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Was ist der Tod? Warum wir über das Sterben sprechen sollten

Ist einfach Schluss oder beginnt eine Verwandlung? Niemand ist ohne Todesvorstellung.

Ist einfach Schluss oder beginnt eine Verwandlung? Niemand ist ohne Todesvorstellung.

(Foto: REUTERS)

Gestorben wird immer, aber das Sterben findet geradezu unsichtbar statt, meist in Krankenhäusern oder Pflegeheimen. Dabei kann das Sprechen über den Tod im eigenen Leben viel bewirken, wie ein Forschungsprojekt zeigt.

Was ist der Tod? Die Frage mag ein bisschen unvermittelt und direkt kommen, aber viele Menschen denken solange nicht über den Tod nach, bis sie direkt davon betroffen sind. Dann stellen sich Unbehagen ein, Angst und oft auch der Wunsch nach Verdrängung.

Wissenschaftler der Universität Witten/Herdecke und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf wollten dem daraus oft genug entstehenden Schweigen etwas entgegensetzen. Ein Jahr lang zeichneten sie mit sterbenden Menschen, Ärzten, Seelsorgern, Politikern, Juristen, Künstlern und anderen Personen "30 Gedanken zum Tod" auf. Ihr Ziel: Über den Tod soll öffentlich debattiert werden.

Inzwischen stehen die 30 Videos im Netz, jeder kann sie ansehen, liken, teilen oder darüber nachdenken und sprechen. "Das sind schon 30 sehr unterschiedliche Vorstellungen vom Tod. Manche sind sehr pragmatisch, manche sehr metaphysisch", beschreibt der Philosophieprofessor Martin Schnell gegenüber n-tv.de die Bandbreite der geäußerten Ideen. (Mobilnutzer klicken hier)

Jeder muss sterben, auch ich

Schnell, der das Institut für Ethik und Kommunikation im Gesundheitswesen an der Universität Witten/Herdecke leitet, begleitet das Projekt mit wissenschaftlicher Forschung. Seiner Meinung nach sind Tod und Sterben inzwischen kein Tabu mehr. "In jeder Bahnhofsbuchhandlung liegen Titel zu diesem Thema und werden auch gekauft. Über den Tod, über das Leiden und das Älterwerden, den Verfall und die Vergänglichkeit des Körpers wird viel offener gesprochen als früher."

Allerdings meist nur über die Vergänglichkeit der anderen. Die Endlichkeit des eigenen Lebens blenden viele weiterhin häufig aus. Das lässt sich jedoch ändern. Diese Erfahrung haben die Wissenschaftler bei den Vorgängerprojekten gemacht, bei denen beispielsweise junge Leute mit Sterbenden sprachen. Die Jugendlichen, die sich bis dahin kaum mit der eigenen Sterblichkeit auseinandergesetzt hatten, beobachteten an sich eine einschneidende Veränderung.

Sie hielten den Moment ihres Sterbens noch immer für recht weit entfernt. Aber der Auszug bei den Eltern, der Studienbeginn und die Umsetzung der eigenen Lebenspläne geschehen nun viel bewusster und überlegter, berichteten sie. Die Begegnung mit dem Tod bewirke ein Innehalten, meint auch Schnell. Denn philosophisch betrachtet ist die Frage nach dem Tod untrennbar verbunden mit der Frage nach dem Leben. "Leben heißt ja auch, sich zu etwas hin zu entwickeln. Kräfte zu mobilisieren, Projekte zu stemmen. Das, was der Philosoph Friedrich Nietzsche die Lebenssteigerung nennt." Der Tod, die Begrenztheit der Lebenszeit, gebe allem, was man tut, überhaupt eine Relevanz.

Nicht mehr ob, sondern wie

Das Leben ist endlich, selbst wenn man erst mit 105 stirbt. Wer sich das bewusst macht, schätzt es mehr. Bei denen, die sich mit der Unausweichlichkeit des eigenen Sterbens auseinandersetzen, geht es irgendwann nicht mehr um die Fragen, warum oder ob, sondern mehr darum wie. Die meisten Menschen wollen zu Hause sterben, ohne Schmerzen, ohne Angst. Die Fakten sehen jedoch anders aus. Demnach sterben die meisten im Krankenhaus oder im Pflegeheim.

Unter den 30, die über ihre Gedanken zum Tod sprechen, ist der Rechtsmediziner Wolfgang Huckenbeck. Er berichtet von Patienten, die noch bis kurz vor ihrem Tod operiert und intensiv medizinisch versorgt wurden. So wolle er nicht enden und könne sich auch Sterbehilfe vorstellen. "Der eigene Tod ist eine so persönliche Angelegenheit, da möchte ich nicht fremdbestimmt werden."

Schnell, der bis 2014 die Bundesethikkommission der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft geleitet hat, ist jedenfalls mit dem Thema noch lange nicht fertig. Aus den 30 Gedanken zum Tod ist ein Buch entstanden, die Bilder darin sind in einer Wanderausstellung durch Deutschland unterwegs. Gerade werden sie in der Bürgerschaft Bremen gezeigt, begleitet von Vorträgen und Gesprächsrunden. Und dann sind da noch die etwa 1000 Fragebögen, auf denen Menschen ihre Sicht auf den Tod beschrieben haben und die nun im Rahmen einer Dissertation ausgewertet werden.

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Quelle: ntv.de

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