Panorama

Vier Schüler noch in Lebensgefahr Eltern identifizieren tote Kinder

Eigentlich hätten sie nun Geschichten von einer ereignisreichen Skifreizeit hören sollen. Doch nun müssen Eltern aus Lommel und Heverlee Abschied von ihren Kindern nehmen, Abschied für immer. Viele von ihnen sind inzwischen in der Schweiz, um ihre bei dem Busunglück ums Leben gekommenen Kinder ein letztes Mal zu sehen und dann mit nach Hause zu nehmen.

Die Eltern werden bei ihrem Besuch in der Leichenhalle von Notfallseelsorgern begleitet.

Die Eltern werden bei ihrem Besuch in der Leichenhalle von Notfallseelsorgern begleitet.

(Foto: REUTERS)

Nach dem in der Schweiz haben Angehörige mit der Identifizierung der 28 Todesopfer begonnen. Die Familien seien in einer Leichenhalle vor Ort eingetroffen, um die Leichen zu identifizieren oder Informationen zu liefern, die bei der Identifizierung der teilweise bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten Opfer helfen könnten, sagte ein Polizeisprecher in Sion.

Danach würden die Leichen freigegeben und für die Rückführung in ihre belgische Heimat bereit gemacht, berichtet die Zeitung "Het Laatste Nieuws". Für die Überführung der Leichen hat die belgische Armee zwei C-130 Militärmaschinen bereit gestellt.

Die 24 bei dem schweren Busunglück verletzten Kinder sind inzwischen alle identifiziert. Das teilte das belgische Gesundheitsministerium in Brüssel mit. Sieben verletzte Kinder stammen demnach aus dem nordostbelgischen Lommel, zwei von ihnen schweben in Lebensgefahr. 17 Verletzte kommen aus Heverlee, von ihnen schweben ebenfalls noch zwei in Lebensgefahr.

Unter den 24 Überlebenden ist mindestens ein deutscher Jugendlicher, sagte der Schweizer Kantons-Polizeichef Christian Varone. Die Mädchen und Jungen waren nach Behördenangaben zumeist zwischen zehn und zwölf Jahre alt.

Der Reisebus mit Kindern aus zwei belgischen Schulen an Bord war auf der Rückfahrt von einer Skifreizeit verunglückt. Bei dem schwersten Verkehrsunfall in der Schweiz seit rund 30 Jahren wurden 28 Menschen getötet, darunter 22 Kinder.

Wie kam es zu dem Unglück?

Ersten Ermittlungen zufolge streifte der Bus den Bordstein in dem knapp 2,5 Kilometer langen Tunnel. Dann wurde er gegen die Wand einer Nothaltestelle geschleudert. "Es gibt keinen Erwachsenen an Bord des Busses, der den Unfall überlebt hätte, den wir jetzt als Zeugen befragen könnten", sagte Kantons-Polizeichef Christian Varone, der von einer "apokalyptischen Tragödie" sprach. Gegenverkehr gibt es in der Röhre nicht.

Anschnallpflicht
  • In Deutschland ist es seit 1999 vorgeschrieben, in Reisebussen einen Sicherheitsgurt anzulegen.
  • Voraussetzung dafür ist, dass ein Gurt vorhanden ist. Ebenfalls seit 1999 müssen Reisebusse mit Sicherheitsgurten auf allen Sitzplätzen ausgestattet sein.
  • EU-weit gilt seit dem 9. Mai 2006 die Anschnallpflicht im Reisebus. Sie gilt generell für alle Fahrzeuge, sofern sie entsprechend ausgestattet sind.
  • In der Schweiz wurde die Pflicht zum Gurt ebenfalls 2006 zum Gesetz.

Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft könnte es verschiedene Ursachen für das Tunnel-Drama geben. Es komme ein technischer Defekt infrage. Auch eine plötzlich auftretende Krankheit des Fahrers sei möglich. "Der Reisebus war neu und gut instand gehalten, und der Fahrer war allen Erkenntnissen nach ausgeruht", sagte Oberstaatsanwalt Olivier Elsig am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Sitten. Die Leiche des Fahrers werde untersucht.

Zwar waren die Businsassen nach Angaben von Oberstaatsanwalt Olivier Elsig wohl angeschnallt. Sie seien aber vermutlich losgerissen worden beim Aufprall. "Der Zusammenprall war so gewaltig, dass es die Sitze aus der Verankerung gerissen hat. Aber angeschnallt oder nicht, das hätte jetzt nicht viel geändert für die Kinder, die bei dem Unfall ums Leben gekommen sind", vermutete Elsig.

Viele der Verletzten wurden mit Hubschraubern und Rettungsfahrzeugen in Krankenhäuser gebracht. Sanitäter, Polizei und Feuerwehrleute waren stundenlang im Einsatz. Die Horrorbilder der Nacht trieben manchen Helfern Tränen in die Augen. Das völlig zerstörte Buswrack wurde am Mittwoch abtransportiert und soll genau untersucht werden.

Entsetzen und Trauer

Trauer und Fassungslosigkeit herrschten in der belgischen Heimat vieler der Passagiere: Vor den Schulen in Heverlee in der Nähe von Brüssel und in Lommel an der niederländischen Grenze spielten sich am Morgen ergreifende Szenen ab. Mitschüler und Angehörige lagen sich weinend in den Armen. Noch am Montag hatten sich die Schüler aus Lommel per Online-Reisetagebuch aus ihren "Superferien" gemeldet. "Jawohl, liebe Daheimgebliebene, wir sind schon fast am Ende. Morgen ist schon der letzte Tag ..."

Mit einem Airbus flogen 116 Angehörige in die Schweiz. Während einige schon am Morgen einen erlösenden Anruf von ihrem Kind bekommen hatten, war für andere zunächst unklar, ob ihr Kind eines der schwersten Busunglücke in der Schweizer Geschichte überlebt hatte.

Belgiens Premier Di Rupo kündigte einen nationalen Tag der Trauer an. Nach belgischen Angaben gehörten zwei weitere Busse zu dem Konvoi. Diese seien aber nicht in den Unfall verwickelt gewesen und hätten ihre Fahrt fortgesetzt.

Für jedes Opfer des Busunfalls sollen mindestens 220.000 Euro an Entschädigung fällig werden. Das berichtete die belgische Nachrichtenagentur Belga. Die Kosten übernehme der Versicherer des in den Unfall verwickelten Busunternehmens, die Gesellschaft AG Insurance. Ob die Summe nur im Todesfall gezahlt werden soll, blieb zunächst unklar.

Quelle: ntv.de, sba/AFP/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen