Politik

Moratorium dauert zu lange Acht AKW sollen vom Netz

Das Atomkraftwerk Biblis.

Das Atomkraftwerk Biblis.

(Foto: dpa)

Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima vollzieht Schwarz-Gelb eine rasante Wende in ihrer Atompolitik. Einem Medienbericht zufolge ist die Abschaltung von acht Atomkraftwerken bereits beschlossene Sache. Die Grünen werfen CDU und CSU indes Geschichtsklitterung vor. "Es ist abenteuerlich, wie die Union jetzt sechs Jahrzehnte massivsten Atomlobbyismus vergessen machen will", so Grünen-Chefin Roth.

Die Spitzen der Schwarz-Gelben Koalition haben sich einem Zeitungsbericht zufolge bereits grundsätzlich auf das Aus für in Deutschland geeinigt. In einem Bericht der "Leipziger Volkszeitung" heißt es, die Partei- und Fraktionsspitzen hätten sich am Dienstag bei einem vertraulichen Treffen im Kanzleramt auf einen Ausstiegsfahrplan für die sieben Alt-Reaktoren und den Pannenreaktor Krümmel verständigt. Dabei sei Teilnehmern zufolge eine "Grundsatzvereinbarung" besprochen und für gut geheißen worden, nach der der Wiederbetrieb der insgesamt acht Reaktoren nach Ablauf des dreimonatigen Moratoriums ausgeschlossen wird.

Durch eine "Verschärfung der Sicherheitskriterien" für den Betrieb von Atomkraftwerken, die durch das Umweltministerium zu erarbeiten sei, werde die dauerhafte Außerdienststellung von 8 der insgesamt 17 deutschen Reaktoren "garantiert sein", bestätigte ein Teilnehmer der Gesprächsrunde der Zeitung.

Umweltminister Röttgen möchte alle gesellschaftlichen Gruppen bei der Energiewende an einen Tisch holen.

Umweltminister Röttgen möchte alle gesellschaftlichen Gruppen bei der Energiewende an einen Tisch holen.

(Foto: dapd)

Mit dieser Grundsatzvereinbarung hätte sich die Regierungsspitze selbst über ihr eigenes Prinzip hinweggesetzt, vor Ablauf der Prüfphase und des Moratoriums keine Festlegungen zu treffen, schrieb das Blatt. Bis Mitte, spätestens Ende, Juni könnte vom Gesetzgeber politisch entschieden sein. Minister Röttgen sagte der Zeitung: "Sollte es ein Ausstiegsgesetz geben, wäre dies bis Mitte oder Ende Juni durchsetzbar."

NRW will Atomausstiegs-Gesetz einbringen

Die rot-grüne nordrhein-westfälische Landesregierung will indes ein Atomausstiegs-Gesetz in den Bundesrat einbringen. Mit dieser Ankündigung reagierte Umweltminister Johannes Remmel auf die gegen die vorübergehende Abschaltung des Atomkraftwerks Biblis A. "Wir brauchen endlich eine gesetzliche Grundlage für den Ausstieg und keine Placebo-Politik durch ein rechtlich zweifelhaftes Moratorium", sagte der Grünen-Politiker. Ansonsten drohten Schadenersatzklagen der Energiebranche in Milliardenhöhe.

RWE hatte beim hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel Klage eingereicht. Nach Ansicht des Konzerns fehlt für die Betriebs-Einstellung die rechtliche Grundlage. Die Regierung hatte die Stilllegung der sieben ältesten AKW mit Verweis auf einen Paragrafen im Atomgesetz angeordnet. Danach kann die Stilllegung eines Kernkraftwerks verlangt werden, wenn Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter bestehen.

Gute Chancen für RWE

Nach Einschätzung von Experten hat RWE gute Chancen, da die Begründung für die zwangsweise Abschaltung der sieben alten Meiler rechtlich umstritten ist. Umweltminister Norbert Röttgen hatte den Schritt als vorsorgende Maßnahme nach den Ereignissen in Japan begründet. Mehrere Juristen halten dies für gewagt. Sollte RWE Recht bekommen, stünde das derzeitige Atom-Moratorium infrage.

Das hessische Umweltministerium kündigte an, dass das Atomkraftwerk Biblis A trotz der Klage abgeschaltet bleibe. Ministeriumssprecher Thorsten Nehls sagte dem Radiosender HR-Info am Freitagmorgen vor der Klageeinreichung: "Wir haben nicht ausgeschlossen, dass RWE von der Möglichkeit Gebrauch macht, gegen die Stilllegung zu klagen. Sollte RWE Vorbereitungen treffen, Biblis A wieder hochzufahren, wird das Umweltministerium dies mit einem Sofortvollzug unterbinden." Mit dem sogenannten Sofortvollzug können die Behörden einen Verwaltungsakt unmittelbar durchsetzen.

Kauder gelassen

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, reagierte gelassen auf die Ankündigung einer Klage. Im ZDF zeigte er sich überzeugt, dass die Entscheidung der Bundesregierung zur Stilllegung der sieben ältesten Atommeiler Bestand haben werde. "Wir werden auf die Klage so reagieren, dass das Moratorium weiterläuft", sagte der CDU-Politiker.

Linke-Chef Klaus Ernst forderte die Bundesregierung auf, eine Verstaatlichung der Energiekonzerne zu prüfen. "Der Staat darf sich nicht erpressbar machen", erklärte er. "Strom gehört nicht an die Börse, sondern in die Hand der Bürger. Die Enteignung und Zerschlagung der Stromriesen darf kein Tabu mehr sein."

Grüne sehen Geschichtsklitterung

Roth kritisiert die plötzliche Wende der Union als abenteuerlich.

Roth kritisiert die plötzliche Wende der Union als abenteuerlich.

(Foto: dapd)

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth warf CDU und CSU Geschichtsklitterung vor. "Es ist abenteuerlich, wie die Union jetzt sechs Jahrzehnte massivsten Atomlobbyismus vergessen machen will", sagte Roth der "Leipziger Volkszeitung". "Vom ersten deutschen Atomminister Franz Josef Strauß (...) bis hin zu (Kanzlerin) Angela Merkel, die 2010 den Atomausstiegskonsens brach und die Laufzeiten verlängerte, war die Union die politisch treibende Kraft hinter der Atomenergie."

In der SPD gibt es offenbar die Bereitschaft, zugunsten eines neuen Energiekonsenses die Klage gegen die von Union und FDP durchgesetzten Akw-Laufzeitverlängerungen fallen zu lassen. Einen solchen Schritt könne er sich als Geste des guten Willens "gut vorstellen", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. Ziel müsse dabei eine Rückkehr zum rot-grünen Atomausstieg sein, der überdies beschleunigt werden solle. Auch müsse es eine Beteiligung der Bundesländer geben und es müssten "alle Akteure am Tisch sitzen".

Gegen die Laufzeitverlängerungen liegen beim Bundesverfassungsgericht Klagen der Fraktionen von SPD und Grünen sowie mehrerer SPD-geführter Bundesländer vor. Auch Umweltverbände haben gegen das von der Koalition im vergangenen Jahr durchgesetzte Gesetz geklagt, das durchschnittliche Laufzeitverlängerungen um zwölf Jahre für die 17 deutschen Akw vorsieht. Auch die derzeit vorläufig abgeschalteten Alt-Akw sollten demnach acht Jahre länger am Netz bleiben als nach dem rot-grünen Energiekonsens vorgesehen.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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