Anschlag soll Friedensprozess stoppen Abbas lässt Hamas verhaften
01.09.2010, 11:07 Uhr
US-Außenministerin Clinton und Israels Premier Netanjahu: Die Erwartungen an die Gespräche sind nicht besonders hoch.
(Foto: dpa)
Mit einem Anschlag unmittelbar vor Beginn des Nahost-Gipfels in Washington versucht die Hamas, die Friedenbemühungen noch zu untergraben. Doch Palästinenser und Israelis sind sich einig, trotzdem die ersten direkten Gespräche seit zwei Jahren zu führen. Die Erwartungen sind allerdings gering.
Nach dem tödlichen Anschlag auf vier israelische Siedler hat die Palästinenserpolizei im Westjordanland Dutzende Mitglieder der radikal-islamischen Hamas festgenommen. Aus Hamas-Kreisen verlautete, die Sicherheitskräfte hätten in der Nacht etwa 50 Menschen in Haft genommen. Der militärische Flügel der im Gazastreifen herrschenden Organisation hatte sich zu dem Feuerüberfall bei Hebron im südlichen Westjordanland bekannt.
Der israelische Siedlerrat kündigte als Antwort auf den Anschlag das vorzeitige Ende des Baustopps im Westjordanland an. Schon am Abend wolle man die Bauaktivitäten wieder aufnehmen.
Hamas-Mitglieder hatten am Dienstagabend in der Nähe von Hebron das Feuer auf ein israelisches Fahrzeug eröffnet. Dabei kamen zwei Männer und zwei Frauen aus der Siedlung Beit Chagai ums Leben.
"Terroristen werden nicht siegen"
Bundesaußenminister Guido Westerwelle verurteilte die Bluttat am Mittwoch aufs Schärfste. "Einziges Ziel dieses Anschlags ist es, den geplanten Beginn direkter Verhandlungen zu blockieren. Ich hoffe, dass alle Seiten die Kraft zu einer besonnenen Reaktion finden und sich nicht vom Weg der Verhandlungen und des Friedens abbringen lassen."
Der israelische Staatspräsident Schimon Peres sagte: "Die Terroristen werden nicht siegen. Mit gemeinsamen Kräften werden wir sie übermannen." Man müsse weiter mit jenen Palästinensern verhandeln, die nach Frieden streben, sagte er mit Hinblick auf die geplanten Nahost-Verhandlungen in Washington, die am Donnerstag offiziell beginnen sollen.
Nahost-Gipfel beginnt
US-Außenministerin Hillary Clinton empfing am Dienstag bereits Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zu Einzelgesprächen in Washington. Alle Seiten verurteilten dabei den tödlichen Anschlag nahe Hebron aufs Schärfste. Unmittelbar nach seiner Ankunft in der US-Hauptstadt kündigte Netanjahu an, dass der Tod der vier israelischen Zivilisten nicht ungestraft bleiben werde. Nach Angaben eines Mitarbeiters ordnete der israelische Ministerpräsident an, die Täter "ohne jegliche diplomatische Zurückhaltung" zu verfolgen.
Der tödliche Angriff zeige, dass es bei den Friedensgesprächen keine Kompromisse bezüglich der israelischen Forderungen nach mehr Sicherheit geben dürfe, sagte Netanjahus Mitarbeiter. Die Gespräche würden jedoch trotz des Vorfalls wie geplant stattfinden, ergänzte der Sprecher des Regierungschefs, Mark Regew. "Wir sind dem Frieden verpflichtet." Israel sei zu einer historischen Einigung mit den Palästinensern bereit.
Der Anschlag stehe den "nationalen Interessen" der Palästinenser entgegen, verurteilte auch der palästinensische Regierungschef Salam Fajad die Tat. Sie schade den Anstrengungen, internationale Unterstützung für die palästinensischen Forderungen zu r Beilegung des Nahost-Konflikts einzuwerben. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erklärte, der Anschlag ziele darauf ab, die geplante Wiederaufnahme der direkten Friedensgespräche zu "stören".
Nach zwei Jahren Funkstille
Clinton, die zu nächst mit Abbas und dann mit Netanjahu zu getrennten Gesprächen zu sammenkam, sicherte Israel Unterstützung zu . "Wir versichern,alles zu tun, um den Staat Israel zu schützen und zu verteidigen", sagte sie. Das Weiße Haus appellierte an beide Seiten, beharrlich an einer Lösung des Nahost-Konflikts zu arbeiten. Auch EU-Außenministerin Catherine Ashton verurteilte die Tat.
Der US-Sondergesandte für den Nahen Osten, George Mitchell, äußerte sich optimistisch über die geplanten Verhandlungen. Abbas und Netanjahu seien sich bewusst über die Gelegenheit, jetzt umfänglichen Frieden in der Region schaffen zu können. "Sie wissen, dass dies ein seltener Moment ist, in dem eine Möglichkeit besteht, eine Zwei-Staaten-Lösung zu erreichen", sagte er.
US-Präsident Barack Obama kommt beim Nahost-Gipfel in Washington zu nächst mit Netanjahu und dann mit Abbas zu Einzelgesprächen zu sammen. Höhepunkt des Gipfels sind die für Donnerstag vorgesehenen ersten direkten Gespräche zwischen dem Palästinenserpräsidenten und dem israelischen Regierungschef seit fast zwei Jahren. Die Verhandlungen waren 2008 nach der Offensive Israels auf den Gazastreifen unterbrochen worden.
Barak kompromissbereit
Kurz vor Beginn der Friedensgespräche hat Israel in einem der wichtigsten Streitpunkte Flexibilität signalisiert. Im Rahmen eines Friedensvertrages sei Israel zu r Abtretung von Teilen Jerusalems an die Palästinenser bereit, sagte Verteidigungsminister Ehud Barak in einem Interview der Tageszeitung "Haaretz".
Die Erwartungen an die Wiederaufnahme des Dialogs sind angesichts der tiefgreifenden Differenzen zwischen Israelis und Palästinensern allerdings auch ungeachtet des Angriffs im Westjordanland niedrig. Trotz Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten bleiben viele Streitpunkte, darunter als besonders große Hürde die Siedlungsfrage. Die Palästinenser fordern einen vollständigen Siedlungsstopp, was Israel ablehnt.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP