Israel-Debatte im Bundestag Scholz, Merz und Co. reden ganz anders miteinander


Fünf Tage nach den Terror- und Mordanschlägen der Hamas in Israel diskutiert der Bundestag die Ereignisse. Durch die Bank versichern die Redner Israel des deutschen Beistands. Hier und da gibt es sorgfältig versteckte Aufrufe zur Mäßigung.
Es war an diesem Morgen im Bundestag nicht nur Kanzler Olaf Scholz und CDU-Chef Friedrich Merz anzumerken, wie sehr sie die grausamen und mörderischen Angriffe der Hamas-Terroristen auf Israel getroffen haben. Seien es Fraktionschefs wie Rolf Mützenich (SPD), Christian Dürr (FDP) oder Katharina Dröge (Grüne) - alle zeigten sich tief erschüttert und versicherten Israel, vertreten durch Botschafter Ron Prosor auf der Besuchertribüne, der uneingeschränkten Solidarität und des Beistands aus Deutschland.
"Liebe Freundinnen und Freunde in Israel, wir trauern und bangen mit Euch!", sagte Scholz in seiner Regierungserklärung. "In diesem Moment gibt es für Deutschland nur einen Platz: Den Platz fest an der Seite Israels. Das meinen wir, wenn wir sagen: Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson." Das Wort von der Staatsräson hatte einst Kanzlerin Angela Merkel bei einer Rede in der Knesset geprägt - Scholz hat es seit den Anschlägen schon mehrfach wiederholt. Auch die meisten anderen Redner schlossen sich dem an diesem Morgen an. Infrage gestellt wurde das Wort nicht.
Nicht nur deswegen war es eine Sitzung seltener Überparteilichkeit und Einstimmigkeit: Gemeinsam beschlossen die Fraktionen einen Entschließungsantrag, in dem sie die Gewalt der Hamas verurteilten und Israel Beistand versprechen - auch AfD und Linke stimmten mit.
Verein Samidoun wird verboten
Scholz rief im Plenum die grausamen Taten in Erinnerung und machte klare Ankündigungen: Der antisemitische Verein Samidoun werde verboten. Die Hamas wird mit einem Betätigungsverbot für Deutschland belegt. Neue Entwicklungshilfe für die palästinensischen Gebiete wird es erstmal nicht geben. Am Morgen war bekannt geworden, dass Israel um Munition für Kriegsschiffe gebeten habe und sie auch bekommen wird. Deutschland wird außerdem zwei Drohnen, die von Israel geleast wurden, zurückgeben.
Dass es eine besondere Debatte war, zeigte sich auch, als CDU-Chef Merz ans Rednerpult trat. Statt die übliche Standpauke in Richtung Regierungsbank zu halten, bedankte sich der Oppositionsführer beim Bundeskanzler für seine Regierungserklärung - und dann auch bei Grünen-Chef Omid Nouripour dafür, dass dieser am Wochenende eine gemeinsame Erklärung der Ampel- und der Unionsparteien organisiert hatte. "Auch wir nehmen diesen Tag in unsere Geschichtsbücher auf", sagte Merz an Israel gewandt. "Sie sind mit Ihrer Trauer nicht allein." Für diesen "feigen und abscheulichen Exzess der Gewalt" gebe es "keinerlei Rechtfertigung".
Er forderte ein entschlosseneres Vorgehen gegen Antisemitismus, sei es auf der Kunstaustellung Documenta in Kassel oder auf den Straßen deutscher Städte. "Bilder wie am Sonntag" - er meinte feiernde Hamas-Sympathisanten in Berlin-Neukölln - seien unerträglich und müssten abgestellt werden. Auch die meisten anderen Redner zeigten sich davon abgestoßen, zum Beispiel Grünen-Chef Nouripour: "Ich muss zugeben, dass mir als Deutschem islamischen Glaubens speiübel wird, wenn ich sehe, dass Leute feiern, wenn Zivilisten auf Musikfestivals abgeschlachtet werden", sagte er.
