Politik

Viele Zivilisten unter den Opfern Ägypten zählt seine Toten

Noch liegen die angegeben Opferzahlen von Regierung und Muslimbrüdern weit auseinander.

Noch liegen die angegeben Opferzahlen von Regierung und Muslimbrüdern weit auseinander.

(Foto: AP)

In Ägypten herrscht der Ausnahmezustand, nach der Räumung der Protestlage der Islamisten kehrt gespenstische Ruhe ein. Regierungsangaben zufolge starben über 500 Menschen. Trotz des Blutzvergießens betont Ministerpräsident Beblawi, zu der Aktion habe es keine Alternative gegeben. Doch die Muslimbrüder geben sich nicht geschlagen.

Bei den blutigen Unruhen in Ägypten sind nach offiziellen Angaben 525 Menschen ums Leben gekommen. Das teilte das Gesundheitsministerium mit. Die meisten Todesopfer seien Zivilisten. Das Ministerium erklärte, 202 Tote habe man allein rund um das Protestlager der Islamisten vor der Rabea-al-Adawija-Moschee in Kairo gezählt. Auf dem bereits am Mittwochvormittag geräumten Al-Nahdha-Platz im Bezirk Giza starben demnach 78 Menschen. Dutzende Tote gab es am Mittwoch und in der Nacht zudem bei Attacken von Sympathisanten der Islamisten in verschiedenen Provinzen.

Die Muslimbrüder sprachen ihrerseits von insgesamt 2200 Toten und mehr als 10.000 Verletzten. Am Mittwoch war die Räumung von zwei Protestcamps der Muslimbrüder in der Hauptstadt Kairo blutig eskaliert. Auch in anderen Städten gab es Ausschreitungen.

Die Muslimbrüder riefen zu neuen Protesten gegen die Übergangsregierung auf. Das ägyptische Nachrichtenportal "youm7" berichtete, die Sicherheitskräfte befürchteten dann "eine neue Welle der Gewalt", wenn die Islamisten an diesem Freitag erneut demonstrieren wollten. Die Sicherheitskräfte kündigten an, keine neuen Protestlager zu tolerieren.

Die Gewalt wurde international scharf kritisiert. Übergangspräsident Adli Mansur verhängte einen einmonatigen Ausnahmezustand für das ganze Land. Nicht überall wurde die nächtliche Ausgangssperre beachtet. Dennoch blieb es in der Nacht weitgehend ruhig. Allerdings gingen die Angriffe von Extremisten auf christliche Kirchen und Besitztümer weiter. Aus Sicherheitskreisen hieß es, in Abanub in der Provinz Assiut sei eine koptische Kirche niedergebrannt worden. Christliche Aktivisten und lokale Medien hatten nach dem Beginn der Räumung der Islamisten-Protestlager in Kairo von Attacken auf Kirchen, christliche Schulen und Geschäfte, die Christen gehören, in mehreren Provinzen berichtet.

Von Gegenwehr überrascht

Übergangsregierungschef Hasem al-Beblawi verteidigte am Mittwochabend das Vorgehen der Regierung. Kein Staat mit Selbstachtung könne Protestcamps über einen Zeitraum von anderthalb Monaten akzeptieren, sagte er im Fernsehen. Zugleich versicherte Al-Beblawi, er halte an dem eingeschlagenen Kurs hin zu Neuwahlen Anfang 2014 fest.

Das Innenministerium erklärte, die Sicherheitskräfte seien angewiesen worden, bei der Räumung der Protestcamps nur Tränengas und keine Schusswaffen einzusetzen. Doch als sie in den Protestlagern ankamen, seien sie von Schüssen überrascht worden. In den beiden Camps hatten sich die Muslimbrüder seit dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi durch das Militär am 3. Juli versammelt. Sie fordern Mursis Wiedereinsetzung.

Internationale Sorge

US-Außenminister John Kerry drängte die Armee und die Übergangsregierung, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sowie eine Verfassungsänderung zu ermöglichen. Die Europäer äußerten sich zurückhaltender: Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte ein sofortiges Ende der Gewalt, während Brüssel, London und Rom alle Seiten zur Zurückhaltung aufforderten. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte "aufs Schärfste" die Gewalt. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius forderte die UNO zu einer gemeinsamen Erklärung in diesem Sinne auf.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sprach von einem "Massaker" und rief den UN-Sicherheitsrat und die Arabische Liga zur Intervention auf. Der internationalen Gemeinschaft warf er vor, durch ihre nachsichtige Haltung gegenüber dem "Staatsstreich" des Militärs Mitverantwortung für den blutigen Einsatz am Mittwoch zu tragen. Der Iran sprach ebenfalls von einem "Massaker" an der Bevölkerung und warnte vor einem Abgleiten in den Bürgerkrieg.

Quelle: ntv.de, AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen