Panorama

Franziskus und die Fakten Papstwissen zum Mitreden

Bildchen mit dem neugewählten Papst Franziskus hat der Vatikan schon drucken lassen.

Bildchen mit dem neugewählten Papst Franziskus hat der Vatikan schon drucken lassen.

(Foto: dpa)

Fast wäre Jorge Mario Bergoglio schon 2005 Papst geworden. Bei der Suche eines Nachfolgers für den verstorbenen Papst Johannes Paul II. war der Argentinier der hartnäckigste Gegenkandidat von Kardinal Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI.. Nun, fast genau acht Jahre später, ist Bergoglio doch noch Papst geworden. Nur dieses Mal hatte ihn kaum jemand auf der Favoritenliste. Wer ist das neue Oberhaupt von mehr als einer Milliarde Katholiken ist?

Noch nie gab es einen Papst mit dem Namen Franziskus. Wer hat Jorge Maria Bergoglio inspiriert?

Grundsätzlich hat der neu gewählte Papst drei Möglichkeiten der Namenswahl: Er kann in der Fassung auf Latein an seinem Taufnamen festhalten, den Namen eines Vorgängers oder den eines Heiligen für sich wählen. Für die dritte Variante hat sich Bergoglio entschieden. Mit Franziskus wählte er einen Papst-Namen, den noch kein Pontifex vor ihm trug. Die Namensgebung dürfte ein Zeichen dafür sein, dass er sich das Wirken des heiligen Franz von Assisi zum Vorbild nimmt. Der aus der umbrischen Stadt Assisi stammende Ordensgründer lebte im 13. Jahrhundert in Armut, was dem Orden der Franziskaner bis heute wichtig ist. Franziskus war ein Freund der Tiere und der Umwelt. Er lobte Gott "durch Schwester Wasser", "Bruder Wind" und "Mutter Erde".

Dass der Name Programm ist, zeigt die Vergangenheit des neuen Papstes. In seiner Heimat gilt Franziskus schon seit Jahren als Anwalt der Armen. Immer wieder kritisierte er die Armut und Korruption in seinem Land. Auch vor Kritik an der argentinischen Regierung scheute er sich nicht. Und er lebte seine Überzeugung auch privat. Er wohnte nicht in der Bischofsresidenz, sondern alleine in einer einfachen Wohnung. Er ließ sich nicht in einer Limousine kutschieren, sondern fuhr U-Bahn und Bus. Und nachdem er 2001 zum Kardinal wurde, ließ er sich kein neues Gewand schneidern, sondern ließ sich das seines Vorgängers anpassen.

Ist Bergoglio ein Kompromisskandidat?

Besonders die italienischen Kardinäle hatten sich wieder einen der ihren auf dem Papststuhl gewünscht, andere auch mal einen Nicht-Europäer. In diesem Sinne kann Bergoglio als Kompromisskandidat gelten, denn der neue Papst ist in einem italienisch-argentinischen Milieu aufgewachsen. Seine Eltern waren Immigranten, sein Vater war Angestellter bei der Staatsbahn, man sprach zuhause Italienisch.

Wenn er ein Kompromisskandidat wäre, dann einer mit breiter Unterstützung. Denn schon beim letzten Konklave 2005, als Joseph Ratzinger gewählt wurde, soll er an zweiter Stelle gelegen haben: mit 10 Stimmen im ersten, 35 im zweiten, 40 im dritten Wahlgang.

Ist er schwulenfeindlich?

In Fragen katholischer Sexualmoral ist Franziskus ein Konservativer: Abtreibung lehnt er strikt ab, Homo-Ehen und Verhütung auch. 2010 legte er sich offen mit der argentinischen Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner an. Eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft sei ein Angriff auf den Plan Gottes, schimpfte er, als diese in Argentinien als erstem Land des Kontinents gesetzlich geregelt wurde. Bergoglio rief sogar zu einem "Gotteskrieg" auf. Kirchner erklärte ihn daraufhin für einen Lobbyisten des Mittelalters und der Inquisition.

Ist er tatsächlich der erste Nicht-Europäer auf dem Stuhl Petri?

Nein, schon Petrus war kein "Europäer". Simon (Kephas) Petrus stammte aus Kapharnaum und damit aus Asien. Im ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhundert kamen die Päpste Evaristus (um 100), er war vermutlich jüdischer Abstammung, und Anicetus (ca. 155 bis 166) aus Asien, letzterer aus dem syrischen Homs. Mit Victor I. (ca. 189 bis 199 kam ein Pontifex erstmals vom afrikanischen Kontinent. Gregor III., ein Syrer, der den Bischofsstuhl von Rom in den Jahren 731 bis 741 innehatte, war der bisher letzte Vertreter eines anderen Kontinents. Die Liste der 266 Päpste enthält acht "Asiaten" (aus dem Nahen Osten) und drei Afrikaner. Auch wenn es bereits eine Reihe nichteuropäischer Päpste gab: Die Wahl eines Lateinamerikaners zum Papst ist ein weltgeschichtliches Novum.

Verliert Europa nun an Einfluss?

Franziskus ist ein Mann, der aufgrund seiner Biografie sehr stark auf Europa schaut, wie viele Menschen in Lateinamerika, meint der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischfskinferenz, Robert Zolllitsch. Das zeige, dass er offen ist - auch für Europa. Zollitsch glaubt dennoch, dass sich nun etwas Wesentliches ändert. "In dem Moment, in dem er Papst wird, ist seine Herkunft zweitrangig. Denn er weiß, dass er nun für die ganze Weltkirche steht. Das war bisher so, und das wird auch beim neuen Papst sein. Das traue ich ihm zu."

Was weiß man über seine direkten Kontakte zur Junta?

