Justiz boykottiert Referendum Ägyptens Richter legen sich quer
02.12.2012, 21:39 Uhr
Pro-Mursi-Demonstranten protestieren vor dem Obersten Gericht.
(Foto: REUTERS)
Im Schnellverfahren will Ägyptens Präsident Mursi eine neue Verfassung per Referendum legitimieren lassen. Die Richter des Landes sollen die Abstimmung eigentlich beaufsichtigen. Doch das lehnen diese jetzt ab. Zuvor ist bereits das oberste Gericht des Landes in den Streik getreten.
Die ägyptischen Richter haben offiziell die Aufsicht über das geplante Verfassungsreferendum abgelehnt. "Alle Richter Ägyptens und die Richter-Klubs außerhalb der Hauptstadt sind darin übereingekommen, das Referendum über ein Verfassungsprojekt nicht zu beaufsichtigen und es zu boykottieren", erklärte der Vorsitzende des Richterklubs, Ahmed al-Sind, laut der amtlichen Nachrichtenagentur Mena.
Zuvor hatte bereits das ägyptische Verfassungsgericht wegen anhaltender "psychologischer und materieller Pressionen" seine Arbeit auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Damit reagierten sie auf die Pro-Mursi-Demonstrationen vom Wochenende. Die Proteste seien ein "psychologischer Mordanschlag", hieß es in einer Erklärung des Gerichts. Die Richter würden ihre Arbeit erst wieder aufnehmen, wenn der Druck auf sie beendet werde. Das Gericht hatte im Sommer eine frühere Verfassungsversammlung als unrechtmäßig aufgelöst. Um eine erneute Auflösung zu verhindern, hatte Mursi im November in einem umstrittenen Dekret der Justiz die Auflösung der Versammlung und des ebenfalls von den Islamisten dominierten Oberhauses verboten.
Referendum soll am 15. Dezember stattfinden
Mehrere Hundert Islamisten hatten am frühen Morgen vor dem Gerichtsgebäude demonstriert und lautstark die "Säuberung der Justiz" gefordert. Medienberichten zufolge vertagten die Richter daraufhin das Verfahren über die Rechtmäßigkeit der von Islamisten dominierten Verfassunggebenden Versammlung und der zweiten Parlamentskammer.
Staatschef Mohammed Mursi will am 15. Dezember über eine neue Verfassung abstimmen lassen. Der im Schnellverfahren von der Verfassunggebenden Versammlung abgesegnete Text soll die alte Verfassung aus der Ära des 2011 gestürzten langjährigen Staatschefs Husni Mubarak ersetzen.
Mursi setzt Justiz ins Abseits
In dem Entwurf werden unter anderem die "Prinzipien der Scharia" als die "wichtigste Quelle der Gesetzgebung" genannt. Zudem werden der Islam zur Staatsreligion und das Arabische zur offiziellen Sprache gemacht.
Die Verfassunggebende Versammlung war von der liberalen und laizistischen Opposition sowie Vertretern der christlichen Kirchen boykottiert worden. Sie warfen den die Versammlung dominierenden Islamisten vor, diese wollten ihre Werte mit aller Macht durchsetzen. Gegner und Befürworter des Verfassungsentwurfs hatten in den vergangen Tagen in Massen protestiert.
Präsident Mursi hatte sich in der vergangenen Woche zudem per Dekret weitreichende neue Vollmachten gegeben. Unter anderem entzog er seine Entscheidungen der Prüfung und Aufhebung durch die Justiz.
Quelle: ntv.de, AFP/rts