"Mir liegt vieles auf der Zunge" Uli Hoeneß darf nicht, wie er will
21.04.2013, 20:31 UhrUli Hoeneß' Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung wächst sich zu einer politischen Debatte über Steuerhinterziehung aus. Der Gescholtene selbst hält sich öffentlich bislang auffallend bedeckt. Jetzt bricht er zwar sein Schweigen. Erhellendes kann und darf der Präsident des FC Bayern München allerdings nicht zur Debatte beitragen.
Der Präsident des Fußball-Bundesligisten Bayern München, Uli Hoeneß, hat sich erstmals nach Bekanntwerden seiner Steuer-Affäre öffentlich geäußert. Dabei machte er deutlich, dass er sich vorerst mit weiteren öffentlichen Äußerungen zurückhalten wird: "Ich darf im Moment nichts sagen, denn ich befinde mich in einem schwebenden Verfahren. Sie können sich vorstellen, dass mir vieles auf der Zunge liegt, aber ich muss erst mit den Behörden meine Hausaufgaben machen", sagte der Boss des deutschen Fußball-Rekordmeisters der "Süddeutschen Zeitung".
Wie jetzt bekannt wurde, hat Hoeneß im Januar beim Finanzamt Selbstanzeige wegen eines Kontos in der Schweiz erstattet. Laut eines Berichts des "Focus" ermittelt die Staatsanwaltschaft München II wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Laut "SZ" hat Hoeneß seit mehr als zehn Jahren versteuertes Geld in Millionenhöhe bei einer in Zürich ansässigen Bank liegen. Anscheinend, schreibt die "SZ", hat er dem deutschen Fiskus allerdings nicht die anfallende Kapitalertragsteuer gezahlt.
Über die Höhe des in der Schweiz von Hoeneß deponierten Vermögens machte bislang weder die Staatsanwaltschaft noch der Fußball-Funktionär Angaben. Alle Angaben über die Höhe der Summe sind bisher reine Spekulation.
Hoeneß stellte zudem klar, dass er weiterhin Funktionsträger beim FC Bayern München bleiben will. Der "Sport Bild" sagte Hoeneß: "An einen Rücktritt als Aufsichtsratsvorsitzender bei Bayern München denke ich nicht." Über einen möglichen Rücktritt als Präsident äußerte sich Hoeneß nicht.
Steinbrück warnt vor Vorverurteilung
Die bekanntgewordene Selbstanzeige von Hoeneß hat unterdessen eine politische Debatte angestoßen. Die SPD sieht sich im Kampf gegen Steuerbetrüger bestätigt. "Der Fall Uli Hoeneß zeigt, wie richtig und wichtig es war, das Steuerabkommen mit der Schweiz zu verhindern", erklärte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles.
Der stellvertretende SPD-Bundestagsfraktionschef Joachim Poß fand noch deutlichere Worte: "Union und FDP wollten mit der Steueroasengarantie für die Schweiz auch ihren Sympathisanten wie Uli Hoeneß, die ihre Millionen in der Schweiz vor dem Finanzamt verstecken, entgegenkommen." Hätten SPD und Grüne das Abkommen im Bundesrat nicht gestoppt, wären Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble zu Komplizen dieser Steuerstraftäter geworden.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagte laut "Rheinische Post", es sei erstaunlich, dass Hoeneß in Erwartung des Abkommens darauf gehofft habe, in der Anonymität zu bleiben. "Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern kriminell. Für Hoeneß darf es keinen Promi-Bonus geben - aber auch keinen Promi-Malus und keine Vorverurteilung."
FDP-Chef Rösler kartet nach
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble lehnte jeden Kommentar zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Hoeneß ab. Er sage dazu nichts, stellte Schäuble am Rand des Frühjahrstreffens des Internationalen Währungsfonds klar. "Jeder Kommentar von mir wäre einfach falsch."
Grünen-Spitzenkandidat für Bundestagswahl, Jürgen Trittin, sagte: "Wir wissen nun, welche Leute Schäuble, Seehofer und Merkel mit dem Schweizer Steuerabkommen schützen wollten: inzwischen geständige Steuerhinterzieher wie Uli Hoeneß." Seine Kandidaten-Kollegin im Grünen-Spitzenduo, Katrin Göring-Eckardt, sagte der "Rheinischen Post": "Steuerbetrug - vor allem in solchen Dimensionen - ist nicht nur unmoralisch und höchst unsozial, sondern auch schlicht und einfach kriminell."