Seit seiner Ernennung zum Papst wird die Rolle Franziskus während der von 1976 bis 1983 dauernden Militärjunta kritisch hinterfragt. Manche werfen ihm eine zu zurückhaltende Haltung gegenüber dem brutalen Regime vor. Andere sagen dagegen, mit seinem Einsatz habe er Leben gerettet. Der ehemalige Dekan der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Buenos Aires, Fortunato Mallimacci, beschrieb ihn als einen Mann, der gegen jegliche Neuerung in der Kirche war und während der Diktatur große Nähe zum Militär pflegte. "Die Geschichte verurteilt ihn", so sein hartes Verdikt.

Seine Zeit als Provinzial des Jesuitenordens von 1973 bis 1979 wird besonders beleuchtet.  1976 verschleppten die Schergen des Regimes auch zwei Jesuiten, die später angaben, Bergoglio habe sie denunziert. Bergoglio ließ die Vorwürfe dementieren und erklärte seinerseits, er habe den  beiden angeboten, im Jesuitenhaus Schutz zu suchen.

Hat Franziskus genügend Kraft oder ist er wieder nur ein Übergangspapst?

Franziskus ist bereits 76 Jahre alt und damit nur ein Jahr jünger als Joseph Ratzinger, als er 2005 zum Papst gewählt wurde. Dennoch, man "kann das Alter eines Menschen nicht allein an einer Zahl festmachen", sagt Robert Zollitsch. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz ist stattdessen zuversichtlich, dass Franziskus das Amt kraftvoll, engagiert und mit klarem Blick ausfüllen wird. "Er wird ein Papst sein, der in Demut und mit Bescheidenheit wirken wird. Das wird ihm helfen, die gewaltige Aufgabe zu meistern. Ich habe den Eindruck, dass er sehr genau weiß, was auf ihn zukommt. Und dass er vorbereitet ist."

Alter und Gesundheit waren bei der Wahl durchaus ein Thema, wie der französische Erzbischof Jean-Pierre Ricard berichtete. "Das war wirklich eine Frage für die Kardinäle, nachdem ein Papst aus Gründen des Alters und fehlender Kraft zurückgetreten ist." Es habe sich die Frage gestellt, "ob man nicht einen jüngeren Papst wählen sollte", so Ricard. Die Kardinäle hätten sich aber an die Geschichte erinnert "und an Päpste wie Johannes XXIII., die im hohen Alter gewählt wurden und deren Pontifikat richtungsweisend für die Zukunft der Kirche waren".

Warum hat er nur einen Lungenflügel?

Seit einer Infektion in seiner Jugend lebt Bergoglio mit einem Lungenleiden, im Alter von 21 Jahren musste ihm ein Teil eines Lungenflügels entfernt werden. Er wurde jedoch vollständig geheilt. "Alle die ihn kennen, haben ihn immer bester Gesundheit erlebt", sagte Vatikansprecher Federico Lombardi.

Was muss man über den Privatmenschen Bergoglio wissen?

Bevor Gott ihn berief, lernte der Sohn italienischer Immigranten Chemie-Techniker. Nach der Weihe 1969 blieb er lange in der Gemeindearbeit, statt an einer Karriere in der Kirchenhierarchie zu arbeiten. Der neue Papst besitzt neben der argentinischen auch die italienische Staatsbürgerschaft. Er spricht neben Spanisch und Italienisch auch fast perfekt Deutsch. 1985 lebte Bergoglio zu Studienzwecken einige Zeit in Deutschland. Er verbrachte einige Monate an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Frankfurt am Main, um sich mit einzelnen Professoren über ein mögliches Dissertationsthema zu beraten. Zu einem Abschluss ist es nach Angaben der Hochschule aber nie gekommen.

Trotz seines bescheidenen Lebensstils, lebt der neue Papst nicht ausschließlich asketisch: Er liebt die Oper und ist leidenschaftlicher Anhänger von San Lorenzo, einem von einem Priester gegründeten argentinischen Erstliga-Fußballverein. Zum 100. Geburtstag des Clubs im Jahr 2008 erhielt Bergoglio die Ehrenmitgliedschaft. Sein Vater spielte für die Basketball-Abteilung von San Lorenzo. Als Argentinier kam Bergoglio zudem nicht umhin in seiner Jugendzeit auch Tango zu tanzen.

Friedrich Hölderlin, William Shakespeare, Jorge Luis Borges und Fjodor Dostojewski gelten als seine Lieblingsautoren. Auf der Leinwand soll er die Filme des italienischen Neorealismus bevorzugen - als Papst wird er neben dessen Kulissen leben.

Weht bald ein neuer Wind im Vatikan?

Der neue Papst steht nicht unbedingt für einen Aufbruch, er ist weder fortschrittlich noch ein Verfechter der Befreiungstheologie. Franziskus ist als eher gemäßigt und dialogbereit einzuordnen, zudem steht er der konservativen und sozial engagierten Bewegung "Communione e Liberazione" nahe. Seine vergleichsweise wenigen Worte haben Gewicht im traditionell katholischen Argentinien, in dem sich 90 Prozent der 40 Millionen Einwohner zum Glauben bekennen.

Bergoglios Biographin Francesca Ambrogetti beschreibt ihn als gemäßigt, einen Menschen mit der Fähigkeit zu vermitteln und bereit, sich mit Herausforderungen auseinanderzusetzen: "Er ist in der Lage, die notwendige Erneuerung anzugehen, ohne dabei Schritte ins Unbekannte zu tun. Er wäre eine ausgleichende Kraft", sagte sie. Er teile die Sicht, dass die Kirche eine missionarische Rolle einnehmen sollte, auf die Menschen zugehen und sie aktiv einbeziehen solle - "eine Kirche, die den Glauben weniger reguliert als ihn vielmehr vorantreibt und unterstützt".

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen