Debatte um Vernichtung geht weiter 67 Proben enthalten Pferdefleisch
23.02.2013, 07:42 Uhr 
		                      In einem Labor für Molekularbiologie des Chemischen Veterinär- und Untersuchungsamtes Rhein-Ruhr-Wupper in Krefeld wird eine Hackfleisch-Probe auf Pferde-DNA untersucht.
(Foto: dapd)
Nordrhein-Westfalen ist Spitzenreiter: In 27 Fällen finden die Kontrollbehörden dort Pferdefleisch in Fertigprodukten. Bundesweit spricht das Verbraucherschutzministerium von 67 Fällen. Die Debatte, ob man die Produkte an Arme verteilen solle, geht derweil weiter. Nach viel Kritik an dem Vorschlag gibt es auch Zustimmung.
In Deutschland ist nach Angaben des Bundesverbraucherschutzministeriums bis Freitagabend in 67 Fällen Pferdefleisch in falsch etikettierten Fertigprodukten nachgewiesen worden. Ein Sprecher von Ministerin Ilse Aigner sagte der "Bild am Sonntag", bisher seien von den Kontrollbehörden der Länder insgesamt 830 Analysen auf Pferde-DNA gemacht worden.
Spitzenreiter bei den positiven Labortests ist danach Nordrhein-Westfalen mit 27 Fällen, gefolgt von Hessen (13), Baden-Württemberg (8) und Bayern (8). Weitere betroffene Länder sind Mecklenburg-Vorpommern (5), Brandenburg (4) und Hamburg (2). Die Tests der Länderbehörden dauerten weiter an. Ministeriumssprecher Holger Eichele sagte dem Blatt, dass bisher bei keiner Analyse das für Menschen gesundheitsschädliche Pferde-Medikament Phenylbutazon nachgewiesen worden sei.
Die Opposition im Bundestag attackierte allerdings CSU-Politikerin Aigner für ihr Krisenmanagement. Sie reagiere immer erst dann, wenn eine Krise schon da sei, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber hielt der Ministerin vor, mit Scheinmaßnahmen darüber hinwegzutäuschen, dass Schwachstellen nicht beseitigt würden.
Aigner sicherte erneut zügige Konsequenzen zu. "Wichtig ist, dass wir alles tun, um zu verhindern, dass sich ein solch dreister und skandalöser Etikettenschwindel in Zukunft wiederholt." Sie betonte, die Verbraucher und nicht der Handel seien Opfer des Skandals. Laut ZDF-Politbarometer halten 84 Prozent der Wahlberechtigten strengere Gesetze und Kontrollen zu Kennzeichnung und Qualität von Lebensmitteln für richtig.
Kirche gegen voreilige Vernichtung
Der Vorschlag, aussortierte Lebensmittel mit Pferdefleisch an Arme zu verteilen, hat derweil eine Welle der Empörung ausgelöst. "Bedürftige Menschen sind keine Verbraucher zweiter Klasse", sagte der Vorsitzende des Bundesverbands Deutsche Tafel, Gerd Häuser. Es sei entwürdigend, wenn Produkte, die die Mehrzahl der Verbraucher ablehne, als gut genug für Bedürftige eingestuft würden.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hartwig Fischer hatte vorgeschlagen, aus den Läden genommene Produkte wie Lasagne mit undeklarierten Pferdefleisch-Anteilen nicht voreilig zu vernichten. Er regte an, die Produkte, die nicht gesundheitsgefährdend seien, korrekt zu deklarieren und Hilfsorganisationen zur Verfügung zu stellen. Ein Sprecher des Bundesverbraucherministeriums sagte, es reiche nicht aus, solche Produkte nur neu zu kennzeichnen. Lückenlos geklärt sein müsse auch, woher alle Zutaten stammten. Daher sähen etwa die Tafeln eine Weitergabe zu Recht sehr kritisch.
Unterstützung erhielt Fischer dagegen von Entwicklungsminister Dirk Niebel. Der "Bild"-Zeitung sagte der FDP-Politiker: "Über 800 Millionen Menschen weltweit hungern. Und auch in Deutschland gibt es leider Menschen, bei denen es finanziell eng ist, selbst für Lebensmittel. Ich finde, da können wir hier in Deutschland nicht gute Nahrungsmittel einfach wegwerfen."
