"Tatort"-Neuentdeckung Hage Kein "Trauerkitsch" mehr mit "Azra"
29.05.2023, 21:45 Uhr Artikel anhören
In Azra (Mariam Hage) brodelt es.
(Foto: ARD Degeto / ORF / Felix Vratny)
Mariam Hage hatte bislang nur eine Hauptrolle, und das in einer eher mäßigen Serienproduktion. Wer die Österreicherin im neuen "Tatort" sieht, mag das kaum glauben: "Azra" explodiert regelrecht vor Energie - und bekommt dafür einen verbalen Ritterschlag.
"Ich geh mal pissen", wirft Azra dem Kollegen, mit dem sie den Eingang zur Villa eines georgischen Mafiabosses bewacht, vor die Füße. Die zierliche Frau dreht sich auf dem Absatz um, alles an ihr ist in diesem Moment kantig und kompromisslos. Nur wenige Sekunden später, Azra steht vor der Tür zum Arbeitszimmer ihres Chefs, werden ihre Bewegungen übergangslos weich, fließend und katzenhaft.
Der Einbruch gelingt, Azra durchsucht methodisch die Schubladen nach einem wichtigen Schlüssel. Und während nur eine Tür weiter die bulligen Schergen des potenziellen Mörders patrouillieren, parliert die V-Frau der österreichischen Polizei per Knopf im Ohr ganz lässig mit Kommissar Eisner (Harald Krassnitzer): "Weißt du, was der Vorteil ist, wenn man das Kind von einem Junkie ist? Man lernt ganz schnell, wo man die Dinge verstecken muss, die einem wichtig sind."
Faszinierende Ambivalenz
Der neue Wiener "Tatort" trägt völlig zu Recht den Namen seiner Protagonistin im Titel: "Azra" ist ein packender Thriller, der mit seinem hohen Tempo und überraschenden Wendungen erstklassig unterhält - und ganz maßgeblich von der enormen Energie der Hauptdarstellerin lebt. Mariam Hage, wie Azra im echten Leben heißt, ist mit Sicherheit eine der spannendsten Neuentdeckungen der laufenden (und fast schon wieder beendeten) "Tatort"-Saison: In ihr brodelt ein Feuer, das ständig auszubrechen droht, während sie in anderen Szenen sehr zerbrechlich scheint - eine faszinierende Ambivalenz, sehr glaubhaft gespielt.

Mit Kommissar Eisner (Harald Krassnitzer) eher zart, ansonsten hart: Azra (Mariam Hage).
(Foto: ARD Degeto / ORF / Felix Vratny)
"Mich hat Mariam Hage, die die Rolle der 'Azra' spielt, sehr beeindruckt", sagt Kollege Krassnitzer über die Zusammenarbeit. "Sie steht mit beiden Beinen im Leben, hat keine Attitüden, studiert zudem noch. Selten habe ich ein solches Energiebündel gesehen. Sie ist auf dem Sprung und wird sich durchsetzen." Ein regelrechter Ritterschlag von einem, der es wissen muss: Krassnitzer gibt seit 1999 den Wiener "Tatort"-Kommissar Eisner und gehört zu Österreichs bekanntesten Schauspielern.
Ganz im Gegensatz zu Hage, die 32-jährige Wienerin mit den serbisch-libanesischen Wurzeln hatte bislang erst eine große Hauptrolle. Die österreichische Produktion "Trakehnerblut" lief 2017 eher mäßig und wurde damals von der Kritik zerrissen: "Eine Attacke auf das Urteilsvermögen", urteilte die FAZ und nannte die achtteilige Serie ein "Trauerkitschmärchen". Schwer vorstellbar für alle, die "Azra" gesehen haben. Wohin auch immer Hages Reise in Zukunft gehen sollte, Kitsch dürfte wohl nach ihrem explosiven Auftritt im "Tatort" eher nicht mehr dabei sein.
Quelle: ntv.de