Islam-Zentrum in Hamburg schließen
An die Adresse von Innenministerin Nancy Faeser rief Merz: "Schließen Sie endlich das Islam-Zentrum in Hamburg!" Das wird schon lange vom Verfassungsschutz beobachtet und gilt als islamistisch mit engen Verbindungen in den Iran. Dass die Beziehungen zum Iran neu bewertet werden müssten, forderte nicht nur Merz. Auch Scholz hatte die Verbindung der Hamas zum Iran herausgestellt. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, wie Nouripour in Teheran zur Welt gekommen, bekräftigte seine Forderung, die Revolutionsgarden des Mullah-Regimes auf die Terrorliste der EU zu setzen.
Der frühere CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, forderte Scholz auf, bei seinem Treffen mit dem Emir von Katar anzusprechen, dass der die Hamas unterstützt, ihre Führung sogar in dessen Heimatstadt Doha residiere - allerdings gibt es andererseits die Hoffnung, dass Katar gerade wegen seiner Nähe zur Hamas bei der Befreiung der verschleppten Geiseln, darunter einige Deutsche, helfen kann. Die Staaten der Region müssten differenzierter betrachtet werden, forderte Laschet. Marokko, Bahrein, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Sudan hätten Israel anerkannt. Saudi-Arabien sei kurz davor gewesen - diese Friedenshoffnung habe die Hamas zerstören wollen.
An der Seite Israels "ohne Wenn und Aber", das war der Tenor der Debatte, quer durch alle Parteien. Denn diese "Wenns und Abers" waren auch in Deutschland zuletzt zu hören - etwa, indem Israels Gegenwehr mit Mord und Folter an Männern, Frauen und Kindern gleichgesetzt wurde. Leidenschaftlich wandte sich beispielsweise FDP-Fraktionschef Dürr dagegen: Er nehme es nicht hin, dass die Taten der Hamas mit der Verteidigung Israels gleichgesetzt würden. Täter und Opfer würden dabei vertauscht.
Kein Freiheitskampf, sondern Barbarei
An diesem Vormittag war davon aber nichts zu spüren, auch nicht bei den üblichen Verdächtigen in den Reihen der AfD oder der Linken. "Das ist kein Freiheitskampf, das ist Barbarei", sagte Dietmar Bartsch, der auch vom "Islamfaschismus" sprach. Für die Rechtspopulisten sprach Ex-Parteichef Alexander Gauland und sagte, das einzige Ziel der Hamas sei es, Juden zu töten. Er forderte ein Ende aller Zahlungen an palästinensische Organisationen. Letztlich profitiere immer die Hamas davon. Der Bundestagsalltag kehrte zeitweise zurück, als CDU-Politiker Laschet die AfD für Zwischenrufe zurechtwies, während er sprach.
So einmütig die Solidaritätsbekundungen waren, hier und da ließen sich auch vorsichtige, verklausulierte Appelle an Israel heraushören, sich zu mäßigen. "Jetzt gilt es den Terror klar zu bekämpfen", sagte etwa SPD-Chef Lars Klingbeil. "Die Perspektive auf einen nachhaltigen Frieden in der Region dürfen wir aber auch an solchen Tagen nicht aufgeben."
SPD-Fraktionschef Mützenich sagte, Frieden werde durch Staaten gemacht - sollte das eine Mahnung sein, die Zwei-Staaten-Lösung nicht aus den Augen zu verlieren? Jetzt werde der Überlebenskampf geführt, so der SPD-Fraktionschef, "aber zu einem späteren Zeitpunkt, wird Israel eigene Fehler und Versäumnisse aufarbeiten, da braucht Israel keinen Nachholbedarf, schon gar nicht von uns, sage ich allen, die meinen, spitzfindig etwas beitragen zu können". So etwas ließ sich als Mahnung an Israel auffassen, sich bei den Vergeltungsschlägen zu mäßigen.
Es war eine Bundestagsdebatte, die in Erinnerung bleiben wird. Die Botschaft, die die Redner aussenden wollten, war überdeutlich: Zwischen uns und Israel passt kein Blatt Papier. Was das konkret heißen könnte, blieb allerdings weitgehend offen. Die Frage muss in den kommenden Wochen beantwortet werden.
Quelle: ntv.de