Internetpiraten im Visier Lizenz zum Datenklau
06.02.2008, 09:02 UhrSie sind auf Piratenjagd. In einem Bürogebäude im Osten Hamburgs durchforsten sie fast rund um die Uhr das Internet und laden ganz offiziell illegal bereitgestellte Musik herunter. Der 27-jährige Alexander ist einer von rund 80 Studenten, die im Auftrag des Bundesverbandes Musikindustrie Beweismaterial sammeln, um Online-Piraten das Handwerk zu legen. Mitleid mit den ertappten Raubkopierern hat er nicht. "Jeder sollte inzwischen mitbekommen haben, dass Datenklau illegal ist", sagt der Jurastudent. Anbietern, die auf Tauschbörsen im großen Stil Musik bereitstellen, drohen Strafanzeige oder sogar Hausbesuche der Polizei.
"Auf jeden legal runtergeladenen Song kommen noch immer rund zehn illegale Titel", erklärt der Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie Stefan Michalk. Zwar sei die Zahl der Online-Piraten in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Dass sich die Branche aber noch lange nicht erholt hat, zeigt beispielsweise der britische Konzern EMI. Das krisengeschüttelte Unternehmen, das Stars wie Herbert Grönemeyer, Norah Jones oder Depeche Mode unter Vertrag hat, verkündete Mitte Januar, auf rigorosen Sparkurs zu gehen und bis zu 2000 seiner weltweit rund 5500 Stellen zu streichen.
Nach Angaben des Verbandes, der deutschlandweit rund 350 Plattenlabel vertritt, sind Online-Piraterie und Raubkopien maßgeblich für den Verlust von rund einem Drittel der Umsätze und Arbeitsplätze seit der Jahrtausendwende verantwortlich. 2004 sei dann die Notbremse gezogen worden, "und wir haben beschlossen, Internetpiraterie auch beim Konsumenten rechtlich zu verfolgen", sagt Michalk.
Alexander hat inzwischen auf der Tauschbörse "Bearshare" zwei Lieder der Bands "Reamon" und "Deichkind" heruntergeladen. Das Downloadprotokoll mit Datum, Uhrzeit und der IP-Adresse des Anbieters wird als Beweismittel gespeichert. Als nächstes erstattet der Pro Media-Geschäftsführer und Hamburger Rechtsanwalt Clemens Rasch Strafanzeige gegen unbekannt und übergibt die Daten der Staatsanwaltschaft. Die wiederum kann über Internetzugangsanbieter wie der Deutschen Telekom die persönlichen Daten der mutmaßlichen Online-Piraten in Erfahrung bringen.
Die großen Fische fangen
"Kleine Fische interessieren uns nicht, sondern nur Anbieter im großen Stil", erklärt Pro Media Chef-Ermittler Frank Lüngen. Pro Tag werden in Hamburg rund 100 Fälle ermittelt, an Sonntagen sind es meist etwas mehr. "Das ist unser stärkster Tag, da sind die meisten User im Netz." Allein im ersten Halbjahr 2007 hat die Kanzlei Rasch 25.000 Strafanzeigen gestellt. Bei besonders schwerwiegenden Fällen rückt Lüngen gemeinsam mit der Polizei zum Hausbesuch an. Den klassischen Internet-Piraten gibt es ihm zufolge nicht. "Das geht quer durch die Gesellschaft", meint Lüngen, der im vergangenen Jahr bei 144 Polizeibesuchen in ganz Deutschland dabei war. Diese führten den 40-Jährigen unter anderem in eine Anwaltskanzlei oder eine Zahnarztpraxis. Einmal musste er sogar in einen Schweinestall, um Computer zu beschlagnahmen.
Doch Lüngen verfolgt nicht nur die Musikräuber. Er leistet auch Aufklärungsarbeit bei Jugendlichen und Eltern, um über die Folgen der Musikpiraterie zu informieren. Gemeinsam mit Künstlern wie Mousse T. oder Lotto King Karl organisiert er zudem Musik-Workshops in Schulen. Ziel sei, die Kreativität zu fördern und den Wert der Musik sowie den Respekt vor geistigem Eigentum zu vermitteln. An die Eltern verteilt er kostenfrei CDs mit einer Software, die den heimischen Computer für illegale Downloads sperrt.
Eltern müssten sich stets darüber im Klaren sein, dass sie als Inhaber eines Internetanschlusses für Urheberrechtverletzungen ihrer Kinder haften, erklärte Rechtsanwalt Rasch. Und das könnte sehr teuer werden. Für den illegalen Datenklau im Internet werden nach Angaben des Juristen Geldstrafen oder Schadensersatzforderungen von durchschnittlich 500 bis 2000 Euro fällig.
Von Jenny Tobien, dpa
Quelle: ntv.de