Auch die Evangelische Kirche (EKD) warnt vor voreiliger Vernichtung von Pferde-Lasagne. Prälat Bernhard Felmberg sagte der Zeitung: "Wir als Kirche empfinden die Wegwerfmentalität in unserer Gesellschaft als bedenklich. Ob und wie eine Verteilung der fraglichen Produkte möglich ist, ist zu prüfen. Aber Lebensmittel zu vernichten, die ohne Risiko genießbar wären, ist ähnlich schlimm wie Etikettenschwindel und kann keine Lösung sein."
"Jeder will wissen, was er isst"
Als "absurd" bezeichnet Sozialministerin Ursula von der Leyen die Debatte. "Ob arm oder reich, jeder will wissen, was er isst - und das muss einwandfrei sein", sagte die CDU-Politikerin der Zeitung. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bezeichnete den Vorschlag Fischers als "absurd". Hinter der Idee stecke, "dass es beim Essen Menschen zweiter Klasse gibt. Wir wollen aber gute Qualität für alle." SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles forderte eine Entschuldigung von Fischer. Der Vorschlag des Bundestagsabgeordneten sei "menschenverachtend und unwürdig", eine "Beleidigung für Menschen mit wenig Einkommen". Waren, die schadstoffhaltiges Fleisch enthalten könnten, müssten entsorgt werden.
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, sagte: "Wenn die Menschen in Deutschland das nicht essen wollen, weil sie völlig verunsichert sind, was da überhaupt drin ist, oder wenn sie es auch nur eklig finden, dann kann man das jetzt nicht Hartz-IV-Beziehern andrehen."
Fischer verteidigte seinen Vorschlag. "Wenn Sie so wie ich in Afrika ständig Menschen sterben sehen, dann haben Sie ein anderes Verhältnis zu Lebensmitteln", sagte der Entwicklungspolitiker. Er wolle nicht, dass diese Produkte vernichtet würden - stattdessen sollten sie lieber von Menschen gegessen werden. Er habe auch positive Rückmeldungen bekommen.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer kritisierte, Tafeln seien keine "Resterampe der Republik". "Nie im Leben wäre Herr Fischer auf die Idee gekommen, die Pferdefleischprodukte für die Verwendung zum Beispiel im Abgeordnetenrestaurant des Bundestages oder auf dem CDU-Bundesparteitag zu empfehlen."
Spanghero gibt Fleischhandel auf
Die im Zentrum des Pferdefleisch-Skandals stehende französische Firma Spanghero gibt unterdessen den umstrittenen Handel mit Fleisch komplett auf. Das Unternehmen wird sich wieder auf sein Kerngeschäft konzentrieren, die Herstellung von Hackfleisch und Wurst sowie von Fertiggerichten, wie Spanghero erklärte. Mit den Arbeitnehmern verhandelt die Firma derzeit über mögliche Kurzarbeit. Kurz zuvor hatte Frankreichs Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll der Firma den Handel mit Fleisch weiterhin untersagt. Er begründete dies in Paris damit, dass nach Vorliegen eines Untersuchungsberichts der Veterinär- und Lebensmittel-Kontrollbehörden "zusätzliche Ermittlungen" nötig seien.
Die französischen Behörden hatten Spanghero vor rund einer Woche zu einem Hauptverantwortlichen im europaweiten Pferdefleisch-Skandal erklärt. Demnach hatte die Firma im südwestfranzösischen Castelnaudary aus Rumänien bezogenes, gefrorenes Pferdefleisch wissentlich als Rindfleisch an die französische Firma Comigel weiterverkauft. Diese wiederum fertigte aus dem Fleisch Fertiggerichte, die in zahlreiche Länder geliefert wurden, unter anderem nach Deutschland.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP
 
   
		                             
		                             
		                             
		                             
		                             
		                             
		                             
		                             
		                            