Kriegstag in Israel im ÜberblickAlles wartet auf die Entscheidung über eine Bodenoffensive

Nach dem Großangriff der Hamas hat Israel noch nicht über den Start einer Bodeninvasion im Gazastreifen entschieden. Dass Präsident Netanjahu die Miliz "zerstören" will und Vorbereitungen in der Armee laufen, macht sie realistischer. Die Luftwaffe sorgt derweil mit Luftangriffen in Syrien für Aufsehen.
Israel hat fünf Tage nach dem Großangriff der Hamas auch Luftangriffe in Syrien geflogen und dabei am Donnerstag die Flughäfen von Damaskus und Aleppo lahmgelegt. Ziel des Angriffs waren "Waffenlieferungen aus Iran mit Raketen und Drohnen", die gegen Israel eingesetzt werden sollten, wie Israels Botschafter Ron Prosor sagte. Bei den Luftangriffen seien die Rollfelder der beiden wichtigsten Flughäfen des Landes beschädigt worden, berichtete das syrische Staatsfernsehen. Der israelische Botschafter Prosor sagte im Sender Welt TV, das Ziel des Angriffs seien "Waffenlieferungen aus Iran mit Raketen und Drohnen" gewesen, die gegen Israel eingesetzt werden sollten. Dem Iran wird vorgeworfen, die Hamas und die Hisbollah im Libanon mit Waffen zu unterstützen.
Während US-Außenminister Antony Blinken bei einem Besuch in Tel Aviv die Unterstützung Washingtons für Israel bekräftigte, sicherten auch die NATO-Staaten dem Land ihre Solidarität zu - mahnten zugleich aber "Verhältnismäßigkeit" bei der Gegenreaktion an.
Bei ihrem Großangriff auf Israel am Samstag hatte die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas nach neuen Angaben der israelischen Regierung 1200 Menschen, überwiegend Zivilisten, getötet und rund 150 Geiseln in den von ihr beherrschten Gazastreifen verschleppt. Die israelische Armee nahm den Gazastreifen daraufhin unter Dauerbeschuss.
Kampfflugzeuge und Drohnen warfen bislang nach Armeeangaben rund 6000 Bomben mit insgesamt 4000 Tonnen Sprengstoff über dem dicht besiedelten Palästinensergebiet ab. Nach palästinensischen Angaben gab es dabei bislang mehr als 1350 Todesopfer. Die Hamas hatte gedroht, Geiseln zu töten, wenn Israel im Gazastreifen weiterhin zivile Ziele ohne vorherige Warnung bombardiert.
Israel: Lebensmittel gegen Geiseln
Die israelische Regierung kündigte an, den Gazastreifen so lange von der Versorgung mit Lebensmitteln, Strom und Benzin abzuschneiden, bis die in den Küstenstreifen verschleppten Menschen freigelassen werden. "Es wird kein elektrischer Schalter umgelegt, kein Wasserhahn geöffnet und kein Treibstofftransporter einfahren, bevor die israelischen Entführten nach Hause zurückgekehrt sind", erklärte Energieminister Israel Katz. Bei den Geiseln handelt es sich um Israelis, darunter auch viele Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit, und Ausländer. Nach Angaben des Auswärtigen Amts in Berlin wurden auch mehrere Menschen mit israelischer und deutscher Staatsbürgerschaft verschleppt. Die Mutter der vermissten Shani Louk will den Glauben daran, dass ihre Tochter eines Tages zurückkehrt, nicht verlieren.
Israel hatte den Gazastreifen nach dem Großangriff der Hamas vollständig abgeriegelt, die Einfuhr von Treibstoff, Lebensmitteln und Trinkwasser wurde eingestellt. Das einzige Kraftwerk im Gazastreifen musste bereits wegen Treibstoffmangels abgeschaltet werden. "Das von der Eskalation verursachte menschliche Elend ist abscheulich", erklärte der Regionaldirektor des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) für den Nahen Osten, Fabrizio Carboni. Ohne Strom würden sich die Krankenhäuser bald in Leichenhallen verwandeln.
Armee bereitet sich auf mögliche Invasion vor
International waren zuvor Rufe nach einem humanitären Korridor laut geworden, auch um Palästinensern die Flucht vor einer möglichen israelischen Bodenoffensive zu ermöglichen. Der israelische Armeesprecher Richard Hecht sagte, die Entscheidung über eine mögliche Bodeninvasion sei noch nicht gefallen. Das Militär warte ab, "was unsere politische Führung" entscheiden werde. Das Militär bereite sich für den Fall vor. Präsident Netanjahu betonte in einer TV-Ansprache, Israel werde die Hamas "zerquetschen und zerstören".
Am Donnerstag sind derweil die ersten Evakuierungs-Sonderflüge der Lufthansa in Frankfurt gelandet. Die erste Maschine mit nach Angaben des Auswärtigen Amtes 372 Deutschen an Bord kam aus Tel Aviv. Am Freitag sollen erneut insgesamt vier Flugzeuge deutsche Staatsbürger aus Israel ausfliegen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wird hingegen zu einem Solidaritätsbesuch in das Land reisen.
"Ihr Schweigen ist beschämend"
Bundeskanzler Olaf Scholz kritisierte im Bundestag am Donnerstag das Verhalten der palästinensischen Autonomiebehörde scharf: "Wo bleibt die klare Verurteilung der terroristischen Gewalt durch die Autonomiebehörde und durch ihren Präsidenten, Mahmud Abbas?", sagte Scholz. "Ich sage: Ihr Schweigen ist beschämend." Der SPD-Politiker kündigte zudem ein Verbot des Vereins Samidoun an.
Bei einem Treffen mit dem Emir von Katar im Bundeskanzleramt in Berlin würdigte Scholz die "humanitären Bemühungen" des Golfstaats im Zusammenhang mit den von der Hamas verschleppten Geiseln. Katar gilt als ein Hauptfinanzier der Hamas, die auch in der EU als Terrororganisation eingestuft ist.
Der Kanzler bekräftigte in dem Gespräch mit Scheich Tamim bin Hamad Al Thani den Angaben zufolge, "dass Deutschland unverrückbar an der Seite Israels steht und den terroristischen Angriff auf das Schärfste verurteilt". Israel habe das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich und seine Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen.