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"Polizeiruf" aus Frankfurt/Oder Verschwunden, aber nicht vergessen

Wer hat Julia umgebracht? Pawel Sikorska und Gerd Heise streiten (v.r.)

Wer hat Julia umgebracht? Pawel Sikorska und Gerd Heise streiten (v.r.)

(Foto: dpa)

Ein totes Au-pair-Mädchen in der Oder, eine seit vielen Jahren vermisste Tochter: Die Ermittler Lenski und Raczek sehen sich mit einer zerrissenen Familie und einer düsteren Vergangenheit konfrontiert. Ein ruhiger, aber sehenswerter "Polizeiruf".

Es ist der sechste Fall für das Duo Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz), und so langsam verfestigt sich der Eindruck: Das gehört wohl so untertemperiert und dezent zwischen den beiden. Keine ironischen Volten oder tragischen Tiefen, keine gemeinsame WG in Aussicht, Currywurst ist nicht, gemeinsamer Rotwein ebenfalls Fehlanzeige und was für eine Wohltat, dass im Büro mal nicht gekeift, mit Akten geworfen oder mit Türen geknallt wird. Stattdessen herrscht hier kriminales Slow-Cooking, im Fokus der Fall. Und sonst so ziemlich gar nichts.

Genug zu tun gibt es jedenfalls, denn nach dem Fund des ermordeten Au-pair-Mädchens müssen die beiden Kriminalhauptkommissare in Frankfurt an der Oder nicht nur im Hier und Jetzt ermitteln, auch ein lange zurückliegender Vermisstenfall bekommt noch einmal Aktualität. Ins Zentrum der Untersuchungen geraten ein drahtiger Arzt, Doktor Gerd Heise (Götz Schubert), und seine Frau Katarzyna (Lisa Wendel), in deren Haus Paula Borchert, so der Name der Toten, gearbeitet und sich vornehmlich um Heises Sohn Leo (Jan Krauter) und dessen Töchter gekümmert hatte.

Ungeklärte Missbrauchsvorwürfe

Bei Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) steht der Fall im Zentrum der Geschichte, nicht die Ermittler.

Bei Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) steht der Fall im Zentrum der Geschichte, nicht die Ermittler.

(Foto: dpa)

15 Jahre zuvor war Katarzynas Tochter Julia spurlos verschwunden. Der Fall konnte nie aufgeklärt werden, aber Lenski und Raczek stoßen auf Details, die möglicherweise in Verbindung mit dem Mord an Paula Borchert stehen könnten. Julias leiblicher Vater Pawel Sikorski (Krzystof Franieczek) nämlich hatte damals Anzeige gegen Gerd Heise erstattet, der Vorwurf lautete sexueller Missbrauch.

Und dann sind da auch noch Milena (Amanda Mincewicz) und Marcin (Paul Januchowski). Das junge Paar ist frisch verliebt, aber es liegt ein Schatten über der Beziehung, denn Marcin hatte mehr als nur ein Auge auf Paula Borchert geworfen. Hat er womöglich etwas mit dem Mord zu tun?

Das Autorenduo Bernd Lange und Hans-Christian Schmid hat in jüngster Vergangenheit mit der Mini-Serie "Das Verschwinden" beste Kritiken eingefahren. Der Fall um das Verschwinden der 20-jährigen Janine Grabowski spielte an der deutsch-tschechischen Grenze.

Ein kleines bisschen "True Detective"

Lange und Schmid scheinen eine Schwäche für die Dramen im Niemandsland zu haben. Dabei geht es ihnen nicht nur um die Grenzen zwischen Ländern, sondern vor allem um jene zwischen den Menschen, versinnbildlicht am so unterschiedlichen Leben, das die leiblichen Eltern der damals verschwundenen Julia Sikorska leben. Hier die Arztgattin im perfekt durchgestylten Zuhause, dort der Vater Julias, den das Schicksal seiner Tochter in den Alkoholismus getrieben hat und der sein Dasein in einer heruntergekommenen Datsche fristet.

"Der Fall Sikorska" erlaubt sich keinerlei Schnickschnack oder ironische Petitessen. Formal an der Grenze zum Schnöden, sind Fall und Inszenierung überaus konventionell angelegt. Es wird geredet, geredet, geredet, vielfach in polnischer Sprache, hin und wieder unterbrochen von atmosphärischem Kameraschweben über der Oder, die in diesen Momenten fast, aber wirklich nur fast, ein wenig an die schwüle Schwere des Mississippi gemahnt. Damit macht Regisseur Stefan Kornatz aus dem "Polizeiruf 110" noch keinen "True Detective", stimmungsvoll ist das aber dennoch. Und wie sich am Ende, mit dezent erhöhtem Tempo, die Knoten dieses Falles lösen, ist ebenfalls überaus sehenswert.

Quelle: ntv.de

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