein trügt
Aber wie die pure Naturidylle von Nordwales ist auch das niedliche Örtchen Cwn Coed mehr Klischee als Wirklichkeit: "In Cwn Coed kann man nicht einmal furzen, ohne dass es auf die Titelseiten kommt", sagt Fion. Und Leo merkt bei den gemeinsamen Ermittlungen rund um den Mord schnell, dass Fion recht hat. In Cwn Coed scheint jeder ein Geheimnis zu haben, etwas, das besser nicht gelüftet wird, das vielmehr im Verborgenen bleiben sollte. Das Luxus-Lodges-Ressort stand bei den Einheimischen ganz oben auf ihrer schwarzen Liste.
Klar, die Einwohner von Cwn Coed hofften auf Einnahmen, auf Arbeit. Aber nach dem Bau der Lodges blieb beides aus. Die Bewohner der auf Holz getrimmten Luxushütten mit eigenen Stegs hielten sich zurück, blieben unter sich, ein Dorf im Dorf sozusagen.
Doch an Silvester sollte das anders werden: Die Dorfbewohner waren von den Lodgianern zur Party eingeladen, die extra für sie und ein Sich-besser-Kennerlernen auf die Beine gestellt worden war. Doch der Morgen danach brachte nicht mehr Verständnis oder sogar Sympathien, sondern nur eine Leiche zutage, die von Rhys Lloyd. Der einstige Musikstar war an seinen Geburtsort zurückgekehrt, wollte ihm etwas Gutes tun. Doch mit ihm kam auch seine Vergangenheit mit zurück - und die kostete ihm nun das Leben. Es war seine letzte Party.
Begeisternder Start einer neuen Thriller-Reihe
Der Titel von Clare Mackintoshs neuem Bestseller, "Die letzte Party", ist also Programm. Das Buch ist eine einzige große Feier. Es gibt jede Menge interessante Charaktere - ob es nun ein Ex-Boxer ist, der mit einem gebotoxten und schönheitsoperierten TV-Sternchen liiert ist, oder die Postfrau von nebenan. Es gibt jede Menge kurzweiliger, kerniger Dialoge voll schwarzen Humors. Es gibt Verdächtigungen, Anschuldigungen, Verleugnung - und ein ganz großes Geheimnis. Das wird nach und nach gelüftet und sorgt für den ein oder anderen Aha-Effekt beim Zuhörer des knapp zwölfstündigen Argon-Audiobooks.
Die Stimme von Julia Dernbach liefert das passende Party-Ambiente. Mal verkatert-flüsternd, mal aggressiv-laut, findet sie immer den richtigen Ton und lädt so zum Weiterhören ein. Mit ihrem Walisisch kann sie zusätzlich punkten und zieht die Zuhörer tief in den Plot hinein, dessen Spannung von Minute zu Minute zunimmt.
Dernbachs Stimme wirkt dabei ebenso sympathisch wie die beiden Hauptfiguren. Eindeutig: Die Liebe der Zuhörer ist klar verteilt: hier die schrullige, aber liebenswerte Waliserin Fion, da die überwiegend englischen Reichen mit ihren Macken. Hier der farbige Leo, der nicht nur mit seiner Ex um seinen Sohn kämpft, sondern auch gegen seinen Vorgesetzten und dessen rassistisch-homophobe Ansichten. Hier das kleine, idyllische Wales. Dort das besitzergreifende England. Es ist also angerichtet. Die letzte Party kann beginnen. Lechyd da!
Quelle: ntv.de