Der menschliche Faktor Pilotentests sind hart, aber nicht unfehlbar
27.03.2015, 13:47 Uhr
Wer hier arbeiten will, muss körperlich und seelisch gesund sein.
(Foto: REUTERS)
Wer Pilot werden will, muss zahlreiche Tests absolvieren. Schließlich hängt an seinen Fähigkeiten und seiner Verfassung das Leben vieler Menschen. Doch kann man eine psychische Erkrankung so erkennen?
"Für die Arbeit als Pilotin bzw. Pilot ist eine ausgeprägte emotionale Stabilität, Handlungs- und Sozialkompetenz gefragt." So wendet sich die Lufthansa an potentielle Pilotenbewerber. Darum werden bei der Grunduntersuchung beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg nicht nur das technisch-physikalische Grundwissen, Englischkenntnisse und Orientierungsvermögen getestet, sondern auch relevante Persönlichkeitsmerkmale erfasst.
Denn die Luft- und Raumfahrtpsychologen wissen sehr genau: "Der Mensch ist der entscheidende Faktor." Er erhöht einerseits die Zuverlässigkeit der technischen Systeme, weil er Fehlfunktionen erkennen und ausgleichen kann. Andererseits stellt er wegen seiner eigenen Fehleranfälligkeit auch das größte Risiko dar.
Dieses Risiko zu minimieren, darum geht es von Anfang an in den Eignungstests. Dabei spielen verschiedene Persönlichkeitsmerkmale eine Rolle. Entscheidend sind: Leistungsorientierung, interpersonales Verhalten und Stress-Resistenz. Denn "unzureichende Kommunikation und Kooperation oder unsystematische Entscheidungsfindung sind häufiger die Unfallgründe als zum Beispiel das Wetter oder die Technik".
Auch darum wird im Auswahlverfahren knallhart ausgesiebt. Zeichnet sich eine klare Leistungs- oder Persönlichkeitsschwäche ab, führt das zur Ablehnung des Bewerbers unabhängig davon, welche Ergebnisse sonst vorliegen, schreibt Diplom-Psychologe Dr. Klaus-Martin Goeters, Leiter der Abteilung für Luft- und Raumfahrtpsychologie, in einer Präsentation. Zu den Persönlichkeitsschwächen zählen auch mögliche psychische Erkrankungen.
Tagelange Tests an der Belastungsgrenze
In psychologischen Tests werden dafür die Teamfähigkeit und die Belastbarkeit in Stresssituationen festgestellt. Wer in schwierigen Situationen nicht die Ruhe bewahren kann, wird wahrscheinlich kein guter Pilot. Im Cockpit finden nahezu alle Entscheidungen unter Zeit- und Verantwortungsdruck statt. Und nicht jeder ist diesem Druck gewachsen. Nur etwa 30 Prozent der Bewerber schaffen die Auswahltests, psychisch auffällige Bewerber werden dabei "ausgesiebt".
Um die Belastbarkeit ihrer künftigen Pilotinnen und Piloten zu testen, setzt Lufthansa und damit auch Germanwings auf die Verhaltensorientierte Persönlichkeits-Diagnostik (VerDi). Mit den Bewerbern werden in Assessment Centers unterschiedliche Rollenspiel- und Gruppendiskussionsvarianten nachgestellt, in denen sie komplexe Planungs- oder Konfliktsituationen bestehen müssen. Während die Gruppe schwierige Aufgaben bewältigen und dabei auch Konflikte lösen muss, wird jeder Einzelne beobachtet. Es gilt, miteinander zu kommunizieren, Entscheidungen zu erarbeiten, Kompromisse zu schließen. Als Einzelkämpfer oder Besserwisser besteht niemand diese Tests. Auch wer tagelang versucht, sich zu verstellen, wird wahrscheinlich scheitern.
Den Abschluss bildet ein psychologisches Interview vor einer Auswahlkommission. Zwei Luftfahrtpsychologen und ein Pilot oder Fluglotse nehmen den Bewerber unter die Lupe. Wer auch diesen Teil besteht, kann die Ausbildung zum Piloten beginnen. Ob die Ausgewählten vollkommen psychisch gesund sind und vor allem bleiben, kann jedoch auch der perfekte Test nicht beantworten.
Kein Laborbefund
Psychologe Rainer Hellweg, Oberarzt an der Berliner Charité, weiß, dass psychiatrische Erkrankungen in der Arbeitswelt eine immer größere Rolle spielen. Vor allem Unternehmen, die besondere Anforderungen an ihre Mitarbeiter stellten, achteten deshalb auf deren Gesundheit besonders. Auch die Piloten der großen Luftfahrtgesellschaften absolvieren jährliche Gesundheitschecks und Simulatortrainings, bei denen im besten Fall schwere Erkrankungen auffallen.
Doch auch Hellweg weiß, dass dieses Erkennen bei psychischen Krankheiten besonders schwierig ist. "Das ist nichts, was man mit Laborparametern sicher diagnostizieren kann." Die Unterscheidung zwischen einem schlechten Tag, einer vorübergehenden Lebenskrise oder einer schweren psychiatrischen Erkrankung ist nur sehr schwer zu treffen.
Quelle: ntv.de