Altbekannte Schlusslichter Mathe-Leistungen gehen bergab - vor allem in einem Bundesland
16.10.2025, 16:34 Uhr Artikel anhören
Die Ergebnisse seien ein "Alarmzeichen für unser Bildungssystem", betont der Präsident des Deutschen Lehrerverbands.
(Foto: picture alliance/dpa)
Jeder dritte Neuntklässler in Deutschland verfehlt die Mindeststandards für den mittleren Schulabschluss in Mathematik. Einen ähnlich besorgniserregenden Trend zeigt eine Studie für die Fähigkeiten in Chemie, Physik und Biologie. Die Ursachen sind laut den Studienautoren vielfältig.
Mit den Schülerleistungen in Deutschland geht es weiter bergab. Nach Studien über schlechtere Lese- und Rechenkompetenzen in der Grundschule und zurückgehende Deutsch-Leistungen in der Oberstufe zeigt nun eine weitere Untersuchung auch wachsende Defizite bei Neuntklässlern in den Fächern Mathematik und Naturwissenschaften.
Jeder Dritte verfehlte in Testaufgaben die Mindeststandards für den mittleren Schulabschluss (MSA) in Mathematik, wie der aktuelle IQB-Bildungstrend des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen zeigt - ein Anstieg von zehn Prozent im Vergleich zur letzten Erhebung 2018. Die Studie, die am Rande der Bildungsministerkonferenz in Berlin vorgelegt wurde, enthält weitere besorgniserregende Befunde:
- Fast jeder zehnte (9 Prozent) erreicht in Mathematik nicht einmal die Mindeststandards für den ersten Schulabschluss (Hauptschulabschluss).
- Von denjenigen, die einen MSA anstreben, scheitern 25 Prozent an den Mindestanforderungen im Fach Chemie, 16 Prozent in Physik und 10 Prozent in Biologie.
- Die Leistungen haben sich durch die Bank verschlechtert, und das unabhängig vom sozialen und familiären Hintergrund. Nicht nur leistungsschwächere Schüler sind betroffen, sondern auch Gymnasiasten.
- Das Interesse der Jugendlichen an den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern nimmt ab: Der Anteil derjenigen, die sich dafür kaum interessieren, sei sehr hoch.
- Die Verbundenheit der Schülerinnen und Schüler mit ihrer Schule nimmt ebenfalls ab.
- Zwar gibt ein "erheblicher Anteil" der Neuntklässler an, kaum von psychosozialen Auffälligkeiten betroffen zu sein und hohe soziale Fähigkeiten zu haben, dennoch spricht die Studie von einer besorgniserregend deutlichen Zunahme von Auffälligkeiten: 17 Prozent der Jugendlichen geben demnach an, häufig emotionale Probleme zu haben, und 16 Prozent, dass verschiedene Indikatoren für Hyperaktivität bei ihnen häufig auftreten.
Bremen und Niedersachsen unter Durchschnitt
Am schlechtesten in den naturwissenschaftlichen Fächern schnitten Bremens Neuntklässlerinnen und Neuntklässler ab. Kein anderes Bundesland lag so deutlich unter dem Durchschnitt. Auch Niedersachsen blieb in den Fächern unter dem Bundesschnitt, Nordrhein-Westfalen, Hessen und das Saarland schnitten ebenfalls schwach ab.
Das IQB weist darauf hin, dass Unterschiede in der Zusammensetzung der Schülerschaft bei der Interpretation der Ergebnisse eine Rolle spielen können. In Bremen hatte 2024 mehr als die Hälfte der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler einen Zuwanderungshintergrund - fast zwölf Prozentpunkte mehr als beim vorherigen Bildungstrend 2018. In Niedersachsen lag der Anteil bei 36,8 Prozent, ein Plus von rund 3,6 Prozentpunkten.
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Stefan Düll, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die Ergebnisse seien ein "Alarmzeichen für unser Bildungssystem". Deutschland dürfe seinen Spitzenplatz bei den Abschlüssen im Bereich von Mathematik, Technik, Informatik und Naturwissenschaften nicht verspielen. Er forderte verlässliche Investitionen in frühkindliche Sprachförderung, digitale Ausstattung, Begabtenförderung sowie psychische Gesundheitsfürsorge.
Soziale Medien, Pandemie, Unsicherheiten
Was sind die Ursachen für diese Entwicklung? Die Daten der Studie geben darauf keine Antworten. Die Studienautoren vermuten aber, dass "Nachwirkungen der pandemiebedingten Einschränkungen des Schulbetriebs und der Sozialkontakte ein wesentlicher Faktor sein" dürften.
Aktuelle Studien zeigten zudem, dass viele Jugendliche infolge globaler Krisen ein erhöhtes Maß an Ängsten und Unsicherheiten erleben. "Ferner wird vielfach angenommen, dass die Nutzung sozialer Medien die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen kann", heißt es weiter.
Für die repräsentative Studie wurden im vergangenen Jahr mehr als 48.000 Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen aus allen 16 Bundesländern getestet. Ihnen wurden außerdem Fragebögen vorgelegt mit Fragen zur Person, zum häuslichen Umfeld, zu den schulischen Lernbedingungen, zur Schulzufriedenheit und anderen Themen.
Gemessen wurde, inwieweit die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz erfüllt werden. Sie legen fest, über welche Kompetenzen Schüler verfügen sollten, wenn sie das Ende einer bestimmten Bildungsetappe erreicht haben. Der Mindeststandard definiert laut IQB dabei "das Minimum an Kompetenzen, das zu diesem Zeitpunkt in der Bildungslaufbahn erreicht werden sollte".
Quelle: ntv.de, spl/dpa