"Ich verspüre schon Genugtuung" Isaak will beim ESC nicht 14. werden
10.05.2024, 18:04 Uhr Artikel anhören
Werden ihn die ESC-Fans ins Herz schließen? Deutschlands ESC-Kandidat Isaak.
(Foto: picture alliance/dpa)
Einige hatten ihn schon abgeschrieben, bevor er die Bühne des Eurovision Song Contests (ESC) überhaupt betreten hat. Doch siehe da: Auf einmal steigen für Isaak und "Always on the Run" die Wettquoten. "Ich hab's euch doch gesagt", erklärt er dazu im ntv.de-Interview über seinen Roadtrip nach Malmö.
ntv.de: Es hieß, du wolltest nicht nach Malmö fliegen, sondern mit dem Auto anreisen. Hast du das echt durchgezogen?
Isaak: Ja, wir sind tatsächlich mit dem Auto hier.
Die Karre hat also durchgehalten …
Ja, super! Wir haben vorher noch mal einen Ölwechsel machen lassen, geguckt, ob alles gut ist und uns den Segen vom Kfz-Mechatroniker geholt. Alles in Ordnung!
Was ist denn schon so alles passiert, seit du den Wagen in Malmö abgestellt hast?

Auftritt auf dem türkisfarbenen Teppich - nur einer der vielen Programmpunkte in Malmö.
(Foto: picture alliance/dpa/TT News Agency)
Ich weiß es gar nicht mehr genau! (lacht) Ich bin irgendwie immer da, wo man mich gerade hinstellt, und mache dann dort irgendwas. Gestern hatten wir zum Beispiel so einen Rooftop-Event für eine große Fan-Website in einem Einkaufszentrum mit Meet & Greet, Fotos mit Fans und einer Fragerunde auf der Bühne. Eine Bootstour haben wir gemacht, die war schön. Da hat uns ein fremder Passant doch glatt von der Brücke einfach ein paar Drinks zugeworfen. (lacht)
Und das in Schweden, wo Alkohol echt teuer ist …
Ja! Auch im "Euro Club" hatte ich einen kleinen Auftritt. Er ist hier bei uns im Hotel und in ihm läuft jeden Tag bis früh um 5 nur ESC-Musik. Und sonst? Viele Proben, der Auftritt im Halbfinale und sehr, sehr viele Interviews. Ich habe gar kein Zeitgefühl mehr. Alles verfliegt total schnell. Theoretisch haben wir geiles Wetter, aber davon sehe ich nur wenig. In der Halle gibt es zwar auch Räume mit Fenstern. Die wurden aber aus Sicherheitsgründen abgeklebt. Egal, wie spät es gerade ist: Wenn dir jemand sagt, es sei 4 Uhr morgens, glaubst du das. Das ist irre. (lacht)
Ist das, was du hier erlebst, so, wie du es dir vorgestellt hast?
Das ist schwer zu sagen. Ich habe mir gar nichts so richtig vorgestellt, weil alle mir gesagt haben, dass es eine komplett wilde Welt sei. Man könne es nicht erklären und müsse sich einfach nur komplett darauf einlassen. Deshalb habe ich gesagt: Ich nehme es, wie es kommt, ohne mir groß Gedanken darüber zu machen, wie es genau abläuft.
Viele Künstler und Künstlerinnen loben ja stets den Spirit beim ESC, das Gemeinschaftsgefühl und den Zusammenhalt. Lord of the Lost zum Beispiel wollen deshalb auch weiterhin irgendwie Teil der ESC-Community bleiben. Erlebst du das auch so?
Ja, schon. Es ist auf jeden Fall eine sehr schöne und verbundene Welt. Gleichzeitig bin ich aber auch ein Typ, der so "social batteries" hat. Deshalb glaube ich, dass ich nach dem ESC auch eine Pause brauchen werde, in der ich niemanden sehe. Nur zu Hause sein bei meiner Familie und in meinem Haus mindestens eine Woche nichts tun. Dann bin ich vielleicht wieder bereit, mich mit irgendwelchen Menschen zu treffen.
Dein Leben dürfte sich seit dem Vorentscheid ziemlich verändert haben. Wie ist es für dich, von 0 auf 100 auf einmal derart im Rampenlicht zu stehen?
