Prozess in der Türkei Akhanli kommt frei
08.12.2010, 16:05 Uhr
Autor Akhanli wird zum Gericht gebracht.
(Foto: dpa)
Der türkischstämmige Kölner Autor Dogan Akhanli wird aus der Untersuchungshaft entlassen. Das hat ein Gericht in Istanbul entschieden. Ein dringender Tatverdacht sei nicht gegeben. Die türkische Justiz hatte den Autor wegen Raubs und Totschlags angeklagt. Der Prozess soll am 9. März fortgesetzt werden.
Akhanlis Anwälte hatten zum Prozessauftakt alle Vorwürfe zurückgewiesen. Sie wollen einen Freispruch für den Schriftsteller beantragen, der sich wegen Raubs und Totschlags vor Gericht verantworten muss.
Akhanli wird vorgeworfen, vor 21 Jahren an einem Raubüberfall auf eine Wechselstube in Istanbul beteiligt gewesen zu sein. Der Besitzer war damals getötet worden.
Akhanli, der deutscher Staatsbürger ist, hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Seine Anwälte haben erklärt, die Beschuldigungen gegen den politisch missliebigen Autor seien konstruiert und unter Folter erpresst, später aber widerrufen worden.
Politisch verfolgt
Nach dem türkischen Militärputsch 1980 war Akhanli in den Untergrund gegangen. Er wurde als Mitglied der kommunistischen TDKP gesucht und 1984 verhaftet. Von 1985 bis 1987 war er in Istanbul in einem Militärgefängnis inhaftiert. In dieser Zeit wurde er auch gefoltert, wie er berichtet hat. Im Jahr 1991 setzte er sich nach Deutschland ab, wo er als politischer Flüchtling anerkannt wurde und später die deutsche Staatsbürgerschaft annahm.
Akhanli ist Mitarbeiter des Vereins "recherche international", der sich mit der Aufarbeitung der im vergangenen Jahrhundert begangenen Völkermorde befasst und auch die Verbrechen an den Armeniern immer wieder zum Thema gemacht hat. Der 1957 in der Türkei geborene Autor hatte sich im Buch "Die Richter des jüngsten Gerichts" selbst mit der Verfolgung der Armenier befasst.
Sein Roman "Der letzte Traum der Madonna" (2005) wurde von türkischen Kritikern zu einem der zehn besten des Jahres gekürt. In Deutschland wurden seine Projekte für einen offenen Umgang mit historischer Gewalt und für Versöhnung mehrfach ausgezeichnet, etwa vom Bündnis für Demokratie und Toleranz.
Wallraff fordert Freilassung
Das Verfahren wird von deutschen Unterstützern Akhanlis beobachtet. Darunter ist auch der Schriftsteller Günter Wallraff. Er sprach nach der Freilassungsentscheidung von einer "großen Freude". Der öffentliche Druck habe Wirkung gezeigt. "Dieser Prozess könnte ein Leuchtzeichen sein", fügte er hinzu. Vor der Verhandlung hatte Wallraff von einer Bewährungsprobe für die türkische Demokratisierung gesprochen.
Akhanlis Schwester Edibe sagte, sie hoffe auf einen endgültigen Freispruch bei der Fortsetzung des Prozesses im März. Albrecht Kieser von der Kölner Organisation Recherche International, bei der sich Akhanli engagierte, betonte, der Verzicht des Gerichts auf ein Ausreiseverbot für Akhanli deute darauf hin, dass auch die Richter offenbar nicht an die Schuld des Autors glaubten.
. Er war in die Türkei gereist, um seinen todkranken Vater zu treffen, der Ende November gestorben ist, ohne den Sohn noch einmal zu sehen. Auch Amnesty International und deutsche Diplomaten verfolgen den Prozess.
Quelle: ntv.de, dpa