SPD mit "Blick nach vorn" Abkehr von Rente mit 67
12.11.2009, 09:49 UhrVor dem Bundesparteitag der SPD deutet Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier einen Kurswechsel seiner Partei in der Rentenpolitik an. Als Oppositionsführer will er nun darauf drängen, dass das Rentengesetz 2010 von Schwarz-Gelb überprüft wird.

Noch sieht es leer aus in der Halle auf dem Dresdner Messegelände, in der am Wochenende der SPD-Parteitag stattfindet.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
"Wir haben das Gesetz in unserer Regierungszeit gemacht und die Überprüfungsklausel ist Teil des Gesetzes. Schon deshalb werden wir sie ernst nehmen", sagte Steinmeier der "Berliner Zeitung".
Die Rente mit 67 gilt als einer der Gründe für die herbe Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl im September, die sie in eine der tiefsten Krisen ihrer Geschichte gestürzt hat und sie aus der Regierungsverantwortung in die Opposition wechseln ließ. Das Thema wird daher auf dem Parteitag ab Freitag in Dresden eine zentrale Rolle spielen. In zahlreichen Anträgen wird eine Abschaffung der Rente mit 67 verlangt. Steinmeier erwartet laut "Berliner Zeitung" jedoch nicht, dass sich diese Radikalposition durchsetzen wird.
Nach der Überprüfungsklausel im Rentengesetz muss die schwarz-gelbe Bundesregierung 2010 einen Bericht über die Lage älterer Beschäftigter auf dem Arbeitsmarkt vorlegen. Darin muss sie auch bewerten, ob sie die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters weiter für vertretbar hält. Falls nicht, "hat sie geeignete Maßnahmen vorzuschlagen", lautet das Gesetz. Ohne Änderungen des Rentengesetzes wird das Rentenalter ab 2012 schrittweise von jetzt 65 auf 67 Jahre erhöht.
Rentenversicherung will keine Abkehr
Der Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Herbert Rische, hat die SPD vor einer Abkehr von der Rente mit 67 gewarnt. "Das wäre das falsche Signal für die künftige Entwicklung der Rentenversicherung", sagte er der "Saarbrücker Zeitung". Schon angesichts der alternden Gesellschaft könne man vor einer grundsätzlichen Rücknahme nur warnen. "Wenn die erwerbsfähigen Menschen weniger werden und gleichzeitig länger leben, dann ist klar, dass auch die Betriebe eine verlängerte Lebensarbeit zu schätzen wissen."
SPD-Spitze bereitet Parteitag vor
Sechs Wochen nach dem Debakel bei der Bundestagswahl bereitet die SPD-Führung heute in Dresden den Bundesparteitag vor. Bei den Sitzungen von Präsidium, Vorstand und Parteirat sollen letzte Änderungen an den Anträgen beschlossen werden. Bis zum Sonntag wollen die 525 Delegierten eine neue Spitze wählen und über den künftigen Kurs der Partei in der Opposition entscheiden. Am Freitag soll der frühere Umweltminister Sigmar Gabriel zum Nachfolger von Müntefering bestimmt werden. Andrea Nahles soll neue SPD-Generalsekretärin werden.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD- Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, erwartet auf dem Parteitag keine Generalabrechnung des ausscheidenden Parteivorsitzenden Franz Müntefering. Oppermann sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Es wird eine offene, aber mit Sicherheit faire Debatte geben." Am Ende werde vom Parteitag ein Aufbruchssignal ausgehen. "Die Debatten dürfen sich aber nicht erschöpfen in der Frage, wer hat vor fünf oder zehn Jahren Recht gehabt oder Fehler gemacht", warnte Oppermann. "Was wir jetzt brauchen, ist eine präzise Analyse des Vertrauensverlustes."
Kraft fordert Blick nach vorn
Die designierte stellvertretende Vorsitzende Hannelore Kraft warnte vor rückwärtsgewandten Debatten. "Wir müssen viel diskutieren, aber wir müssen nach vorn diskutieren", sagte die nordrhein-westfälische SPD-Chefin im Deutschlandfunk. Kraft wandte sich dagegen, die Agenda 2010 generell infrage zu stellen. Bei der Rente mit 67 brauche man "flexible Übergänge". Die SPD-Politikerin wandte sich gegen Koalitionsdebatten. "In einem Mehrparteiensystem darf man nicht auf Koalitionen schielen." Es gebe auch "keinen Automatismus, mit der Linken zusammenzugehen."
Nahles wirbt um Vertrauen
Die designierte Generalsekretärin Nahles warb am Mittwochabend bei dem letzten Treffen mit Vertretern der Parteibasis vor dem Parteitag um Vertrauen für die neue Führung. "Zusammenrücken, kämpfen und gemeinsam nach vorne" müsse das Motto sein, sagte sie nach der Veranstaltung in Kiel. Von der Bundesebene müsse künftig mehr Rückenwind in den Ländern ankommen und nicht Gegenwind wie bei der jüngsten Wahl.
Der niedersächsische Landeschef Garrelt Duin forderte Gabriel und Nahles auf, stärker auf die Parteibasis zu hören. "Das neue Führungsduo muss einen langen Atem haben, wirklich als Team auftreten und muss seinem Versprechen gerecht werden, die Parteibasis stärker in Entscheidungen mit einzubeziehen", sagte Duin der Oldenburger "Nordwest-Zeitung". Duin ist "überzeugt davon, dass die SPD nur über die Länder zu alter Stärke zurückfindet".

Die SPD will eine neue Führung wählen: (oben l-r) amtierender Vorsitzender Müntefering, designierter Nachfolger Gabriel, designierte Generalsekretärin Nahles, designierter Bundesvize Scholz, (unten l-r) die drei weiteren designierten Vize, Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Schwesig, die nordrhein-westfälische SPD-Chefin Kraft und Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit.
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Aus Sicht des saarländischen SPD-Vorsitzenden Heiko Maas sollte seine Partei nicht nur über ihr Verhältnis zur Linken reden, sondern auch über das zu den Grünen. Diese betrieben "Etikettenschwindel" als linke Partei, hüpften dann aber "mit den Konservativen in die Kiste - und nicht nur zum Kuscheln", sagte Maas der "Saarbrücker Zeitung" mit Blick auf die Bildung einer Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen an der Saar.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP