Panorama

Misshandelter Inder singt gegen Gewalt Lieder wie Blutstropfen

Er will sein Schicksal nicht hinnehmen und die Vergewaltiger seiner Tochter verurteilt sehen. Das kostet den Inder Bant Singh beide Arme und ein Bein. Nun singt der Misshandelte gegen die Diskriminierung im indischen Kastensystem.

Singh singt von bitterer Armut, Diskriminierung und Polizeiwillkür, die für Millionen Inder auf dem Land Alltag sind.

Singh singt von bitterer Armut, Diskriminierung und Polizeiwillkür, die für Millionen Inder auf dem Land Alltag sind.

(Foto: REUTERS)

Bant Singh begrüßt Gäste mit dem Stumpf seines Armes, den er kämpferisch zum Gruß hebt. Die Hand, den dazugehörigen Arm, den anderen Arm sowie ein Bein verlor der indische Schafhirte bei einem brutalen Überfall vor fünf Jahren. Mit Eisenstangen bewaffnete Angreifer schlugen so lange auf ihn ein, bis er sich nicht mehr bewegte. Dann überließen sie den "Unberührbaren" seinem Schicksal. Singh hatte Glück - er überlebte. Doch drei seiner Gliedmaßen waren so zermalmt, dass sie amputiert werden mussten. Der Grund des brutalen Überfalls: Singh wollte die Vergewaltiger seiner Tochter, einflussreiche Grundbesitzer aus einer oberen Kaste, zur Rechenschaft ziehen.

Doch Singh ließ sich auch durch den Angriff nicht einschüchtern. Als Opfer des Kastenkrieges im ländlichen Indien erlangte er inzwischen landesweite Berühmtheit. Nun singt er gegen die Ungerechtigkeit an, die Millionen Inder in ewiger Armut hält.

Für Respekt und Gleichberechtigung

Singh sitzt im Rollstuhl vor seinem Häuschen, einem bescheidenen Backsteingebäude mit Lehmboden im nordwestlichen Bundesstaat Punjab. Seinen Willen, die Unterdrückung der Armen in ländlichen Gebieten anzuprangern, konnte die grausame Attacke nicht brechen. "Wir, das Proletariat, wollen dieselben Rechte wie die Reichen, ein Leben mit Respekt und Gleichberechtigung", sagt er. "Meine Lieder sind Worte, die ich in die Luft spucke wie Blutstropfen."

Singh singt a cappella und mit Wut in der Stimme von bitterer Armut und Diskriminierung, von Korruption und Polizeiwillkür, die für hunderte Millionen Menschen auf dem Land Alltag sind. Verbrechen gegen die "Unberührbaren", die Dalits, werden in abgelegenen Gegenden häufig vertuscht oder ignoriert. Als seine Tochter vergewaltigt wurde, wollte Singh jedoch nicht schweigen. Seine Hartnäckigkeit führte schließlich zu einer Verurteilung der sieben Männer, die die 17-Jährige attackiert hatten.

Nach vier Monaten auf Kaution entlassen

"Vor dem Prozess versprachen mir einige Leute Geld und Land, um mich davon abzubringen. Aber es kam zum Verfahren und ich starrte den Grundbesitzern während der Verhandlungen ins Gesicht." Sie wurden zu sieben Jahren Haft verurteilt, nach vier Monaten jedoch schon auf Kaution entlassen. Singh, verheiratet und Vater von drei Kindern, erhielt als Entschädigung zwei Büffel und umgerechnet 16.200 Euro. Zudem wurde ihm eine Parzelle Land zugesprochen, auf die er bis heute wartet.

"Es ist mir egal, dass ich meine Gliedmaßen verloren habe. Ich habe meine Stimme und ich habe die Hände und Füße vieler Menschen, die mich ermutigen", sagt der etwa 40-Jährige, Mitglied der kommunistischen Partei des Distrikts Mansa, etwa acht Stunden Fahrt von der Hauptstadt Neu-Delhi entfernt. "Ich hätte auch so auf die Welt kommen können, also denke ich über meinen Körper nicht nach. Meine Zunge haben sie nicht abgeschnitten."

"Eine Art Held"

Singh begann mit zehn Jahren, Volkslieder im Dialekt des Punjab zu rezitieren. Schon damals wusste er, dass er sich nicht als Arbeiter ausbeuten lassen wollte, was für die meisten Männer seiner Kaste vorbestimmtes Schicksal ist. Singh wurde stattdessen Schafhirte und trat nebenbei als Volkssänger auf. 2006 katapultierte ihn der brutale Überfall in die Schlagzeilen. Seine Geschichte erschien auf den Titelseiten von Zeitungen und Zeitschriften in ganz Indien.

Zusammen mit dem Hip-Hop- und Ska-Künstler Delhi Sultanate hat Singh inzwischen das Projekt Word Sound Power gestartet. "Für mich ist Bant Singh eine Art Held", sagt der 30-jährige Musiker aus Delhi. "Er ist ein Beispiel dafür, wie man gegen alles Unglück ankämpfen kann."

Quelle: ntv.de, Béatrice Le Bohec, AFP

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