Kennzeichnung von Lebensmitteln Aigner zögert noch
03.02.2009, 21:17 UhrBundesverbraucherministerin Ilse Aigner hält sich die Entscheidung über eine Lebensmittelkennzeichnung in Ampelfarben noch offen. "Frau Aigner ist für eine bestmögliche Verbraucherinformation", hieß es aus Ministeriumskreisen nach einem Treffen der CSU-Ministerin mit Spitzenvertretern der Ernährungsindustrie, des Handels und der Verbraucherzentralen. Die Gespräche seien konstruktiv verlaufen. Nun müsse geprüft werden, was über die jetzige freiwillige Kennzeichnung von Kalorien, Zucker, Salz und Fett hinaus möglich sei. Die Industrie lehnt eine Ampel-Kennzeichnung als zu einfach ab.
Der Druck auf Aigner wächst. Die SPD-Fraktion, die Opposition, die Verbraucherminister der Länder sowie Verbraucherschützer und Innungskrankenkassen forderten die Einführung der Ampel-Kennzeichnung. "Es gibt eine klare Mehrheit in der Bevölkerung für eine Ampel-Kennzeichnung, und die Bundesländer fordern eine Ampel-Kennzeichnung", sagte SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber. Aigner bleibe sonst auf einer "verbraucherfeindlichen Position".
"Deutschland könnte hier Vorreiter sein"
Die Ernährungsindustrie blieb nach dem Treffen bei ihrer Absage an Ampelfarben. "Wir wollen keine Bewertung", sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Matthias Horst. "Wir wollen eine objektive Kennzeichnung." Einig seien sich Wirtschaft, Bund und Länder darin, dass es keinen nationalen Alleingang geben solle. Die Ernährungsindustrie gehe davon aus, dass EU-weit künftig die Kalorienangabe in Prozent zur Tagesration verpflichtend sein werde. Ob dies auch für Zucker, Salz und Fett gelten werde, sei offen.
Die Ampel berge die Gefahr, "dass man nur noch rot sieht und am Ende nur noch grüne Lebensmittel kauft", sagte der Geschäftsführer des Bundes für Lebensmittelrecht und -kunde, Peter Loosen, dem MDR. Das könne auch zu Mangelernährung führen. Der Markenverband warnte vor einer Diskriminierung hochwertig hergestellter Lebensmittel.
Die Innungskrankenkassen halten das Ampel-System dagegen für sinnvoll. "Es muss einfach und schnell erkennbar sein, ob der Einkauf gesund oder nicht gesund ist", teilte der Geschäftsführer des Bundesverbands der Innungskrankenkassen, Rolf Stuppardt, mit. Die Vorsitzende der Verbraucherministerkonferenz der Länder, Berlins Linke-Senatorin Karin Lompscher, forderte eine europaweite verbindliche Kennzeichnung in Ampelfarben. "Deutschland könnte hier Vorreiter sein", sagte sie der "Passauer Neuen Presse".
Notfalls Alleingang in Europa
Bei dem Ampel-Modell stehen Rot, Gelb und Grün für einen hohen, mittleren oder niedrigen Anteil an Zucker, Salz oder Fett. In Großbritannien gibt es diese Regelung bereits auf freiwilliger Basis. In Deutschland hatten Wirtschaft und Aigners Vorgänger Horst Seehofer (CSU) ein System vereinbart, bei dem Kalorien, Zucker, Fett, Salz und gesättigte Fettsäuren in Prozent vom Tagesanteil angegeben werden. Seehofer hatte sich für ein Farbsystem ausgesprochen, nachdem eine Umfrage hierfür eine Mehrheit in der Bevölkerung ergeben hatte.
Der FDP-Verbraucherpolitiker Hans-Michael Goldmann warnte vor einer erzwungenen Regelung in Rot, Gelb und Grün. Die Linksfraktion sieht die Ampel-Kennzeichnung als Mutprobe für Aigner. "Fett- oder zuckerreiche Kalorienbomben müssen beim Einkauf auf den ersten Blick zu erkennen sein." Auch die Grünen dringen auf das Ampel-System.
Nach Ansicht der Verbraucherorganisation Foodwatch sollte Deutschland notfalls einen europäischen Alleingang unternehmen. In der EU ist noch offen, welches System sich zur verbesserten Lebensmittelkennzeichnung durchsetzt.
Quelle: ntv.de