Razzien gegen Organisationen in Kairo Ägyptens Militärrat scharf kritisiert
30.12.2011, 19:00 Uhr
Ägyptisches Militär steht Wache, während ein Büro durchsucht wird.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Die Durchsuchung der Büros ausländischer Organisationen in Kairo stößt auf scharfe Kritik. Das Auswärtige Amt bestellt den ägyptischen Botschafter ein und fordert eine Aufhebung der Behinderungen. Von den Razzien ist auch die Konrad-Adenauer-Stiftung betroffen. Deren Büro darf nicht betreten werden. Auch USA und EU zeigen sich besorgt.
Nach den Razzien bei internationalen Einrichtungen in Ägypten steht der regierende Militärrat unter massiver Kritik. Die Bundesregierung protestierte beim ägyptischen Botschafter scharf gegen die Durchsuchung des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Kairo. Dem ins Auswärtige Amt (AA) einbestellten Diplomaten sei klar gemacht worden, dass dieses Vorgehen aus deutscher Sicht inakzeptabel sei, teilte Ministeriumssprecher Andreas Peschke mit.
Man habe die Erwartung von Außenminister Guido Westerwelle geäußert, dass die Behinderungen für die Arbeit der Stiftung umgehend aufgehoben werden müssten. Das Vorgehen der ägyptischen Behörden widerspreche dem Geist der deutsch-ägyptischen Erklärung vom August über eine Transformationspartnerschaft für den demokratischen Wandel. Der Diplomat habe zugesagt, die "klare Botschaft" an die zuständigen Stellen in Kairo weiterzuleiten, sagte Peschke.
Das US-Außenministerium zeigte sich "tief besorgt" und rief die ägyptische Regierung auf, "die Schikanierung von Nichtregierungsorganisationen und ihren Mitarbeitern zu beenden". US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland betonte: "Wir glauben nicht, dass diese Aktionen gerechtfertigt sind." Nach Angaben aus Washington hat Ägypten inzwischen zugesichert, Durchsuchungen der Büros von US- und anderen prodemokratischen Gruppen zu unterlassen. Die US-Botschafterin in Kairo, Anne Patterson, habe eine entsprechende Zusage von ägyptischen Regierungsvertretern erhalten, sagte ein US-Regierungsvertreter in Washington. Die Zusage stamme auch von Vertretern des Obersten Militärrates. Demnach wollen die ägyptischen Behörden auch das beschlagnahmte Material zurückgeben.
Auch die EU zeigte sich besorgt. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte die ägyptischen Behörden auf, den Organisationen zu ermöglichen, ihre Arbeit fortzusetzen. Das Büro der UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay bezeichnete die Razzien als Einschüchterungsversuch.
Bund stellt Gelder zur Verfügung
Nach Angaben Peschkes stellt die Durchsuchungsaktion bei 17 Organisationen auch einen Rückschlag für die Bemühungen um den Aufbau einer Zivilgesellschaft in Ägypten dar. Das Vorgehen dürfe kein Vorbote dafür sein, dass dieser Prozess wieder umgekehrt werde. Auch Entwicklungsminister Dirk Niebel zeigte sich besorgt über das Vorgehen der Behörden in Ägypten.
Die Bundesregierung hat den parteinahen Stiftungen für den Aufbau von demokratischen Strukturen in Ägypten und anderen Umbruchländern zusätzliche Gelder zur Verfügung gestellt. Dazu gehören aus dem Haushalt des Entwicklungsministeriums 5 Millionen Euro für einen Demokratiefonds, 8 Millionen für einen Beschäftigungsfonds sowie 23 Millionen für einen Wirtschaftsfonds. Dazu kommen zunächst bis 2013 noch jährlich je 50 Millionen Euro aus dem Etat des AA.
Nach Angaben Peschkes gibt es derzeit keine Pläne, die Gelder für Ägypten zu stoppen. Falls die Behörden in Kairo allerdings ihre Haltung nicht änderten, werde dies nicht ohne Rückwirkungen bleiben. Die Justizbehörden des nordafrikanischen Landes hatten lokalen Medien zufolge bei dem Einsatz nach Hinweisen gesucht, ob die ins Visier geratenen Organisationen ohne Lizenz arbeiteten und ohne Erlaubnis der ägyptischen Behörden aus dem Ausland Geld erhalten hatten.
KAS-Büro versiegelt
Nach Angaben des KAS-Vorsitzenden Hans-Gert Pöttering beschlagnahmten Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Durchsuchung sämtliche Computer und zahlreiche Dokumente der CDU-nahen Stiftung und versiegelten das Büro. Dem Büroleiter seien keine Dokumente vorgelegt worden, in denen die Vorwürfe konkretisiert würden. Die Adenauer-Stiftung arbeitet seit mehr als 30 Jahren in Ägypten.
Ägyptische Menschenrechtsgruppen verurteilten das Vorgehen der Sicherheitsbehörden und warfen dem Militärrat eine Einschüchterungskampagne vor. "Mit dieser Kampagne will der Militärrat die Aktivisten, Menschenrechtsgruppen und Kräfte der Januar-Revolution diffamieren und stigmatisieren", erklärten 27 Bürgerrechts-Gruppen in einer gemeinsamen Stellungnahme. Ein solches Vorgehen habe es nicht einmal zur Zeit des gestürzten Präsidenten gegeben.
Friedensnobelpreisträger Mohammed al Baradei twitterte: "Menschenrechtsgruppen sind ein Symbol für Freiheit". Er kündigte an, dass alle Versuche, diese Organisationen zu beschädigen, genau beobachtet würden. Nach Angaben der ägyptischen Zeitung "Al-Akhbar" wurden während der Durchsuchungen 27 Menschen festgenommen, weil sie unter Verdacht stünden, illegale ausländische Finanzhilfen bekommen zu haben.
Die deutsche Wirtschaft hofft derweil auf eine baldige Beruhigung der Lage. Eine Ausländerhatz sieht sie aber nicht. "Die Volatilität dauert schon viel zu lange an", sagte der Geschäftsführer der Deutsch-Arabischen Handelskammer in Kairo, Rainer Herret. Die jüngsten politisch dramatischen Übergriffe beeinträchtigten die Interessen der Unternehmer nicht. "Es handelt sich um einen klaren innenpolitischen Konflikt: Ein altes Regime, das sich gegen den Wechsel wehrt."
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP