Brandenburger Kanal-"Polizeiruf" Der Hauptdarsteller wiegt 9800 Tonnen
13.10.2024, 21:49 Uhr Artikel anhören
Kommissar Rogov (Frank Leo Schröder) vor dem Hauptdarsteller von "Wasserwege": Dem Schiffshebewerk.
(Foto: rbb/Christoph Assmann)
Koks in Bananenkisten, korrupte Polizisten, eine Kleinstadt in Aufruhr: Klarer Fall, worauf der Fokus in "Wasserwege" liegt? Keineswegs, denn da gibt es ja noch dieses Schiffshebewerk.
Wenn die Drogenmafia eine kleine brandenburgische Stadt zu einem Umschlagplatz für Tonnen von Kokain macht, bleibt wenig Zeit für Sightseeing. Sollte man jedenfalls meinen, im neuen "Polizeiruf 110" ist allerdings das Gegenteil der Fall: Am Sonntagabend ermittelten die Kommissare Ross (André Kaczmarczyk) und Rogov (Frank Leo Schröder) inmitten rougher Hafen- und Industrieanlagen und pittoresker Flusslandschaften - immer so prominent gefilmt, dass schnell klar wurde: Im Grunde genommen geht es hier um die "Wasserwege".
Nur konsequent, dass die namensgebenden Kanäle rund um Eberswalde die beiden Ermittler dann auch immer wieder zum eigentlichen Hauptdarsteller des Films führen: Dem neuen Schiffshebewerk Niederfinow, das 2022 als leistungsfähigstes Hebewerk Deutschlands eingeweiht wurde. Mit seinen 55 Meter Höhe sticht das 9800 Tonnen schwere Bauwerk aus dem sonst so flachen Oderbruch weit heraus und ist mit 125,50 Metern Länge, 27,90 Metern Breite und den 36 Metern, die es Schiffe von unten nach oben und vice versa befördert, offenbar so interessant, dass es jedes Jahr mehr als 150.000 Besucher anzieht. Nicht schlecht für einen Aufzug.
Mord follows Landschaft
Wobei das dem Hebewerk nicht gerecht wird, schließlich ist der Oder-Havel-Kanal, auf dem es steht, die einzige schiffbare Verbindung eines Ostseehafens an das über 12.000 Kilometer lange Netz der Binnenwasserstraßen in Westeuropa. Und während der Schiffsverkehr auf vielen deutschen Wasserstraßen seit Langem rückläufig ist, ist auf der Havel-Oder-Wasserstraße zwischen Berlin und der polnischen Ostsee-Stadt Stettin das Gegenteil zu verzeichnen: Laut Wasserstraßen-Neubauamt wurden in Niederfinow von Januar bis Juli rund 6000 Schiffe und Boote geschleust, ein Zuwachs von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum - bei den geschleusten Güterschiffen allein sogar um 37 Prozent auf 1968. Für den rbb offenbar Grund genug, das Hebewerk zum Hauptdarsteller zu machen.
Und tatsächlich: "Als Produzent Frank Schmuck mich in das Projekt holte, waren Eberswalde, der Kanal und das Schiffshebewerk schon gesetzt", sagt Regisseur Felix Karolus über die Ausgangslage vor Drehbeginn. "Wir sind dann zusammen hingefahren und haben vor Ort den Mord 'rekonstruiert'".
Dass es kräftig schiefgehen kann, wenn die Landschaft Vorrang vor dem Inhalt bekommt, ist in den öffentlich-rechtlichen Sonntagskrimis immer wieder zu sehen. Auch die Koks-Geschichte aus Eberswalde löst keine Begeisterungsstürme aus, trotzdem geht das Konzept in "Wasserwege" auf: Karolus setzt die Industrielandschaft im Berliner Speckgürtel so schön in Szene, dass man Abstriche in der Spannung verschmerzen kann und stattdessen direkt Lust auf einen Ausflug zum Eberswalder Binnenhafen und dem Schiffshebewerk bekommt.
Quelle: ntv.de