"Wer Steuern hinterzieht, unabhängig von Amt und Person, der schadet unserem Land und hat jeden Anspruch verloren, Vorbild zu sein", sagte FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler der "Bild"-Zeitung. "Es gehört schon eine große Portion Selbstgefälligkeit dazu, sich über Jahre zur moralischen Instanz des deutschen Sports aufzubauen und zeitgleich den Fiskus zu hintergehen", meinte FDP-Präsidiumsmitglied Jörg-Uwe Hahn der "Welt".
CSU gerät in Erklärungsnot
Hoeneß habe "seine Vorbildfunktion im Sport mit Füßen getreten", erklärte der bayerische SPD-Vorsitzende Florian Pronold. Steuerflucht sei "die schlimmste Form asozialen Verhaltens." Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) erweise sich mit seinem Eintreten für das Steuerabkommen sowie mit seiner Ablehnung des Ankaufs von Steuer-CDs als "Schutzpatron der bayerischen Steuerhinterzieher".
Der Münchner Oberbürgermeister und SPD-Landtagsspitzenkandidat Christian Ude sagte der "Welt am Sonntag": "Ganz allgemein gesprochen muss ich sagen, dass ich es seit Jahren nicht verstehe, warum die CSU so viele Sympathien für Steuerhinterzieher hegt, obwohl sie sonst so für Law and Order auftritt." Dass Hoeneß "so heftige Sympathien für die CSU" hege, finde bald vielleicht eine zusätzliche Erklärung.
Söder wies die Kritik zurück. "Die Vorwürfe der Opposition sind eine Unverschämtheit und reiner Wahlkampf", sagte er. Bayerns Steuerverwaltung sei erfolgreicher und erziele bessere Ergebnisse als die Kollegen in anderen Ländern. Mit dem Steuerabkommen mit der Schweiz hätte man alle Steuersünder erwischt. "Das hat die SPD verhindert."
Und dann meldet sich auch noch Christoph Daum
Auch in der Welt des Sports wird der Fall Hoeneß diskutiert. So äußerte sich Hoeneß' alter Erzfeind Christoph Daum äußerst verwundert über die Steueraffäre. "Die Nachricht hat mich absolut überrascht. Das hätte ich ihm niemals zugetraut, vor allem nicht, wenn man sieht, wie Uli Hoeneß in vielen Situationen seines Lebens aufgetreten ist", sagte Daum. Hoeneß habe sich "schließlich zu einer absoluten moralischen Instanz aufgeschwungen. Ich hätte so etwas niemals vermutet", sagte Daum. Hoeneß hatte 2000 mit seinen Äußerungen den Kokain-Skandal um Daum angestoßen.
Genugtuung empfindet Daum nicht. "Hoeneß tut mir leid. Ich bin nicht derjenige, der mit dem Zeigefinger auf andere Menschen zeigt. So möchte ich nicht leben. Ich verspüre Mitgefühl für ihn und hege keinen Groll", sagte der 59-Jährige.
Die Juristin Sylvia Schenk, Sportbeauftragte der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International, sieht Uli Hoeneß nach dessen Steuer-Selbstanzeige in erheblicher Erklärungsnot. "Die Glaubwürdigkeit von Hoeneß ist extrem erschüttert. Es wird sicher ganz schwer sein für ihn, da wieder herauszukommen", sagte Schenk der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Der Fall Hoeneß sei ein "Schlag gegen den ganzen Sport, der gerade auf verschiedenen Gebieten um seine Glaubwürdigkeit kämpft".
Schenk zog einen Vergleich zum umstrittenen Fifa-Präsidenten Joseph Blatter, den Hoeneß auch angesichts der Korruptionsaffäre beim Fußball-Weltverband oft kritisiert hatte. "Wenn er also Herrn Blatter angreift und fordert, dass dieser den Fifa-Saustall endlich aufräumen soll, aber selbst Geld an der deutschen Steuer vorbeibringt, dann schmeißt Uli Hoeneß hier mit Felsbrocken aus dem Glashaus", sagte Schenk.
Quelle: ntv.de, sid/dpa/rts