Die 130.000-Euro-Frage "Titanic"-Schlüssel versteigert
23.09.2007, 17:47 UhrDer Schlüssel, der vielleicht das Leben von mehr als 1500 Menschen an Bord der "Titanic" hätte retten können, ist unscheinbar. Als der Ozeanriese am 10. April 1912 in Southampton zur Jungfernfahrt nach New York aufbrach, hatte der Zweite Offizier David Blair ihn in der Jackentasche. Nur dass Blair nicht an Bord, sondern im dienstlichen Auftrag unterwegs zu einem anderen Schiff war. So blieben die Ferngläser der "Titanic", mit denen der Eisberg, auf den sie auflief, vielleicht rechtzeitig erkannt worden wäre, unbenutzt in einem verschlossenen Schrank liegen.
Mit einem Fernglas, so gab später Fred Fleet, der Mann im Ausguck, zu Protokoll, wäre alles anders gekommen. "Groß Genug, um ihm aus dem Weg zu gehen" - so lautete bei der Untersuchung der Katastrophe seine Antwort auf die Frage, wie groß denn der Unterschied zwischen der Ausschau nach Eisbergen mit Hilfe eines Fernglases im Vergleich zum bloßen Auge gewesen wäre.
Erst kurz vor seinem Tod hat Blair den Schlüssel an seine Tochter weitergeben. Die ließ ihn nun vom Auktionshaus Henry Aldridge and Son in der südenglischen Stadt Devizes zu Geld machen. Am vergangenen Freitagabend wechselte der Schlüssel mit der Aufschrift "Crows Nest Telephone Titanic" den Besitzer - für umgerechnet 130.000 Euro.
"Wir haben eine Bieterschlacht erlebt", sagt Auktionator Henry Aldridge. "Im Saal, aber auch an den Telefonleitungen." Der Gentleman, der den Zuschlag bekam, habe "sehr glücklich" geklungen. Sehen konnte er den Mann nicht, er bot per Telefon. Doch immerhin wurde am Sonntag bekannt, für wen der glückliche Gentleman den mit Unglück so vieler Menschen indirekt verbundenen Schlüssel ersteigert hat: Für die Firma Tesiro in Antwerpen.
"Das ist eines der größten Diamantenhandelshäuser der Welt", berichtete Aldridge. Aber nicht etwa als Wertanlage habe die Firma sich den "Titanic"-Schlüssel gesichert, sondern als Bestandteil "einer Marketingkampagne". Darüber kann man vorerst nur rätseln, aber vielleicht hat es ja etwas mit den vielen Diamanten zu tun, die Damen im Ballsaal der "Titanic" trugen.
Historiker sind sich nicht einig, wie ausschlaggebend der Mangel an Ferngläsern für das Sinken des Schiffes wirklich war. Tatsache ist, dass die Wachen mit bloßem Auge Ausschau hielten, weil niemand die Weisung gab, den Fernglasschrank aufzubrechen. Bis heute glauben viele, dass sich diese Entscheidung am 14. April gegen 23.40 Uhr rächte, als Ausgucker Fleet zu spät jenen Eisberg entdeckte, mit dem das Schiff dann bei voller Reisegeschwindigkeit kollidierte.
Von diesem Augenblick an schrieb die 16-jährige Amerikanerin Laura May Cribb alles auf, was sie an Bord des damals größten und modernsten Schiffes der Welt erlebte. Von der Explosion der Dampfkessel bis zu dem "schrecklichen Schreien und Stöhnen der hilflosen und zum Tode verurteilen Passagiere, die auf dem Wrack des großen Schiffes zurückblieben". Cribbs Aufzeichnungen wurden erst vor kurzem bei Christie's in New York versteigert. Der Preis bestätigte, dass "Titanic"-Andenken weiterhin "im Trend" liegen: 150.000 Euro.
Von Thomas Burmeister, dpa
Quelle: ntv.de