Wirbel um AKW-Abschaltung RWE reicht Klage ein
01.04.2011, 09:51 Uhr
Stein des Anstoßes zwischen Worms und Darmstadt: Stahlbetonkuppel in Biblis.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Energiekonzern RWE setzt seine Ankündigung um und reicht beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel Klage gegen die vorübergehende Abschaltung des Atomkraftwerks Biblis A ein. AKW-Betreiber Eon - ebenfalls vom Atom-Moratorium betroffen - zieht nicht mit. Die Bundesregierung muss sich auch so schon auf einen langwierigen und möglicherweise sehr kostspieligen Rechtsstreit einstellen.

Mit jedem Tag Stillstand entgehen den Aktionären sichere Gewinne: RWE geht vor Gericht.
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Der Energiekonzern RWE hat rechtliche Schritte beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel gegen die Abschaltung seines Atomkraftwerks Biblis eingeleitet. "Die deutschen Kernkraftwerke erfüllen die geltenden Sicherheitsanforderungen", teilte die Konzerntochter RWE Power mit. "Für eine Betriebseinstellung fehlt daher die rechtliche Maßgabe", betonte RWE. RWE klage gegen die Anordnungen der hessischen Aufsichtsbehörde vom 18. März zur einstweiligen Einstellung des Betriebs des Kraftwerks Biblis für die Dauer von drei Monaten, hieß es weiter. Der Block A war wegen der Anordnung herunter gefahren worden.
Für den ebenfalls ruhenden Block B in Biblis wollte RWE keine Klage einreichen, da es ohnehin wegen einer Revision stillstand und eine Anweisung der hessischen Atomaufsicht zum Abschalten daher nur für Biblis A erging. Aus dem Umfeld des Unternehmens hatte es geheißen, der Konzern sei schon aus aktienrechtlichen Gründen zu juristischen Schritten verpflichtet.
Der Rechtsstreit um die einstweilige Stilllegung des AKW Biblis wird nicht rasch entschieden. Ein VGH-Sprecher sagte, mit einem Urteil sei "nicht innerhalb der nächsten Wochen zu rechnen". Bislang sei die Klage, die am Morgen gegen 08.33 Uhr bei dem Gericht eingegangen sei, noch nicht schriftlich begründet worden, sagte der VGH-Sprecher. Sei dies geschehen, werde das Umweltministerium in Wiesbaden Möglichkeit zu einer Entgegnung erhalten. Wann ein Urteil falle, könne er nicht genau sagen. Die Atomaufsicht liegt bei den Bundesländern - daher klagt RWE in Kassel gegen die Anordnung der Aufsichtsbehörde in Hessen.
Eon hält die Füße still
Anders als RWE will der Energiekonzern Eon, der ebenfalls von Abschaltungen im Rahmen des Atom-Moratoriums betroffen ist, nicht gerichtlich gegen die Anordnung vorgehen. Dem größten deutsche Energieversorger entgehen durch die Entscheidung der Bundesregierung Gewinne aus dem Betrieb der AKW Isar I und Unterweser.
Die Bundesregierung hatte die sieben ältesten deutschen Reaktoren angesichts der Atomkatastrophe in Japan zunächst für drei Monate vom Netz nehmen lassen. In dieser Zeit sollen alle deutschen Kernkraftwerke einer neuen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden.
Die Zwangspause stützt sich auf Paragraf 19, Absatz 3 des Atomgesetzes. Danach kann die Stilllegung eines Kernkraftwerks verlangt werden, wenn Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter bestehen. Umweltminister Norbert Röttgen hatte die Anwendung als vorsorgende Maßnahme nach den Ereignissen in Japan begründet. Juristen halten diese Auslegung für sehr gewagt und sehen die Abschaltung damit auf wackligen Füßen. Sollte RWE Recht bekommen, stünde das derzeitige Atom-Moratorium infrage.
RWE sucht die Entscheidung vor Gericht
RWE-Chef Jürgen Großmann hatte wiederholt argumentiert, dass die deutschen Anlagen auf einem sehr sicheren Stand seien, daran habe sich auch durch die Katastrophe in Fukushima nichts geändert. Die zuständigen Behörden werden jetzt vor Gericht darlegen müssen, wie genau sich durch die Fukushima-Katastrophe neue Erkenntnisse zur Gefahrenlage ergeben.
Ihre Argumentation wird von Gegnern und Befürwortern der Kernenergie sehr genau verfolgt werden. Möglicherweise ergeben sich aus dem Urteil auch rechtliche Konsequenzen, die einen weiteren Betrieb von kerntechnischen Anlagen in Deutschland auf dem Stand der derzeit geltenden Sicherheitsvorschriften unmöglich machen.
Quelle: ntv.de, dpa/rts