Panorama

Millionen ungeimpfte Fieberfälle In Nordkorea wüten Corona, Hunger und Tuberkulose

Die Staatsmedien haben ein Foto von Diktator Kim Jong Un veröffentlicht, das ihn beim Besuch einer Apotheke zeigt.

Die Staatsmedien haben ein Foto von Diktator Kim Jong Un veröffentlicht, das ihn beim Besuch einer Apotheke zeigt.

(Foto: picture alliance/dpa/KCNA)

Seit mehr als zwei Jahren infizieren sich Menschen auf der ganzen Welt mit dem Coronavirus. Mittlerweile ist die Pandemie sogar in Nordkorea angekommen. In dem abgeschotteten Land ist zwar "nur" von Fieber die Rede, auf harte Zeiten muss sich die Diktatur aber trotzdem einstellen.

Am 12. Mai meldet Nordkorea seine allerersten Corona-Fälle - mehr als zwei Jahre nach Beginn der Pandemie. Seitdem werden täglich teils über 250.000 Menschen mit Fieber-Symptomen registriert. Anscheinend das Codewort der kommunistischen Diktatur für Corona-Symptome.

Die Proben von den Fieberpatienten in der Hauptstadt Pjöngjang stimmen Berichten zufolge mit der hochansteckenden Omikron-Variante des Coronavirus überein. Deshalb kann es nicht überraschen, dass inzwischen schon deutlich über zwei Millionen Menschen mit Fieber-Symptomen von staatlichen Stellen registriert wurden, also fast zehn Prozent der nordkoreanischen Bevölkerung.

Wie viele von ihnen eine Corona-Erkrankung durchmachen, ist allerdings nicht bekannt und wird vermutlich auch ungewiss bleiben. Nordkorea hat nicht die Mittel, um großflächig zu testen. Es gibt kaum Corona-Tests im Land - und wahrscheinlich auch nur eine bedingte Bereitschaft, eine mögliche Gesundheitskatastrophe öffentlich zu kommunizieren.

Nordkorea spricht von Fieber

Aktuell wird bei den Fallmeldungen zwar ausschließlich von Fieber gesprochen, "aber die Analogie ist eindeutig und wird auch nicht bestritten", betont Nordkorea-Experte Rüdiger Frank im ntv-Interview. Das Land gehe für seine Verhältnisse sogar einigermaßen offen mit der Pandemie um. Staatliche nordkoreanische Stellen berichten im Internet und teils in Echtzeit über die Ausbreitung. Das spreche dafür, dass man die Außenwelt informieren wolle, erklärt der Ostasien-Wissenschaftler.

Die ungewohnt offene Informationspolitik könne aber auch durch "ein bisher nicht dagewesenes Ausmaß" von Infektionen begründet sein, sagt Frank. Oder es liege daran, dass auch die für die Regimestabilität wichtige Hauptstadt Pjöngjang betroffen ist und nicht nur einzelne ländliche Gebiete.

Wie das Coronavirus ins seit Pandemie-Beginn eigentlich völlig isolierte Nordkorea gelangt ist, lässt sich nicht rekonstruieren. Gerüchteweise sollen Handelskontakte mit China verantwortlich sein, die seit Anfang des Jahres wieder vorsichtig aufgenommen wurden.

Nordkoreas Gesundheitssystem ist im Vergleich zu westlichen Staaten extrem schlecht aufgestellt, im Gegensatz zu vielen Ländern der Dritten Welt wiederum aber noch verhältnismäßig gut organisiert. Auch der Staat an sich funktioniere in gewisser Weise, sagt Rüdiger Frank. Das habe "in der Regel negative Auswirkungen", in diesem Fall könne sich der starke Staat aber "als positiv erwiesen", so der Nordkorea-Experte.

Diktatur alleine nicht überlebensfähig

Aber auch wenn Machthaber Kim Jong Un alles versucht, um zu demonstrieren, dass es Nordkorea im Kampf gegen das Virus an nichts mangelt, ist das Land im wahrsten Sinne des Wortes nicht überlebensfähig. Es fehlt an Mitteln für eine intensivmedizinische Betreuung von Erkrankten. Deshalb hat Kim sein Militär dazu beordert, bei der Verteilung von Medikamenten zu helfen.

Die Behandlung von Corona-Patienten sei nur eingeschränkt möglich, sagt Frank. Hinzu kommt, dass viele Menschen in Nordkorea ein geschwächtes Immunsystem haben. Grund ist jahrelange Mangelernährung. Außerdem hat das Land schon seit Jahren mit einer anderen Lungenkrankheit zu kämpfen. Es gibt viele Tuberkulose-Erkrankte. Das alles sind schlechte Voraussetzungen, um jetzt auch noch mit einer Pandemie klarzukommen. Auch WHO-Chef Tedros Ghebreyesus ist besorgt, vor allem weil die Bevölkerung ungeimpft ist und viele Menschen andere Grundkrankheiten haben. Für einen Teil der Nordkoreaner sei die Situation lebensbedrohlich.

Hungerkrise droht

Nordkorea hat bislang nicht auf Angebote vom verhassten Nachbarn Südkorea und den USA reagiert, Impfstoffe und andere medizinische Versorgungsgüter zu erhalten. Das abgeschottete Land nimmt einzig die Hilfe von China an, berichtet Rüdiger Frank. Peking ist der wichtigste Verbündete des Landes.

Aber auch diese Hilfe kann ein zentrales Problem nicht lösen. Sind Menschen an Corona erkrankt oder müssen im strengen nordkoreanischen Lockdown zu Hause bleiben, können sie nicht arbeiten. Und gerade jetzt zum Sommeranfang braucht die für Nordkorea enorm wichtige Landwirtschaft jede helfende Hand bei der Ernte.

Und eine schlechte Ernte hätte für das Land gravierende Folgen. Es droht eine schwere Hungerkrise, befürchten die Vereinten Nationen. "Die jüngsten Restriktionen werden schwerwiegende Folgen für diejenigen haben, die ohnehin schon Probleme haben, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen, einschließlich der Versorgung mit Lebensmitteln", sagte Liz Throssell vom UN-Menschenrechtsbüro.

Die staatlichen Medien melden zwar, dass Nordkorea die Produktion in den wichtigsten Industriezweigen aufrechterhalten könne, aber Infos aus der abgeschotteten Diktatur sind wie immer mit großer Vorsicht zu genießen.

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(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 31. Mai 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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