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"Tatort" aus Zürich Die Schweiz hat ein Mafia-Problem

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Die Züricher Kommissarinnen Grandjean (Anna Pieri Zuercher, l.) und Ott (Carol Schuler) untersuchen den Mord am Moderator einer Charity-Gala.

Die Züricher Kommissarinnen Grandjean (Anna Pieri Zuercher, l.) und Ott (Carol Schuler) untersuchen den Mord am Moderator einer Charity-Gala.

(Foto: ARD Degeto / SRF / Sava Hlavacek)

450 Prozent mehr aufgeklärte Fälle als noch 2017: Geldwäsche ist in der Schweiz ein Riesenthema. "Seilschaft" greift das Problem zunächst mit einer spannenden Geschichte auf, schweift dann aber ab. Dabei steckt viel mehr hinter dem angerissenen Thema.

Reiche Menschen in Anzügen und Abendkleidern, die Champagner schlürfen und sich gegenseitig für ihre zur Schau gestellte Großzügigkeit den Ärmsten der Welt gegenüber feiern: Wohltätigkeits-Veranstaltungen haben auch schon ohne Mordserie etwas arg Abseitiges an sich. In den beiden ersten Szenen des Züricher "Tatorts" kommen die beiden Zutaten selbstredend zusammen und werden zusätzlich verstärkt von einem übergeordneten Motiv: Die italienische Mafia, genauer die 'Ndrangheta, soll Charity-Galas als gewaltige Geldwäsche-Maschine nutzen.

Kreative Mafia-Methoden und der Aufstieg der 'Ndrangheta in der Schweiz sind nicht nur als "Tatort"-Thema unverbraucht, sondern auch sonst noch relativ frisch. Dass sich "Seilschaft" nach rund einer halben Stunde einem anderen Thema zuwendet, ist da umso bedauernswerter. Denn was der Film nur andeutet: Im Zeitraum zwischen 2017 und 2021 explodierten die aufgeklärten Fälle von Geldwäsche um sagenhafte 450 Prozent auf 3600 Delikte, wie die Schweizer Tageszeitung "20 Minuten" herausfand.

Das allerdings sei kein neues Problem, sagte Mafia-Forscherin Zora Hauser von der Universität Oxford im Gespräch mit der Zeitung. Vielmehr "beginnt die Schweiz gerade erst, zu sehen, was schon immer da war. In Italien wurde jahrzehntelang behauptet, die Mafia existiere nicht. Die Schweizer Behörden sollten nicht denselben Fehler machen. Wer operiert in unserem Land? Und wie? Und warum? Das Wissen über die organisierte Kriminalität in der Schweiz befindet sich noch in einem sehr frühen Stadium."

Schweiz besonders anfällig für Geldwäsche

Immerhin ist seit Anfang 2023 ein neues Gesetz in Kraft, das der Geldwäsche Einhalt gebieten soll. Und das wurde auch höchste Zeit, denn bei der Anfälligkeit für Geldwäsche landet die Schweiz im europäischen Vergleich weit vorne auf Rang acht, wie das "Basel Institute on Governance" herausgefunden hat - einen Platz vor Polen und nur knapp hinter Italien.

Auch im Film holen sich die Schweizer Ermittlerinnen Hilfe aus Italien.

Auch im Film holen sich die Schweizer Ermittlerinnen Hilfe aus Italien.

(Foto: ARD Degeto / SRF / Pascal Mora)

Im jahrzehntelang von der Mafia geplagten Nachbarland ist die Situation mittlerweile deutlich entspannter, weshalb die Schweizer auch Hilfe in Italien suchen: Ende November vergangenen Jahres luden die Eidgenossen unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen Italiens obersten Antimafia-Bekämpfer nach Bern ein. "Besonders beunruhigend ist die Präsenz der 'Ndrangheta in der Schweiz", sagte Staatsanwalt Giovanni Melillo im Anschluss an das zuvor streng geheim gehaltene Treffen dem Schweizer Staatssender "SRF". Italienische Medien berichten immer wieder, dass die Schweiz italienischen Mafiosi mittlerweile verstärkt als Rückzugsort dient.

Einen der Gründe dafür greift auch der "Tatort" auf: Weil ein nationales kriminalpolizeiliches Informationssystem fehlt, hakt es am Datenaustausch innerhalb der Schweiz. Oder, wie es der Schweizer Bundesanwalt Stefan Blättler dem "SRF" gegenüber formulierte: "Zum Teil ist es einfacher, mit Brüssel zu kommunizieren im Rahmen der Schengen-Zone als zwischen mehreren Kantonen in der Schweiz." Und das, obwohl die Schweiz noch nicht einmal Mitglied der Europäischen Union ist.

Quelle: ntv.de

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