Panorama

Die Welt vom "Boxhagener Platz" Mord und Rouladen im Kiez

Berliner Schnauze: Lebensweisheiten werden ausgetauscht.

Berliner Schnauze: Lebensweisheiten werden ausgetauscht.

Mit Berliner Schnauze erzählt Geschonneck vom Leben in der DDR im Jahr 1968: Ein Mord und Hausmannskost gehören zum Boxhagener Platz wie die Lebensweisheiten von Oma Ottilie.

"Boxhagener Platz" ist eine Berliner Heimatgeschichte. Der Film fragt nicht nach der großen Historie, sondern stellt einen Kiez und seine Bewohner in den Vordergrund. Die Menschen meistern ihren DDR-Alltag des Jahres 1968 trotz Prager Frühling und Studentenproteste im Westen - auch wenn die Weltgeschichte auf die Protagonisten Einfluss nimmt und ihre Schicksale beeinflusst.

Von Bulette bis Roulade: Für jeden ist was dabei.

Von Bulette bis Roulade: Für jeden ist was dabei.

Am nächsten kommt die Staatsmacht dem Kiez zur Parade am 1. Mai. Doch wie viele andere Kiez-Bewohner kann Oma Ottilie nicht viel damit anfangen. Zusammen mit Enkel Holger (Samuel Schneider) schwänzt sie den politischen Aufmarsch und geht wieder einmal auf den Friedhof - schließlich muss sie die Gräber ihrer fünf verflossenen Ehemänner pflegen, und Nummer sechs liegt ebenfalls im Sterben. Statt auf Ideologie setzt Oma Otti auf bewährte Lebensweisheiten und gute Hausmannskost von Buletten bis Rouladen. Daneben muss sie sich um ihre zahlreichen Verehrer kümmern.

Kommunen und Flugblätter

Für Fisch-Winkler endet's tragisch ...

Für Fisch-Winkler endet's tragisch ...

Einer von ihnen ist Fisch-Winkler, der den Kiez-Bewohnern vor allem als strammer Ex-Nazi bekannt ist. Eines Tages liegt er erschlagen in seinem Laden - und die Polizei steht vor einem Rätsel, das auch Holger interessiert. Meist wortlos beobachtet er die Welt der Erwachsenen, um dem Täter auf die Spur zu kommen: Seinen Vater Klaus-Dieter, den übereifrigen Abschnittsbevollmächtigten, seine Mutter Renate, die von der Flucht in den Westen träumt. Vor allem aber weckt Karl Wegener sein Interesse.

Der ehemalige Spartakuskämpfer gehört auch zu Ottis Verehrern. Ein Hauch von Geschichte umweht den eleganten wie mysteriösen Mann, der vom idealen Kommunismus träumt. Sein Wissen über die Studentenproteste im Westen, über die dunklen Seiten von Walter Ulbricht, über Kommunen, Flugblätter und nicht zuletzt Frauen machen ihn auch für Holger zum Vertrauten. Doch am Ende wird er Karl zum Verhängnis.

Geschichten aus dem Mikrokosmos

Opa, erzähl' doch mal!

Opa, erzähl' doch mal!

Nach etlichen preisgekrönten Fernsehfilmen kehrt Regisseur Matti Geschonneck mit der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Torsten Schulz auf die große Kinoleinwand zurück. Fernab von "sentimentaler Ostalgie" und "dummen Klischees" wollte er von Berlin erzählen, von dem Platz im Herzen des Bezirks Friedrichshain, der zu seiner eigenen Kindheit gehörte, und von einem Mikrokosmos, der von seinen Bewohnern lebt.

Mit Wortwitz, mit gekonnt gesetzten Pointen, vor allem aber liebevoll gezeichneten Figuren gelingt Geschonneck eine charmante Geschichte aus den tiefsten Zeiten des Kalten Krieges.

Das Traumpaar Otti und Karl - gespielt von den Schauspielstars Gudrun Ritter und Michael Gwisdek - trägt den Film über einige langatmige Passagen hinweg. Dafür sorgt neben Ottis Weisheiten auch die Berliner Schnauze, die mit Frivolität und Herzlichkeit den Charme der Hauptstadt voll ausspielt. Allerdings musste der Film in Leipzig, Halle und den Babelsberger Filmstudios gedreht werden, da der originale Boxhagener Platz komplett saniert ist. Als Verweis auf den Handlungsort dient somit nur die Eckkneipe „Feuermelder“, die heute noch existiert.

Liebevolle Ausstattung

Klischees umschifft der Film geschickt, indem er den Figuren Nuancen zugesteht. Jürgen Vogel - großartig mit Perücke ausgestattet - spielt den eifrigen Polizisten, der im Suff auch schon mal die Staatsmacht angreift. Zudem liebt er seine Renate, die der Enge des real existierenden Sozialismus mit Partys und Alkohol zu entfliehen sucht. Meret Becker spielt sie als zerrissene Frau. Ihren eigenen Traum von der Flucht opfert sie der Liebe zum Sohn, den sie nicht in der DDR zurücklassen will.

Zur Grundstimmung des Films trägt nicht zuletzt die liebevolle Ausstattung bei. Lothar Holler gestaltete schon für "Sonnenallee" und "Good Bye, Lenin!" das Szenenbild. An diese beiden Kinohits reicht "Boxhagener Platz" allerdings nicht ganz heran. Dazu fehlt es teils an Spannung und Schwung. Die Mischung aus Krimi und Komödie, Drama und Geschichtsfilm lässt den Film mehrfach stocken. Das hervorragende Ensemble lässt dies jedoch schnell vergessen.

Der Film startet am 4. März in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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