Musik

"Keine Maschine, ich bin ein Mensch" Bendzko will sich vom Erfolgsdruck lossagen

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Auch die Texte des dritten Albums stammen aus der Feder des Berliners.

(Foto: Sony Music)

Nein, er will nicht mehr die Welt retten, aber trotzdem geht es für ihn weiter. Handgemachte Musik - für den Berliner Sänger und Songwriter Tim Bendzko ist das wichtig. Sein neues Album hat er nicht nur selbst getextet, sondern auch selbst produziert. Welche Themen ihn auf seiner neuen Platte beschäftigt haben und warum es auf der Bühne manchmal zu skurrilen Unterhosen-Momenten kommt, erklärt er n-tv.de

n-tv.de: Dein drittes Album ist auf dem Markt. Auch bei "Immer noch Mensch" hast du deine Texte selbst geschrieben. Wie kommst du zu deinen neuen Songs?

Tim Bendzko: Man könnte es schon lernen, aber ich versuche es nicht zu tun. Denn ich glaube, ein bisschen Naivität muss man schon haben, wenn man einen Song schreiben will. Meistens hat man dann eine Zeile und ab da ist es wie Kreuzworträtsellösen. Man hat ein Thema vor sich, zum Beispiel: "Keine Maschine".  

Texten ist ja nicht gerade einfach. Wie verhinderst du, dass die Texte nicht abgedroschen klingen?

Die Wahrnehmung von abgedroschen und nicht abgedroschen ist ja sehr unterschiedlich. Das, was ich für eine sensations-intellektuelle Superzeile halte, ist für jemand anderen totaler Nonsens. Man muss da auf sein Bauchgefühl hören und auch ehrlich mit sich sein.

Du hast eben von einem Thema gesprochen. Bei "Keine Maschine" geht es auch um Erwartungshaltungen. Wie viel steckt da von dir persönlich drin?

Es geht darum, dass man selbst nicht mehr zulässt, dass man Fehler macht, und dass man sich selbst in Strukturen presst. Es ist schon ein bisschen autobiographisch. Es ist auf gar keinen Fall ein Song, der auf andere zeigt "ihr, die böse Gesellschaft, ihr macht, dass ich mich wie eine Maschine fühle". Ich glaube, man hat immer die Wahl.

Die Musikmaschinerie ist ja auch eine große Maschine. Wie groß ist der Druck, den du dir selbst machst - nach den erfolgreichen Alben zuvor?

Es ist tatsächlich etwas, dass man sich selber macht. In erster Linie nimmt der Erfolg den Druck. Ich hatte schon einen Riesenhit und zwei extrem erfolgreiche Alben. Ich verstehe den Drang nicht, wirtschaftlich gesehen größeren Erfolg zu haben als beim letzten Mal. Ich halte es für alle Lebensbereiche extrem fragwürdig, dass das so ein bisschen der Leitfaden in unserem Leben ist - immer besser zu sein als der andere.

Kommen wir zu deinem Bühnenprogramm: Du warst nach dem letzten Album auf Tournee. Was gibt dir das, bei den Fans zu sein?

Das ist einfach super. Es ist neben schreiben und produzieren das Ding, warum man Musik macht. Es gibt einfach nichts Besseres, wenn Tausende Menschen einen Song singen, den man in Boxershorts zuhause in der Küche geschrieben hat.

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Bendzkos drittes Album ist erfolgreich in den Charts positioniert.

(Foto: Sony Music)

Welcher Song war das?

Es war beim zweiten Album "Vergessen ist so leicht". Ein total emotionaler Song, er geht direkt ins Herz. Und dann steht man da auf der Bühne und sieht, wie alle so mitschweben und dann sehe ich dieses Bild vor mir, wie ich zuhause in Boxershorts in der Küche stehe. Das ist ein sehr lustiger Kontrast. Bei einem Maler ist der kreative Prozess wohl etwas romantischer (zeichnet in die Luft).

Kann da noch was kommen oder willst du, dass einfach alles so bleibt, wie es gerade ist?

Ich habe natürlich ein großes Interesse daran, dass ich die Raten für mein Haus bezahlen kann, aber ich versuche mich zu weigern, mich immer nur zu fragen: "Was kann man jetzt noch Krasseres machen?" Ich mache einfach gerne Musik.

Du hast ja schon von Erfolgen und Wettbewerb gesprochen. Geht dir das auf den Geist, wenn du mit anderen deutschsprachigen Künstlern verglichen wirst, wie blickst du darauf?

Ich finde es total gut, dass es so viele gibt, die jetzt in der Sparte Musik machen. Für mich hat das eine mit dem anderem nichts zu tun, für mich persönlich liegen Welten dazwischen. Wenn in der Zeitung steht: "Ihr seid die Jungen Wilden", dann denken alle: "Ja, wir sind die Jungen Wilden". Ne. Wir machen alle nur die Musik, die wir gut finden.

Für andere Künstler wie Lena war der ESC ein Sprungbrett. du bist ja auch Mitglied der ESC-Vorentscheid Jury. Was muss denn der Teilnehmer für Deutschland mitbringen?

Es geht erstmal alles über die Stimme. Die Stimme muss einem direkt ins Herz gehen. Wenn ich anfange, irgendwelche Parameter abzufragen, dann ist es schon komisch.

Kommen wir mal zu einem anderen medialen Großereignis, das alle in den Bann gezogen hat. Die US-Wahl. Du hattest da auch etwas zu gepostet. Ein Bild mit der Nachricht "nicht das Ende".

Ich finde bedenklich, dass immer noch keiner verstanden hat, dass man Trump nicht ernst genommen hat. Das war auch bei den Vorwahlen so, alle haben ihn belächelt, also gewinnt er. Deswegen ist auch die AfD so erfolgreich, weil alle die nicht ernst nehmen.

Wie politisch schätzt du dich denn ein?

Ich interessiere mich für Sachen, die um mich herum passieren. Das macht mich wahrscheinlich automatisch politisch. Aber ich bezweifle, dass ich auch nur in Ansätzen in der Lage bin, alle Zusammenhänge, die es in der Welt gibt, zusammenzubekommen. Da scheitert es dann. Deswegen bin ich kein Politiker, sondern halte mich mit politischen Aussagen zurück.

Mit Tim Bendzko sprach Sonja Gurris.

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Quelle: ntv.de

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