Berlin nimmt Kraftwerke an die Leine Abschalten im Winter verboten
17.10.2012, 12:49 Uhr
Messinstrumente im Pumpspeicher-Kraftwerk Niederwartha (Sachsen).
(Foto: dpa)
Unrentabel gewordene Kraftwerke sollen notfalls zum Weiterbetrieb gezwungen werden, wenn sonst die Stromversorgung im Winter gefährdet wäre. Das plant die Bundesregierung. Demnach müssen Betreiber die Stilllegung etwa von Gaskraftwerken künftig zwölf Monate vorher mitteilen. Hintergrund ist die drohende Unterversorgung wegen des Atomausstiegs.
Zur Vermeidung von Stromausfällen will die Bundesregierung die Stilllegung von Kraftwerken notfalls per Gesetz verbieten. Das Bundeskabinett beschloss neue Regelungen, wonach Betreiber von systemrelevanten Anlagen gezwungen werden können, das Kraftwerk für bis zu zwei Jahre betriebsbereit zu halten. Dafür wird der Versorger dann entschädigt. Zudem soll im Energiewirtschaftsrecht verankert werden, dass die Stilllegung eines Kraftwerks der Bundesnetzagentur mindestens zwölf Monate vorher gemeldet werden müsse.
Um Engpässe bei Gaskraftwerken wie im vergangenen Winter zu verhindern, sollen die Betreiber zudem verpflichtet werden, ihre Versorgung mit Brennstoff sicherzustellen. Hintergrund ist, dass einige Betreiber Verträge abgeschlossen haben, wonach in Einzelfällen ihre Belieferung mit Gas ausgesetzt werden kann. Dies war ein Grund, warum im vergangenen Winter Reservekraftwerke die Lücke füllen mussten. Diese hatte die Netzagentur unter Vertrag genommen, um Stromengpässe vor allem in Süddeutschland nach der Abschaltung der älteren Atomkraftwerke zu verhindern. Mit den Neuregelungen soll dieses Vorgehen nun auch auf eine gesetzliche Basis gestellt werden. Die Kosten des gesamten Pakets werden über die Netz-Umlage auf die Verbraucher verteilt. Für einen Durchschnittshaushalt bedeute dies eine Mehrbelastung von etwa zwei Euro im Jahr, hieß es im Wirtschaftsministerium.
Rufe nach der Wende von der Wende
Hintergrund ist die drohende Unterversorgung wegen des Atomausstiegs. Unionsfraktionsvize Arnold Vaatz verlangte bei n-tv eine Abkehr vom Atomausstieg und forderte damit eine neuerliche Wende in der Atompolitik. Zugleich stellte der CDU-Politiker die von der Regierung beschlossene Energiewende grundsätzlich in Frage. Vaatz begründete seinen Vorstoß damit, dass erneuerbare Energien nicht grundlastfähig seien. Erforderlich sei daher die "sofortige Außerkraftsetzung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes", wenn auch unter Wahrung des Vertrauensschutzes. "Und man müsste Kohle und Gas und auch die Atomkraft beibehalten", sagte er in der Sendung "Das Duell" bei n-tv.
Reserve von über 2000 Megawatt angelegt
Nachdem im vergangenen Winter rund 1600 Megawatt-Leistung als Reserve von der Netzagentur unter Vertrag genommen worden waren, werden es dieses Jahr über 2000 Megawatt sein. Die Lage hat sich noch einmal verschärft, weil Versorger wie E.ON erwägen, einzelne Kraftwerke aus betriebswirtschaftlichen Gründen vom Netz zu nehmen. Da Strom aus Wind oder Sonne einen immer größeren Anteil am Markt einnimmt, laufen Gas- oder Kohlekraftwerke weniger und werden unwirtschaftlicher.
Voll wirksam werden die Regelungen allerdings wohl erst im Winter 2013/14, da das Gesetz nach derzeitiger Planung erst Anfang 2013 in Kraft treten könnte. Ersetzt werden könnte das Vorhaben noch durch eine freiwillige Selbstverpflichtung der Energiebranche. Hier waren die Gespräche zuletzt aber ins Stocken geraten. Die Bundesregierung will die Regelungen aber schnell in Kraft setzen. Das Kabinett beschloss daher sogenannte Formulierungshilfen für die Fraktionen, die in die laufenden Beratungen des Energiewirtschaftsrechts zum Offshore-Strom einfließen sollen. Dies beschleunigt das Verfahren.
Quelle: ntv.de, dpa