Ich empfinde das gar nicht so heftig - wenn ich jetzt nicht gerade hier in Malmö bin. Klar, hier ist es schon krass. Wenn ich zum Beispiel einkaufen gehe, brauche ich für 100 Meter echt lange, weil ich sehr oft angehalten werde. Aber bei mir zu Hause geht es, da komme ich damit sehr gut klar. Was ich tatsächlich genieße, ist, dass die Arbeitsweise jetzt eine andere ist. Vorher habe ich sehr viel selbst gemacht und organisiert. Jetzt kann ich mich einfach komplett auf die Musik oder auch Interviews konzentrieren. Ich muss mich nicht darum kümmern, wie ich irgendwo hinkomme, in welchem Hotel ich übernachte oder wann ich was esse. Dass mir diese ganzen alltäglichen Sachen so wunderbar abgenommen werden, macht es mir leicht, mich auf die ganzen anderen Aufgaben zu fokussieren.
Eine Sache hast du bereits vielen ehemaligen deutschen ESC-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern voraus: "Always on the Run" läuft im Radio wirklich rauf und runter. Weißt du noch, wann du es selbst das erste Mal im Radio gehört hast?
Noch gar nicht! Okay, vielleicht mal, als ich in einer Radiostation zu Besuch war. Aber das zählt nicht. Ich schalte auch nicht absichtlich das Radio an, damit es passiert. Da kommt ein bisschen der Romantiker in mir durch. Ich will, dass es zufällig ist, vielleicht auch, wenn ich mal irgendwo in einen Laden gehe oder so. Aber bisher ist mir das nicht passiert.
Mir ist das gefühlt schon ein Dutzend Mal passiert …
Ja, das sagen mir auch alle um mich rum. Meine Frau hat es schon erlebt, mein Sohn, die ganze Familie, alle. Ich kriege auch ständig Videos geschickt: "Ich sitze gerade im Auto und hör mal: Hier läuft schon wieder dein Song ..."
Aus dem Vorentscheid und dem Radio geht es nun für dich mit dem Song auf die ESC-Bühne. Bist du nervös?
Nein, so gar nicht. Das ist schon fast erschreckend. Aber wir haben das einfach tausendfach geprobt, sodass eigentlich gar nichts mehr schiefgehen kann. Ich fühle mich absolut sattelfest in meiner Performance. Spätestens seit dem ersten Semifinale wissen wir auch, dass es außen extrem gut ankommt. Ich mache mir keine Sorgen.
In dem Semifinale hattest du die Ehre, erstmals überhaupt einen deutschen Beitrag in voller Länge vortragen zu dürfen. Spätestens da haben viele auch mitbekommen, dass sich das Bühnenbild vom Vorentscheid komplett unterscheidet. Wie kam das?
Das war ein sehr langer Prozess. Und am Anfang fand ich es furchtbar. (lacht) Als beim allerersten Termin, bei dem es um den Auftritt in Malmö ging, alle möglichen Ideen in den Raum geworfen wurden, kam von mir immer: "Nein. Mag ich nicht. Finde ich schrecklich. Das möchte ich auch nicht …" Das war total anstrengend, weil es mir eigentlich auch richtig schwerfällt, nein zu sagen. Ich bin auch kein Profi in diesen Dingen oder jemand, der sagen würde: "Ich möchte das bitte genau so oder so. Und bei Sekunde X passiert bitte genau das oder das." Bei weiteren Terminen kamen dann aber irgendwann die Ideen auf, die es in die richtige Richtung brachten.
Man kann sagen: Es ist jetzt eine ziemlich feurige Angelegenheit …
Ja, am Ende sind wir auf Feuer gekommen. Auf Runterbrennen und die Sinnhaftigkeit dahinter. Mit dieser Grundidee war ich dann sehr happy. Wir haben mit Marvin Dietmann einen Experten am Start, der alles gut auf dem Schirm hat. Ihn haben wir machen lassen. Und ich kann nur sagen: Wow, was für ein Gesamtkonzept!
Du sagtest es: Dein Auftritt im Halbfinale kam sehr gut an. Es gab auch viel Lob in den sozialen Netzwerken für dich. Es ist schon kurios: Prompt stiegen danach deine Wettquoten und einige, die dich vorher schon abgeschrieben hatten, attestieren dir jetzt plötzlich wieder Chancen. Ist das Balsam für deine Seele?
