"So geht das nicht weiter" Aigner reißt der Geduldsfaden
16.01.2011, 08:42 UhrDie erneute Sperrung von 1000 Höfen veranlasst Landwirtschaftsministerin Aigner, die Zügel anzuziehen. Sie verlangt mehr Kompetenzen für den Bund in der Futtermittelkontrolle. Ihre Forderung nach personellen Konsequenzen in Niedersachsen nach dem jüngsten Zwischenfall verhallt ungehört.

Aigner fühlt sich ohne größere Bundeskompetenzen machtlos.
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner fordert als Konsequenz aus dem sich ausweitenden Dioxin-Skandal mehr Bundeskompetenzen bei der Futtermittelkontrolle. "Gegenwärtig verbietet es mir das Grundgesetz, die Kontrollpraxis (der Länder) zu kontrollieren", schilderte Aigner der "Bild am Sonntag" ihr Dilemma. Es könne nicht sein, dass "der Bund politisch haftbar gemacht" werde, sobald es in einem Bundesland zum Skandal komme. Zuvor war bekanntgeworden, dass bundesweit weitere 1000 landwirtschaftliche Betriebe wegen Dioxinverdachts gesperrt wurden.
"So geht das nicht weiter", wetterte die Ministerin. "Wir brauchen mehr Kontrollen und bundeseinheitliche Kontrollstandards." Für Dienstag habe sie ihre Länderkollegen zum Gespräch eingeladen.
Der Grund für die neuerliche Ausweitung des Dioxinskandals: Ein Tierfutterhersteller im niedersächsischen Damme, ein Kunde der Firma Harles und Jentzsch - dem mutmaßlichen Ausgangspunkt des Dioxins im Tierfutter - soll Lieferdaten nicht an die Behörden gemeldet haben. Das Futter sei an 934 Betriebe gegangen, auch in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Bayern, teilte das Bundeslandwirtschaftsministerium mit.
Ultimatum verstreicht

McAllister verspürt offenbar wenig Lust, Aigner ein Bauernopfer darzubieten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Aigner warf der Landesbehörde vor, ihr die Ausweitung des Skandals verschwiegen zu haben, und forderte Ministerpräsident David McAllister auf, bis Samstagabend personelle Konsequenzen zu ziehen. Das Ultimatum verstrich jedoch ohne Reaktion.
McAllister erklärte im Interview mit dem Radiosender "ffn": "Frau Aigner hat das gegenüber den Medien gefordert. Nicht mir gegenüber, und deswegen habe ich darauf nicht reagiert." Er habe am Morgen mit Aigner telefoniert, alles weitere habe er dann den Medien entnommen.
Der niedersächsische Agrar-Staatssekretär Friedrich-Otto Ripke verteidigte in der "Bild am Sonntag" die Arbeit seines Ministeriums und forderte von der Bundesministerin Sachlichkeit ein: "Wir machen unsere Arbeit. Wir entscheiden schnell und sauber in der Sache. Das wünsche ich mir auch vom Bundesministerium."
Ermittlungen gegen Futterhersteller
Der Futterhersteller in Damme leitete nach Angaben des Agrarministeriums in Hannover erst auf Druck der Behörden vollständige Lieferdaten weiter. Nach diesen neuen Informationen seien weitere Höfe vorsorglich gesperrt worden. In Niedersachsen dürften derzeit rund 900 Betriebe keine Waren vermarkten. Das Ministerium geht davon aus, dass etwa zehn Tage lang vor allem Eier auf den Markt gelangt sein könnten.
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg nahm Ermittlungen gegen den Futterhersteller auf und ließ die Geschäftsräume durchsuchen. Die Beamten wollten Beweismaterial sicherstellen.
Das Landwirtschaftsministerium in Hannover ist derzeit ohne Chef: Der neue Agrarminister Gert Lindemann wird nach dem Rücktritt von Astrid Grotelüschen erst an diesem Mittwoch vereidigt.
Lob von den Grünen
Aigner war selbst unter Druck geraten, weil sie erst nach einigen Tagen öffentlich auf den Dioxin-Skandal reagiert und zunächst auf die Länder verwiesen hatte. Sowohl die Opposition als auch die Bundeskanzlerin kritisierten ihr Krisenmanagement.
Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn lobte Aigner für die Forderung nach personellen Konsequenzen in Niedersachsen. "Man hat ja das Gefühl, dass in dem Bundesland, wo das meiste Fleisch erzeugt wird, nicht genau hingeguckt wird, wie das passiert", sagte sie dem Berliner "Tagesspiegel".
Quelle: ntv.de, dpa/AFP