
Der Plot führt weit zurück in Eric Sanders' Vergangenheit. Was hat es mit dem Brand in seinem Elternhaus auf sich?
(Foto: IMAGO/Torsten Leukert)
Dem Schauspieler Eric Sanders fliegen seit einem "Tatort"-Gastspiel die Fanherzen digital zu. Doch dann werden seine Social-Media-Konten gehackt. Ein Fremder stalkt ihn, bedroht ihn - und entführt Sanders Frau und Sohn. Er stellt ein Ultimatum: Sanders soll sich zu einem Kindermord bekennen.
Eric Sanders ist Schauspieler. In München am Theater mimt er nicht die Hauptrollen, aber die erste Riege der Nebenfiguren. Als er eine "Tatort"-Rolle übernimmt, kein Kommissar wohlgemerkt, aber sich damit in die Herzen von Fans und Kritikern spielt, scheint der große Durchbruch nur eine Frage der Zeit. Sein Agent kommt auch kurz darauf mit einem Studio um die Ecke, dass sich wohl vorstellen könne, mit Sanders über eine längere Zeit erfolgreich zusammenzuarbeiten. Beruflich läuft es also!
Privat hakt es dagegen. Nicht zwischen Sanders und seinem Sohn Leon. Die zwei verstehen sich. Dass kann Sanders von sich und seiner Frau Paula nicht wirklich behaupten. Zweckgemeinschaft trifft es wohl am besten. Die große Liebe war einmal, die Schmetterlinge im Bauch sind weggeflogen. Paula ist es, die Sanders am Boden hält, die ihn erdet, wenn seine Schauspielträume mit ihm durchgehen: "Tatort", Filmreihe, Hollywood? Naja, ganz so größenwahnsinnig ist Sanders dann doch nicht. Aber nach seinem "Tatort"-Gastspiel vor Millionen TV-Zuschauern gehen die Zahlen der Follower seiner Social-Network-Accounts durch die Decke. Facebook und Insta. Likes satt.
Dann streuen sich allerdings Hates ein. Unter Eric Sanders' Namen. Er sperrt den Account, doch die Attacken gegen ihn und seine Follower reißen nicht ab. Schlimmer noch: Sanders Facebook-Seite wird gehackt und kopiert. Es gibt "ihn" doppelt - und die User sind sich uneins: Wer steckt dahinter? Extra-Promo für einen gerade durchstartenden Schauspieler mit Ambitionen?
Ein Stalker, der alles über dich weiß
Es ist schlimmer: Sanders wird gestalkt. Ein Unbekannter versucht, sich nach und nach in Sanders Leben zu drängen, seine Identität zu übernehmen. Aus dem digitalen Stalker wird eine reale Figur, die sich nun auch Sanders mehrfach offenbart: Er sieht eine dunkel gekleidete Gestalt, fühlt sich verfolgt. Die Gestalt hinterlässt Zettel, deren Botschaft Sanders kryptisch erscheint: "Gestehe den Mord, oder alle, die du liebst, werden sterben." Welchen Mord? Sanders kann sich nicht erinnern, jemandem je ein Leid zugefügt zu haben. Aber ihn plagen seit Jahren Albträume: Als Kind ist er in einem brennenden Haus gefangen. Sanders wacht immer schweißgebadet auf, einen Reim auf den Traum kann er sich nicht machen.
Die einzige Verbindung scheint die zu sein, dass seine Eltern bei einem Brand umgekommen sind und er danach bei seinen Großeltern aufgewachsen ist. Sanders' Oma kann ihm bei des Rätsels Lösung auch nicht helfen: Sie lebt mittlerweile in einem Pflegeheim, leidet an Demenz. Als Sanders sie wieder einmal besucht, hat sie nur einen Namen für ihn: "Schaffrath".
Sanders kennt keinen Schaffrath. Als ihm einfällt, dass seine Oma noch ein "Doktor" in diesem Zusammenhang herausgebracht hat, landet er bei einem Psychiater. Nach und nach findet Sanders heraus, dass er nicht der ist, für den ihn alle halten, er selbst inklusive. Sein Stalker scheint das bereits zu wissen. Er stellt Sanders ein Ultimatum: Er soll via Social Media den Mord an einem Kind gestehen - und das glaubwürdig, sonst sterben Leon und Paula. Der Stalker hat sie entführt.
Damit beginnt ein Rennen gegen die Zeit und eine Reise in Sanders' eigene Vergangenheit, in seine Kindheit - an Orte, die er längst vergessen glaubte oder die sein Geist verdrängt hat. Vielleicht aus gutem Grund?
Am Ende hilft nur Sherlock Holmes
Das erfährt der Hörer, wie er es bei Thrillern des Bestsellerautors Arno Strobel gewohnt ist, immer erst am Ende. An dieser Tradition hält er auch bei "Stalker" fest, erschienen bei S. Fischer und Argon, gesprochen von Sascha Rotermund. Bei Thrillern sind Strobel/Rotermund ein kongeniales Duo! Rotermunds Stimme gibt den Figuren noch mehr Tiefe, allen voran dem Hauptcharakter Eric Sanders. Dessen Angst um die Familie, die Furcht vor der Vergangenheit, vor dem, was sein könnte, setzt Rotermund stimmlich gekonnt in Szene. Die Psyche der Hörer leidet mit Sanders.
Das ist gewollt. Genau wie die einzelnen Situationen, die den Plot zuspitzen und vorantreiben. Die etwa achteinhalb Stunden Spielzeit des Hörbuchs vergeht dadurch wie im Flug. Der Hörer fängt dabei zudem an, sich auf Sanders' Suche eigene Gedanken über das, was wäre wenn, zu machen. Wer könnte der Stalker sein? Gab es den Mord an dem Jungen damals wirklich? Er soll neun Jahre alt gewesen sein, als er von einem Elfjährigen brutal erstochen wurde. In den Zeitungen fand sich damals nichts. Aber auch zum Hausbrand, bei dem Sanders Eltern umgekommen sein sollen, finden sich keine Hinweise.
Eine Verschwörung? Müssten dann nicht mehrere behördliche Stellen gemeinsame Sache gemacht haben, um entweder das eine und/oder das andere zu vertuschen? Als Hörer könnte man es mit Sherlock Holmes versuchen: "Wenn du das Unmögliche ausgeschlossen hast, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein - wie unwahrscheinlich es auch ist." So muss ein guter Thriller gestrickt sein!
Quelle: ntv.de