Musik

Gut gelaunt in die Zukunft Die Toten Hosen blättern im Archiv

Sind sich nicht zu fein für nächtliche Signierstunden und schweißtreibende Miniatur-Konzerte: Die Toten Hosen.

Sind sich nicht zu fein für nächtliche Signierstunden und schweißtreibende Miniatur-Konzerte: Die Toten Hosen.

(Foto: PAUL-RIPKE)

Hinterhof-Punk, Stadionrock und luftig lockere Offbeats: Mit ihrem 16. Studioalbum "Laune Der Natur" verpassen Die Toten Hosen allen Kritikern und Totengräbern der Band einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten.

Am Abend vor dem offiziellen Verkaufsstart des neuen Studioalbums "Laune Der Natur" stehen die beiden Hosen-Mitglieder Kuddel und Andi in der Brauerei Uergi hinter einem Tresen und signieren fleißig Albencover. Man ist mal wieder mittendrin statt nur dabei. Umringt von hartgesottenen Fans der Band, die das neue Album bereits vorab ihr Eigen nennen dürfen, präsentieren sich zwei Puzzleteile des großen Toten Hosen-Ganzen volksnah und fernab von Star-Allüren. Kurz bevor die gesamte Punk-Nation vor der Tür steht, wollen die Düsseldorfer noch einmal vom Quellwasser nippen, die Wurzeln streicheln und dem Fan von nebenan zeigen, dass man trotz Jahrzehnten in Saus und Braus immer noch Mensch ist.

Wilde, musizierende Wimmelbuch-Horde: Die Toten Hosen, ganz lebendig.

Wilde, musizierende Wimmelbuch-Horde: Die Toten Hosen, ganz lebendig.

(Foto: PAUL RIPKE)

Dass Die Toten Hosen nicht erst seit gestern ganze Stadien füllen, und seit 1990 neunmal hintereinander von der Pole Position der deutschen Albumcharts grüßten, wissen mittlerweile selbst genrefremde Anhänger von Helene Fischer. Dass die Herren um Bandleader Campino aber auch immer mal wieder gerne in Erinnerungen an ihre Anfangstage schwelgen, geht auf den Tribünen der größten Arenen dieses Landes oftmals verloren. Den Musikern jedenfalls scheint der Schulterschluss mit dem Ursprung ihres Schaffens dieser Tage wichtiger denn je zu sein. Nächtliche Signierstunden und schweißtreibende Miniatur-Konzerte in heruntergekommenen Proberäumen, Kneipen und Fisch-Restaurants sind Belege dafür. Und natürlich auch das neue Album, das klingt, als müsse sich die Band den ganzen Ruhm der letzten Jahrzehnte erst noch erarbeiten.

Voll im Saft

Ein "Urknall" macht den Anfang. Der Titel ist Programm. Schneller als die Polizei erlaubt galoppieren Die Toten Hosen auf der Punkrock-Überholspur und strecken dabei all jenen den Mittelfinger entgegen, die der Band nur allzu gerne einen Renten-Antrag zustecken würden. Nix da. Campino und Co stecken noch voll im Saft.

Auch der Rest des Albums wehrt sich mit Händen und Füßen. Sicher, hin und wieder sieht man sie wieder vor dem geistigen Auge in die Höhe schnellen: die abertausend Hände, die von links nach rechts schwenken. Wenn Kuddel und Breiti sich im The Edge-Modus duellieren ("Unter Den Wolken"), alle Mann gemeinsam vors Mikro treten ("Laune Der Natur") oder Campino, umgeben von opulenten Sounds aus der Melancholie-Retorte, fleißig Kerzen anzündet, ist alles wieder beim Alten ("Alles Passiert"): Punkrock im Hochglanzformat.   

Abseits der Arenen hingegen präsentieren sich die Toten Hosen wie eine wilde, musizierende Wimmelbuch-Horde, die nur allzu gerne im eigenen Back-Katalog blättert und dabei sämtliche Genre-Konventionen mit einem Lächeln im Gesicht über Bord schmeißt. Mystisches aus der Slo Mo-Abteilung ("Das Geisterhaus"), Reggae-Grüße in Richtung Hauptstadt ("Wannsee") und dreckiges Geprügel mit Schaum vorm Mund ("Pop & Politik"): Die Klang-Zeiger schlagen in alle Richtungen aus.

Erlaubt ist, was Spaß macht. Und den Düsseldorfern scheint in ihrem 35. Band-Jahr so einiges Freude zu bereiten. Selbst die beiden emotionalen Kniefälle vor den verstorbenen Langzeitbegleitern Wolfgang Michael Rohde alias Wölli und Jochen Hülder ("Eine Handvoll Erde", "Kein Grund Zur Traurigkeit") halten Tristesse und düstere Nachhaltigkeit weitgehend auf Abstand. Nichts wird vergessen. Aber der Blick geht stets nach vorne. Auf die nächsten 35 Jahre!

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Quelle: ntv.de

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