Thüringen Althaus und sein Unfall
25.08.2009, 09:57 UhrIm thüringischen Landtagswahlkampf rückte der Skiunfall des Ministerpräsidenten alle anderen Themen in den Hintergrund. Spannend wird die Frage, ob die Linkspartei für die Möglichkeit einer rot-rot-grünen Regierungsbildung zugunsten der schwächeren SPD auf das Amt des Ministerpräsidenten verzichtet.

Althaus gegen den Rest: Der Ministerpräsident muss sein Amt gegen Linkspartei-Kandidat Ramelow und SPD-Spitzenkandidat Matschie verteidigen.
(Foto: dpa)
Worum geht es?
In Thüringen ist es die Wahl nach dem Skiunfall: Am Neujahrstag war Ministerpräsident Dieter Althaus mit einer Frau auf einer Skipiste in Österreich zusammengestoßen – die Frau starb, Althaus erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Monatelang war ungewiss, ob er je wieder auf die politische Bühne zurückkehren würde. So manchen Parteifreund stieß Althaus dann vor den Kopf, als er nach seinem Skiunfall einer Boulevardzeitung gegenüber seinen Seelen- und Gefühlszustand ausbreitete - und zugleich bei seiner Kür zum CDU-Spitzenkandidaten mit Hinweis auf seine angeschlagene Gesundheit fehlte. Seitdem hat Althaus den Unfall immer wieder in den Medien thematisiert, was vor allem bei der Opposition für Empörung sorgt, die darin ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver vermutet.
Doch Althaus bleibt beliebt und seine Partei führt in den Umfragen deutlich. Das dürfte vor allem SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie ärgern, der bereits Wochen vor seinen Konkurrenten mit dem Wahlkampf und einer Mammut-Tour durch Thüringen begann. Die SPD darf bei den Wahlen zwar auf Zugewinne hoffen und eine Regierungsbeteiligung hoffen, doch zu einem echten Konkurrenten für den Ministerpräsidenten ist Matschie nicht erwachsen. Um Regierungschef werden zu können, muss er deshalb auf die Linkspartei und ihre Bereitschaft hoffen, im Falle einer rot-rot-grünen Koalition auf den Posten des Regierungschefs zu berzichten.
Wie stehen die Umfragen?
Die Alleinherrschaft der CDU scheint nach zehn Jahren ihrem Ende entgegenzugehen: Die Partei von Ministerpräsident Althaus muss mit dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit rechnen. In Umfragen erreicht die CDU rund 35 Prozent (bei Forsa sogar 40). Die SPD liegt derzeit zwar leicht besser als noch vor fünf Jahren, bei knapp unter 20 Prozent, dennoch müssen die Sozialdemokraten den zweiten Platz wohl wieder der Linkspartei überlassen. Die Partei von Spitzenkandidat Bodo Ramelow rangiert bei etwa 25 Prozent. Vorbei sind in Thüringen auch die Zeiten eines Landesparlaments mit nur drei Parteien: Der Einzug der FDP gilt mit Umfragewerten zwischen 8 und 10 Prozent als sicher; die Grünen müssen mit 5 bis 6 Prozent noch zittern.
Aktuelle Umfragen und Landtagswahlergebnis 2004 im Vergleich:
forsa | Infratest Dimap | Landtagswahl 2004 | |
CDU | 40 % | 34 % | 43 % |
SPD | 16 % | 19 % | 14,5 % |
Linkspartei | 24 % | 24 % | 26,1 % (PDS) |
FDP | 6 % | 8 % | 3,6 % |
Grüne | 6 % | 6 % | 4,5 % |
Sonstige | 8 % | 9 % | 8,3 % |
Wer kann Ministerpräsident werden?
Theoretisch könnten CDU, Linkspartei und SPD den Regierungschef stellen. Praktisch aber werden Amtsinhaber Dieter Althaus die größten Chancen eingeräumt. Ganz im Sinne seiner Bundespartei strebt der CDU-Ministerpräsident eine schwarz-gelbe Koalition an. Diese würde aber mit dem Einzug der Grünen beim derzeitigen Stand der Umfragen eine Mehrheit verfehlen, so dass trotz des harten Wahlkampfs eine Große Koalition denkbar wäre. Es sei denn, die Grünen erklären sich zu einem Jamaika-Bündnis bereit. Ausgeschlossen haben sie es nicht.
