Bundestag stolpert Aufgaben entgegen 22 Ausschüsse und eine Quasselbude
20.12.2013, 10:37 Uhr
Mitarbeiter des Bundestags laufen über die Brücke, die das Elisabeth-Lüders-Haus und das Paul-Löbe-Haus verbinden, in dem die Ausschüsse tagen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Endlich hat der Bundestag die Ausschüsse gebildet, die für seine Arbeit so wichtig sind. Trotzdem gibt es immer noch Streit. Und arbeiten kann das Parlament auch noch nicht richtig.
Seit drei Monaten sitzt ein Großteil der Bundestagsabgeordneten in seinen Büros und wartet auf Arbeit. Gerade die Neulinge im Parlament haben schlicht nichts zu tun, als sich mit ihrem Wahlkreis zu beschäftigen, von dem sie im Wahlkampf eigentlich schon jeden Gemeindesaal kennengelernt haben. Denn erst 88 Tage nach der Wahl hat der Bundestag die Einsetzung von Ausschüssen beschlossen. Die braucht er, um vernünftige Arbeit leisten zu können. Doch selbst jetzt wissen viele Parlamentarier noch immer nicht, mit welchen Themen und Gesetzen sie sich beschäftigen sollen. Die langwierige Koalitionsbildung hat nicht nur die Regierung lahmgelegt, sondern auch den Bundestag. Aber nicht nur das: Weil bei dieser Wahl einiges anders war, gab es um die Ausschüsse Streit.
Zunächst ging es um den Hauptausschuss, den Union und SPD eingesetzt hatten, um die Zeit bis zur Regierungsbildung zu überbrücken. Parlamentspräsident Norbert Lammert hatte angemahnt, dass der Bundestag auch dann arbeiten müsse, wenn sich noch keine Regierung gefunden habe. Der Trick, die normalen Ausschüsse durch einen großen Hauptausschuss zu ersetzen, kam bei den kleinen Parteien aber nicht gut an. Die Grünen sprachen von einem "Standby-Modus", die Linke bezeichnete das Vorgehen als "gesetzeswidrig". In der Bundestagssitzung am Donnerstag fragte der Grüne Volker Beck provokant, was die Sitzungen des Gremiums nun eigentlich ergeben hätten. Der CDU-Politiker Eckhardt Rehberg konnte nur dünnhäutig reagieren: Die Protokolle seien ja per Mail zugesandt worden. "Wenn Sie lesen können, können Sie auch die Ergebnisse zur Kenntnis nehmen."
SPD und Union haben Vorsitze immer noch nicht verteilt
Das nächste Streitthema war der Vorsitz des Haushaltsausschusses. Der steht traditionell der größten Oppositionsfraktion zu und damit der Linken. Die will Gesine Lötzsch auf den Posten setzen, was bei der Union zu Ärger führte. 16 Abgeordnete wandten sich offiziell an ihren Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder, um Lötzsch zu verhindern. Sie verharmlose das Regime der DDR. Letztlich musste die Union ihren Widerstand aber aufgeben.
Aus den Fraktionen erfuhr n-tv.de, dass die Linke neben dem Haushaltsausschuss wie bisher auch den Petitionsausschuss leiten wird. Die Grünen haben zukünftig den Vorsitz im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz sowie im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.
Wie die anderen Ausschuss-Vorsitze zwischen Union und SPD verteilt werden, haben die Koalitionsparteien noch nicht ausgemacht. So mancher Fachpolitiker darf also noch weiter auf einen solchen Posten hoffen. Unangenehm ist die Situation weiterhin für die neuen und weniger profilierten Abgeordneten. Sie wissen weiterhin nicht, in welchem Ausschuss sie arbeiten werden. Erst Anfang Januar tagen die Fraktionen und entsenden ihre Mitglieder in die Fachgremien. Die Untätigkeit vieler Politiker geht damit weiter.
Nutzen Linke und Grüne ihre Rechte nicht?
Einen interessanten Vorwurf machte Unions-Geschäftsführer Manfred Grund der Opposition: Sie habe bei der Bildung der Ausschüsse Minderheitenrechte "liegen gelassen". Seit Wochen weisen Linke und Grüne auf die Probleme hin, die durch die übergroße Koalition und die Mini-Opposition entstehen. Und nun sollen sie leichtfertig auf Rechte verzichtet haben? Auf Anfrage von n-tv.de teilt die Unionsfraktion mit, die kleinen Parteien hätten durch Vergrößerung oder Verkleinerung von Ausschüssen ihr Gewicht stärken können. Durch Rundungsfehler hätten sie dann gemeinsam bis zu 25 Prozent der Sitze gehabt, obwohl sie im Bundestag nur 20 Prozent der Stimmen haben. Grüne und Linke weisen das zurück. Rundungsfehler als Minderheitenrechte zu bezeichnen, sei "Unsinn", sagt ein Sprecher der Linken. Man brauche feste Zusagen für die Rechte der Opposition, keine solchen Tricks.
Zusätzlich zu den nun beschlossenen 22 Ausschüssen soll es ab Februar zusätzlich einen Internet-Ausschuss geben – und auch der macht Ärger. Abgeordnete aller Parteien hatten empfohlen, dass es ein solches Gremium gibt. Die Fachleute von Union und SPD jubelten, als am Dienstag klar wurde, dass es ihn nun tatsächlich geben soll. Auch ein Spitzname ist schon gefunden: "Aida" – was für "Ausschuss für Internet und digitale Agenda" steht. Obwohl auch die Grünen einen solchen Ausschuss befürworten, üben sie nun Kritik, weil er ausschließlich "mitberatend" tätig sein soll. "Übersetzt heißt dies schließlich nichts anderes, als dass der neue Ausschuss keinerlei federführende Zuständigkeit für irgendein netzpolitisches Thema haben wird", schreibt der Grünen-Abgeordnete Konstatin von Notz. Der Ausschuss drohe, zu einer "Quasselbude" zu werden.
Ein weiterer Grund dafür ist, dass es kein Ministerium gibt, für dessen Kontrolle der Internetausschuss zuständig sein wird. Denn die Zuständigkeit rund um das Internet verteilt sich weiterhin in mehrere Ministerien. In der Internet-Kommission des letzten Bundestags hatten eigentlich Politiker aller Parteien ein neues Internetministerium gefordert, das die Zuständigkeiten gebündelt hätte. Notz fragte in der Debatte, warum der Internetausschuss nicht sofort eingesetzt wird. "Sie haben die Antwort in Ihrer Frage vorweggenommen", musste Christine Lamprecht von der SPD zugeben. Die Themen seien noch gar nicht klar.
Quelle: ntv.de