Ich kann schon sagen, dass ich von vielen Kommentaren nach dem Vorentscheid sehr enttäuscht war. Ich finde so etwas auch unfair - nicht nur subjektiv auf mich bezogen, sondern grundsätzlich. Nimm zum Beispiel mal Spanien: Da ist völlig egal, wen sie hinschicken, ob er nun in der Öffentlichkeit super gehypt wird oder man von seinem Sieg oder einer guten Platzierung vollends überzeugt ist. In Spanien sind sie trotzdem immer komplett patriotisch am Start und sagen: "Das ist unser Vertreter - vollkommen egal, wie wir abschließen." Diesen Spirit habe ich dagegen zu null Prozent gespürt. Davon war ich schon erschrocken. Was mir jetzt als Erstes in den Kopf kommt, ist: "Ich hab's euch doch gesagt." Ich verspüre schon so eine leichte Genugtuung. Ich weiß nicht, wie ich das finden soll, aber so ist es.
Du kennst ja nun sicher auch all die anderen Beiträge, die in Malmö an den Start gehen. Was sind deine persönlichen Favoriten?
Ich habe so ein paar, kann aber nicht wirklich sagen, wer mich von ihnen nun wirklich am meisten begeistert. Auf jeden Fall finde ich Italien, die Schweiz, Frankreich und Lettland sehr stark.
Den Protest gegen die Teilnahme Israels kannst du nicht nachvollziehen. Inzwischen geht dieser Protest sogar so weit, dass es die Sorge vor Gewaltausbrüchen oder sogar Terror hier in Malmö gibt. Was macht das mit dir?
Das belastet mich nicht. Ich bin von diesem ganzen Geschehen doch sehr abgeschirmt. Das ganze Team hier ist darauf auch sehr bedacht. Mir wurde versichert, dass ich davon höchstwahrscheinlich wenig bis gar nichts aktiv mitbekommen werde - außer halt dem, was auch alle anderen mitbekommen, weil es in den Medien steht. Ich bin davon nicht eingeschüchtert.
Die Frage wurde dir natürlich schon x-mal gestellt. Dennoch: Welches Ziel setzt du dir für das Finale?
Ich will natürlich gewinnen. Ich liebe diese Frage: "Welchen Platz würdest du beim ESC 2024 gern machen, wenn du es dir aussuchen könntest?" Was soll man darauf antworten? "14 wäre echt super." (lacht) Das denkt doch echt niemand, oder? Klar, das Hauptziel ist, hier etwas für die Zukunft mitzunehmen. Aber ich reiße mir schon auch den Arsch auf, um die bestmögliche Platzierung zu erzielen. Und das Best-Case-Szenario wäre natürlich Platz eins.
Deine Frau Loreen gehört mit zu deinem Team und ist jetzt auch mit dir zusammen in Malmö. Wer passt eigentlich gerade auf eure beiden kleinen Söhne auf?
Meine Eltern sind gestern mit dem großen, fünfjährigen Sohnemann angereist. Sie werden auch beim Finale dabei sein. Aber den Kleinen mitzunehmen, war uns ein bisschen zu wild. Er ist halt erst zwei und ist bei unserer Tante. Nachdem ich jetzt den Beitrag aus Irland gesehen habe, müssen wir auch mal gucken, ob meine Eltern währenddessen mit dem großen Sohn mal kurz vor die Tür gehen. (lacht) Von wegen familienfreundliches Event!
Du hast mit deiner Frau gerade auch deinen achten Hochzeitstag hier in Malmö gefeiert. Mal ganz ehrlich: Was lässt dein Herz gerade höherschlagen - der Hochzeitstag oder der ESC?
Der achte Hochzeitstag ist ja nun vorbei. Wir hatten allerdings wirklich keine Zeit, ihn großartig zu feiern, zumal es genau der Tag war, an dem auch das erste Halbfinale war. Wir haben deshalb gesagt: "Lass uns auf die Veranstaltung fokussieren, das ist jetzt einfach once in a lifetime." Wir haben auch nach dem ESC noch die Zeit, eine schöne Zeit miteinander zu verbringen.
Mit Isaak sprach Volker Probst
Quelle: ntv.de