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"Tatort" aus Stuttgart Schrei nach Rache

Oliver Manlik (Barnaby Metschurat) dürstet es nach Vergeltung.

Oliver Manlik (Barnaby Metschurat) dürstet es nach Vergeltung.

(Foto: SWR / Benoît Linder)

Über drei Jahre lang hat Oliver Manlik in einem amerikanischen Knast gesessen. Sein Konzern hat ihn zum Bauernopfer gemacht. Jetzt ist er wieder frei, hat aber alles verloren und dürstet nach Wiedergutmachung. Schade, dass dem Rachedrama eine essenzielle Krimi-Zutat fehlt.

Zusammengeschlagen haben sie ihn. Etliche Male. Haben versucht, ihn zu vergewaltigen, ihn psychisch fertigzumachen, fast dreieinhalb Jahre lang. Dabei wollte Oliver Manlik (Barnaby Metschurat) eigentlich nur mit seiner Frau Caroline (Isabelle Barth) und Sohn Justus (Elias Sánchez-Reinhard) in Florida Urlaub machen. Doch direkt bei der Einreise wird er festgenommen, später macht man ihm den Prozess. Das Urteil: drei Jahre, vier Monate US-Knast, eine 40 Monate lange Tortur hinter Gittern. Manliks Vergehen: Korruption. Warum man als Deutscher dafür in den Staaten vor Gericht und ins Gefängnis gebracht wird?

FCPA ist das Zauberwort, wie Autor Boris Dennulat erklärt: "Der Fall geht aus dem sehr besonderen amerikanischen Antikorruptionsgesetz FCPA, dem 'Foreign Corrupt Practises Act', hervor, das dazu führen kann, dass ausländische Firmen sich in den USA einem Prozess wegen Korruption stellen müssen, obwohl sie gar nicht in den USA geschmiert haben. Mit der Konsequenz, dass jemand aus einem Unternehmen in den USA ins Gefängnis muss, sozusagen als Sündenbock."

Gewinner und Verlierer

Lannert (Richy Müller, M.) und Bootz (Felix Klare, r.) ermitteln in ihrem 26. Fall.

Lannert (Richy Müller, M.) und Bootz (Felix Klare, r.) ermitteln in ihrem 26. Fall.

(Foto: SWR / Benoît Linder)

Jener Sündenbock nun ist Manlik, und als dieser nach abgesessener Strafe in die deutsche Heimat zurückkehrt, hat sich einiges in ihm aufgestaut: Hass. Verzweiflung. Die Sehnsucht nach Frau und Kind. Und der unbedingte Wille, von seinem Chef Wiedergutmachung zu erfahren. Doch Konzernboss Joachim Bässler (Stephan Schad) ist mit allen Wassern gewaschen, lässt Manliks Anwürfe aalglatt an sich abperlen. Damit könnte die Geschichte fast schon erzählt sein, wäre da nicht die Personalchefin des Unternehmens, Diana Gedder (Anni Nagel), die man tot im Wald findet. Manliks erstes Racheopfer?

Mit "Verfehlung" hat Gerd Schneider 2015 sein Regiedebüt gefeiert, ein vielschichtiges Drama über den Umgang der Kirche mit sexuellem Missbrauch. Auch "Der Welten Lohn" nimmt sich eines großen Themas an, gibt den Gewinnern und Verlierern im Wirtschaftsbusiness, deren Ehrenkodex längst der einer Parallelwelt ist, ein Gesicht. Hier mit Bässler der knallharte Macher, der letztlich über Leichen gehen würde, dort Manlik, ein aufstrebender Jungmanager, der vom potenziellen Karrieretypen zum Bauernopfer wird, der unter die Räder jener Maschinerie gerät, die ihm doch eigentlich zu Reichtum und Luxus verhelfen sollte.

"Wirtschaft ist Kampf"

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Und so schlummern in diesem Stuttgarter Krimi zahlreiche Plots und Blickwinkel, taugen einige Themenschwerpunkte zum roten Faden: Kritik an der Modern Economy etwa oder das Innenleben Manliks, sein verzweifeltes Ringen um die Rückkehr in das Leben von früher. Beides hätte im Mittelpunkt stehen können oder schlicht ein solides Stück Ermittlungsarbeit der Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) in ihrem 26. Fall. Leider gibt es von allem nur ein bisschen, eine Prise Kapitalismuskritik und Werteverfall, zerrüttetes Seelenleben und Kriminologie, Auftragskiller, Autobomben, Anschläge, mittendrin Manlik, dessen Verzweiflung ein ums andere Mal in tonlosen Szenen vor Augen geführt wird, stumm schreiend, nach Halt suchend.

Am Ensemble liegt es nicht, dass dieser Fall spätestens ab der Mitte aus dem Ruder läuft, Metschurat spielt gewohnt gekonnt, auch Schad als Macher spielt angemessen schmierig. Vielleicht ist es der Aspekt, dass es hier kaum etwas zu enträtseln gibt, selbst die Umstände, wie denn nun Diana Gedder ums Leben gekommen ist, vermögen kaum zu fesseln. Sie werden am Ende in einer Behelfsmontage nachgeschoben. Bis dahin aber fragt man sich ein ums andere Mal, ob Lannert und Bootz nicht schon mal schneller auf den Füßen - und vor allem im Kopf - waren und warum hier ein unverzichtbares Mittel vergessen wurde: Spannung. "Wirtschaft ist Kampf", so sagt es Bässler einmal. Das könnte man leider ebenso gut von diesem "Tatort" behaupten: Wer ihn durchhalten will, muss ein wenig kämpfen.

Quelle: ntv.de

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