Panorama

Suche geht weiter Alptraum "Costa Concordia"

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(Foto: REUTERS)

Die Unterbrechung ist nur kurz. Nach einer stürmischen Nacht nehmen Taucher ihre Arbeit auf der "Costa Concordia" wieder auf. Zuvor wird ein noch größerer Zugang zu dem Wrack freigesprengt. Schiffsbrüchige beklagen sich indes über die deutsche Botschaft. Vor Ort seien sie gar nicht betreut worden, so ihr Vorwurf.

Die Suche nach Vermissten auf dem vor Italien gekenterten Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" geht nach einer Unterbrechung wegen schlechten Wetters weiter. Marine-Taucher sprengten sich am Morgen einen noch größeren Zugang zu dem dritten Deck des havarierten Schiffes frei, berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Sie wollten auch einige Hindernisse auf dem Schiff aus dem Weg räumen, um die Suche fortzusetzen.

Starker Wind und der Seegang an der toskanischen Insel Giglio gefährdeten die Sicherheit der Einsatzkräfte, hatte der Einsatzleiter die Unterbrechung der Suche am Vorabend begründet. Auch am Mittwoch ließen es die Wetterbedingungen zunächst nicht zu, an Bord zu arbeiten, die Taucher konnten erst später wieder aktiv werden.

Das Abpumpen des giftigen Schweröls aus den Tanks der "Costa Concordia" verzögert sich derweil mindestens bis zum Wochenende. Nach Beginn der Aktion dürfte es rund vier Wochen dauern, bis die etwa 2300 Tonnen Treibstoff, darunter viel Schweröl, aus den 17 Tanks entsorgt sind. Aktuell laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Wenn sie abgeschlossen sind, soll rund um die Uhr gepumpt werden.

Zuletzt entdeckte Ölflecken um das Schiff - nach Worten des Einsatzleiters nur ein "sehr dünner Film" - werden so schnell wie möglich von Spezialgeräten der Küstenwache aufgesaugt. Heute will der Krisenstabschef zudem einen Plan vorliegen haben, wie die Abfälle auf dem Kreuzfahrtschiff entsorgt werden.

Deutsche klagen über Botschaft

Nach der Havarie waren die Mitarbeiter der Botschaft offenbar nicht so leicht für die Schiffbrüchigen erreichbar.

Nach der Havarie waren die Mitarbeiter der Botschaft offenbar nicht so leicht für die Schiffbrüchigen erreichbar.

(Foto: REUTERS)

Passagiere des havarierten Luxusliners warfen indes der deutschen Botschaft in Italien eine unzureichende Betreuung nach der Schiffskatastrophe vor. Mehrere Schiffbrüchige berichteten in der ARD, sie hätten keine Mitarbeiter der deutschen Botschaft am Unglücksort gesehen und folglich keine Hilfe erhalten. Einer der Passagiere sagte, er habe vor Ort ausdrücklich nach Botschaftsmitarbeitern gesucht, um eine Aussage zu machen, habe aber "niemanden" gefunden.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hatte am Tag nach dem Unglück gesagt, die deutschen Passagiere seien von Mitarbeitern der Botschaft "rund um die Uhr vorbildlich" betreut worden. Dem ARD-Bericht zufolge waren drei Botschaftsangehörige an den Unglücksort in der Toskana gereist  und hatten kaum Kontakt zu den Schiffbrüchigen gehabt. Vorrangig hätten sie mit lokalen Behördenvertretern gesprochen. Mehrere Botschaftsmitarbeiter waren demnach in der Vertretung in Rom und am dortigen Flughafen mit dem Fall beschäftigt. Knapp 120 der rund 570 Deutschen an Bord traten die Rückreise im Flugzeug an.

Das Auswärtige Amt in Berlin hatte am vergangenen Wochenende mitgeteilt, Deutschlands Botschafter in Italien, Michael Gerdts, habe Giglio am Samstag besucht, um vor Ort "möglichst schnelle Aufklärung zu unterstützen".

Frau wehrt sich

Angesichts der schweren Vorwürfe gegen den Kapitän der "Costa Concordia" beklagt dessen Frau inzwischen eine "Hetzjagd" gegen ihren Mann. "Ich kann mich an keine Luftfahrt- oder Schiffskatastrophe erinnern, bei der der Verantwortliche mit solch einer Wucht angegriffen worden wäre", sagte Fabiola Russo dem französischen Magazin "Paris Match". "Das ist eine Hetzjagd." Sie fügte hinzu: "Man sucht einen Schuldigen, einen Sündenbock, ein Monster."

Kapitän Francesco Schettino wird vorgeworfen, das Schiff zu nah an der italienischen Insel Giglio vorbei manövriert zu haben. Dadurch war der Luxusliner auf Felsen aufgelaufen und gekentert. Nach dem Unglück soll er zudem die Passagiere und die Besatzung an Bord im Stich gelassen haben.

Reederei muss sich verantworten

Die Reederei Costa Crociere aus Genua wehrte sich gegen "ehrenrührige" Behauptungen an ihre Adresse, die nicht fundiert seien. Costa Crociere betonte auch, nach der Havarie aus Trauer und Respekt vor den Opfern alle geplanten Werbemaßnahmen verschoben zu haben. Das Unternehmen habe den Passagieren an Bord des Unglücksschiffes auch keinen Preisnachlass für künftige Kreuzfahrten angeboten.

Der Generalstaatsanwalt der Toskana, Beniamino Deidda, hatte die Reederei  ins Zentrum kritischer Fragen  gerückt. "Der Arbeitgeber ist verantwortlich, man muss also den Blick auf die vom Reeder getroffenen Entscheidungen richten", sagte Deidda.

Deidda bezog sich damit auch auf die Tatsache, dass die Reederei den beschuldigten und unter Hausarrest stehenden Schettino zum Kapitän gemacht hatte. In Sachen Sicherheit und Organisation habe es "Probleme und unglaubliche Leichtfertigkeit gegeben", hielt Deidda fest. Costa-Manager Roberto Ferrarini soll am Abend des Unglücks und der erst spät angeordneten Evakuierung des Schiffes mindestens dreimal mit Schettino telefoniert haben.

Weitere Leiche gefunden

Taucher entdeckten am Dienstag in dem Schiffswrack eine weitere Leiche. Damit steigt die Zahl der Toten auf 16. Ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte, ist noch nicht klar. Nach Angaben des italienischen Zivilschutzes werden noch 16 Menschen vermisst, darunter laut Auswärtigem Amt zwölf Deutsche. Nach gezielten Sprengungen suchen Taucher parallel auf Deck drei und vier nach den Verschollenen.

Ein weiteres Todesopfer wurde inzwischen identifiziert. Dabei handelt es sich nach Angaben der Präfektur von Grosseto um eine italienische Passagierin, deren Leiche in der vergangenen Woche auf dem Schiff gefunden worden war. Von den Toten wurden bisher neun identifiziert. Unter ihnen ist nach Angaben der Carabinieri ein Mann aus Deutschland.

Als falsch erwies sich eine Vermisstenmeldung aus Ungarn. Eine Familie hatte sich an die italienischen Behörden gewandt, weil eine Frau aus der Familie angeblich unangemeldet auf dem Kreuzfahrtschiff mitgereist war und sich nach dem Unfall nicht mehr gemeldet habe. Wie das Außenministerium in Budapest jedoch mitteilte, habe die Familie "die Daten einer vor drei Jahren gestorbenen Person missbraucht".

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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