Panorama

Härtere Maßnahmen als China? So streng sind unsere Corona-Regeln

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Während Nachbarländer ihre Corona-Regeln lockern, lässt Deutschland weiter Vorsicht walten.

(Foto: picture alliance/dpa)

Unsere Nachbarn lockern, Deutschland bleibt vorsichtig. Dabei wäre es an der Zeit, Corona-Regeln zu entschärfen, sagt Virologe Klaus Stöhr. Zumal Deutschland laut der Uni Oxford die Pandemie schon längst mit den strengsten Maßnahmen der Welt bekämpft.

Omikron rauscht weiter durch Deutschland. Die Inzidenz liegt konstant über 1000, die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen, weil Testkapazitäten am Limit sind. Trotzdem werden die Forderungen nach Lockerungen lauter - zumal die Corona-Regeln in unseren Nachbarländern mittlerweile teils deutlich abgeschwächt wurden - trotz teilweise noch viel höherer Inzidenzzahlen.

Zum Beispiel in Österreich, wo Bundeskanzler Karl Nehammer Lockerungen für diese Woche angekündigt hat. Die Sperrstunde wird auf 24 Uhr ausgeweitet, die Personenzahl bei Veranstaltungen erhöht, es folgt ab dem 12. Februar das Ende der 2G-Verpflichtung im Handel.

Dänemark geht noch deutlich weiter. Seit Anfang Februar gibt es bei unseren nördlichen Nachbarn praktisch keine Beschränkungen mehr. Obwohl die Zahl der Neuinfektionen explodiert, ist die Lage in den Krankenhäusern unkritisch - milde Krankheitsverläufe und eine hohe Impfquote haben die dänische Regierung überzeugt.

"Gesamtsituation hat sich entschärft"

Deutschland hinkt bei den Impfzahlen hinterher, sollte langsam aber sicher auch lockern, fordert Virologe Klaus Stöhr bei ntv. "Die Gesamtsituation hat sich eigentlich entschärft. Deswegen ist die Diskussion über Lockerungen auch richtig." Die Maßnahmen zu lockern, würde nicht bedeuten, "alles sofort aufzumachen", schränkt Stöhr ein. Es gehe darum, "schrittweise zu deeskalieren". Und da müsse man "an irgendeiner Stelle anfangen". Eine Abschaffung von 2G und 2G plus hält der Virologe für angemessen. "Das ist auch mit Daten sehr gut unterstützt."

Stöhr empfiehlt, sich nicht mehr auf die Inzidenz zu konzentrieren. So, wie es eigentlich schon vor Monaten geplant war. Die Hospitalisierungsrate sei viel entscheidender. Außerdem habe Deutschland mit die meisten Krankenhausbetten pro 100.000 Einwohner weltweit. Von den großen Industrienationen sind nur Japan und Südkorea besser ausgestattet.

"Viele andere Länder machen viel weniger als Deutschland, einschließlich Dänemark, einschließlich England, wo die Inzidenzen viel höher sind als in Deutschland. Und trotzdem wird dort weniger stark bekämpft. Auch in Deutschland muss man sehr vernünftig die nächsten Tage planen", hatte Stöhr bereits Anfang Januar gesagt.

Am schwersten wiegen Beschränkungen für Ungeimpfte

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Ein Grund für die Forderung ist, dass Deutschland zeitweise die strengsten Corona-Regeln der Welt hatte. An der Universität Oxford misst ein Forschungsteam, wie die einzelnen Staaten das Coronavirus bekämpfen. Im Covid-Stringency-Index lag Deutschland im Januar lange Zeit auf Platz 1, hatte also die härtesten Corona-Maßnahmen der Welt, demnach sogar härtere als China, wo die strenge Null-Covid-Strategie verfolgt wird.

Der Index der britischen Wissenschaftler sammelt Daten der einzelnen Staaten zu den jeweiligen Corona-Maßnahmen und bewertet diese. Daraus ergibt sich ein Wert zwischen null - gar keine Maßnahmen - und hundert.

Deutschland ist vor allem deshalb so weit vorne, weil öffentliche Veranstaltungen abgesagt wurden, viele Schulen geschlossen und viele Büros wegen der Homeoffice-Pflicht leer sind, heißt es im Bericht der Wissenschaftler.

Am schwersten wiegen in Deutschland aber die Beschränkungen für Ungeimpfte. Der Oxford-Index bewertet zum Beispiel sehr streng, dass man ohne Impfung nicht mehr ohne negativen Test Bus und Bahn fahren darf. Auch Schulen werden als teilweise geschlossen bezeichnet. Weil der Index Hochschulen mit einbezieht und Ungeimpfte ohne Test dort teilweise keinen Zugang haben, wird Deutschland als extrem streng einsortiert.

Hat Deutschland die härtesten Maßnahmen der Welt?

"Deutschland hat die härtesten Maßnahmen auf dieser Welt. Lediglich die Fidschi-Inseln haben schärfere Regeln", hat Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff nach der letzten Verschärfung der Corona-Regeln im Januar auf einer Pressekonferenz gesagt. Eine Einordnung hätte der Aussage gutgetan, zumal der zuständige Projektleiter der Uni Oxford, Thomas Hale, selbst gegenüber der "Tagesschau" gesagt hat, dass der Index "nicht überinterpretiert" werden dürfe. Dieser zeige lediglich, "welche Länder eine strengere Politik verfolgen". Nicht nur für Geimpfte, sondern vor allem auch für Ungeimpfte.

Und deshalb liegt Deutschland weit vorne, sogar vor China. Dort sind die Lockdowns zwar extrem hart, aber eben auch regional und zeitlich sehr begrenzt, betreffen also nur einen verhältnismäßig kleinen Teil der Bevölkerung. So argumentieren die Macher des Rankings.

Deswegen hat Projektleiter Hale beim Nachrichtenportal t-online auch schon angekündigt, dass die Maßnahmen für Geimpfte und Ungeimpfte künftig separat dargestellt werden. Dann wäre Deutschland einmal vorne und einmal etwas weiter hinten im Ranking.

Mittlerweile ist Haseloffs Aussage aber ohnehin etwas überholt: Deutschland ist in der Rangliste mit 84 Punkten auf Platz drei "zurückgefallen" - neu auf dem zweiten Platz ist Italien, Fidschi führt aber immer noch.

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Quelle: ntv.de

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