Linkspartei-Spitzenkandidat Bodo Ramelow hat nur theoretische Chancen auf den Posten des thüringischen Regierungschefs. "Die SPD wird keinen Ministerpräsidenten der Linken wählen", hat SPD-Chef Christoph Matschie klargestellt. Wollen Linkspartei und SPD zusammen mit den Grünen Althaus also ablösen, müsste die Linkspartei zu einem Verzicht auf das Amt des Ministerpräsidenten bereit sein, selbst wenn sie mehr Stimmen als die SPD bekommt.
Welche Themen bestimmen die Wahl?
Der Skiunfall des thüringischen Ministerpräsidenten hat die anderen Themen in den Hintergrund rücken lassen. Schuld daran ist auch Althaus selbst, der in Interviews immer wieder seine Aufarbeitung des Unfalls zur Sprache brachte. Nicht nur die Oppositionsparteien unterstellten ihm deshalb, das tragische Ereignis für Wahlkampfzwecke zu instrumentalisieren. Weil das auch der Witwer des Unfallopfers "pietätlos" fand, bekam Althaus in der Schlussphase des Wahlkampfs einen "Maulkorb" verpasst – seitdem schweigt er dazu. Das Thema war zu diesem Zeitpunkt aber bereits zu dominant, um keine Rolle mehr zu spielen.
Weitere Streitpunkte im Wahlkampf sind Wirtschaft, Bildung und Energie. Die CDU, die von einer Krise lange nichts wissen wollte, sieht das mittelstandsgeprägte Thüringen in der Wirtschaftspolitik gut gerüstet. Mit der Aufstockung einiger Förder- und Bürgschaftsprogramme soll das Tief bewältigt werden. Linke und SPD fordern dagegen mehr Staatshilfen. Die Linke spricht sich außerdem dafür aus, dass der Staat kurzfristig Anteile von Firmen übernehmen soll, die nicht mehr über ausreichend Eigenkapital verfügen.
Die Bildungspolitik ist laut Umfragen das einzige Feld, auf dem der Opposition mehr Kompetenzen zugeschrieben wird als der Regierung. SPD, Linke und Grüne setzen auf längeres gemeinsames Lernen bis zur achten Klasse. CDU und FDP wollen an dem bestehenden zweigliedrigen Schulsystem mit Regelschule und Gymnasium festhalten und sehen sich durch die guten Ergebnisse bei Bildungstests wie Pisa bestätigt. Die Opposition votiert für zusätzliche Lehrer. Außerdem sollen 2000 Stellen für Erzieherinnen in Kindergärten eingerichtet werden. Die CDU hält das für unbezahlbar und will nur 500 neue Stellen schaffen.
Die Opposition drängt auf mehr Förderung für erneuerbare Energien. Damit soll ihr Anteil am primären Energieverbrauch von jetzt 14,4 auf über 35 Prozent im Jahr 2020 ausgebaut werden. In Thüringen säßen einige große Solarzellen-Hersteller, die Technik werde im Land jedoch kaum installiert. Für Streit sorgt auch das Votum der CDU für die Verlängerung der Atomkraftwerke sowie eine geplante Starkstromtrasse durch den Thüringer Wald.
Das sperrige Thema Strukturreform ist zudem ein Dauerbrenner. Nach Ansicht der Opposition sind 17 Kreise zu viel und Eisenach, Suhl und Weimar als kreisfreie Städte zu klein. Von einer Zusammenlegung erwartet die Opposition Einsparungen in Millionenhöhe. Die CDU will jedoch am Status quo nichts ändern. Allein kleine Orte sollen zusammengelegt werden, damit Einheiten mit mehr als 3000 Einwohnern entstehen.
Quelle: ntv.de, mit dpa