Politik

Ben Carson Amerikas zweiter schwarzer Präsident?

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(Foto: picture alliance / dpa)

Ausgerechnet ein Republikaner könnte der zweite schwarze US-Präsident werden – unmittelbar nach dem ersten. Denn Ben Carson hat eine Eigenschaft, die für konservative Wähler sehr viel interessanter ist als seine Hautfarbe.

Geschichte wiederholt sich doch – und manchmal tut sie das sogar sehr schnell. Die Vereinigten Staaten von Amerika brauchten über 200 Jahre, um ihren ersten afroamerikanischen Präsidenten zu wählen. Heute, ohne dass darüber besonders viel geredet würde, können sich Millionen US-Wähler vorstellen, auf den ersten auch gleich den zweiten schwarzen Präsidenten folgen zu lassen.

Jonathan Mann ist Korrespondent und Moderator bei CNN International.

Jonathan Mann ist Korrespondent und Moderator bei CNN International.

(Foto: CNN)

Der Republikaner Ben Carson, ein Neurochirurg im Ruhestand ohne jegliche politische Erfahrung, klettert in den Umfragen immer weiter nach oben. Dabei spricht sich der konservative Christ für die Vorzüge möglichst geringen Einflusses durch die Regierung, Eigenständigkeit und Glaube aus.

"Ich liebe es, wenn die Menschen auf mich zukommen und sagen: Aber Sie wurden doch noch nie in ein öffentliches Amt gewählt, Sie können keine Ahnung davon haben, was zu tun ist", sinnierte Carson zuletzt, um hinzuzufügen: "Lassen Sie mich dazu Folgendes sagen: die Arche Noah wurde von Amateuren gebaut, die 'Titanic' hingegen von Profis." Bleibt man bildlich bei der Seefahrt, könnte man sagen: Carson hat Wind in den Segeln.

Eine Parallele zu Obama

Er hat sich aus dem Mittelfeld des dichtbesetzten Bewerberfelds der republikanischen Kandidaten auf den zweiten Platz gearbeitet und ist mittlerweile ganz und gar nicht mehr weit von Milliardär Donald Trump entfernt. In mehreren Umfragen liegt der Stimmen-Unterschied zwischen den beiden im Rahmen der statistischen Fehlerspanne; ihre Ergebnisse sind also zu eng beieinander, um sagen zu können, wer tatsächlich vorne liegt. Trumps Zahlen stagnieren auf diesem Level, während die von Carson kontinuierlich steigen.

Der interessantere Vergleich ist wahrscheinlich ohnehin jener mit Barack Obama. Zwar haben die beiden vollkommen gegensätzliche politische Instinkte – was ihre Vergangenheit angeht gibt es jedoch eine herausstechende Parallele. Sowohl der 54-jährige Obama als auch der zehn Jahre ältere Carson wurden von willensstarken Müttern großgezogen, nachdem die Väter die Familien verlassen hatten.

In Carsons Autobiografie, einem von acht von ihm verfassten Büchern, schreibt er, dass seine Mutter eins von 25 Kindern ist und schon im Alter von 13 Jahren verheiratet wurde. Sie hatte zwei Kinder zur Welt gebracht, bevor sie feststellte, dass es sich bei ihrem Ehemann um einen Bigamisten handelte, der eine zweite Familie hatte. Carsons Mutter erzog daraufhin ihre beiden Söhne alleine.

Carson beschreibt seine Mutter als nahezu analphabetisch, er hingegen arbeitete so hart, dass er nicht nur an der prestigeträchtigen Yale Universität angenommen, sondern auch ein gefeierter Kinder-Gehirnchirurg wurde. Zu seinen Patienten zählten etwa am Kopf verbundene siamesische Zwillinge. Niemand hatte jemals zuvor erfolgreich auf diese Art verbundene Kinder getrennt.

"Die schlimmste Sache seit der Sklaverei"

Carson wird unter den Kandidaten sein, die an der nächsten Präsidentschaftsdebatte der Republikaner teilnehmen. In den Vereinigten Staaten findet diese am Dienstagabend, in Europa wird am frühen Mittwochmorgen statt, und Carson alleine könnte ein guter Grund sein, um einzuschalten. Er spricht mit sanfter Stimme und lässt sich Zeit, seine Worte zu wählen – deren Inhalt ist jedoch teils durchaus verblüffender Natur.

Das neue Gesundheitssystem der USA, bekannt als Obamacare, bezeichnete er als "die schlimmste Sache, die in diesem Land seit der Sklaverei geschehen ist". Carson möchte zwar für jeden US-Amerikaner Zugang zu gesundheitlicher Versorgung gewährleisten, dies solle jedoch ohne Eingreifen des Staats geschehen, da eine solche Einmischung der Regierung die Macht gebe, über das Leben oder Sterben der Bürger des Landes zu entscheiden.

Welche politischen Vorstellungen er auch haben mag, der Sklaverei-Vergleich war aus dem Munde eines Afroamerikaners definitiv bemerkenswert, insbesondere, da Carson seine Hautfarbe im Laufe des bisherigen Wahlkampfes nur selten zum Thema machte. Dies ist wohl eine der größten Überraschungen im Zusammenhang mit dem Kandidaten Carson. Anders als bei Barack Obamas Kandidatur vor acht Jahren scheint niemand seiner Hautfarbe große Beachtung zu schenken. Obama hat aus dem einst kaum vorstellbaren Bild eines schwarzen Mannes im Weißen Haus eine alltägliche und wohlbekannte Tatsache gemacht.

Ron Brownstein, politischer Analyst bei CNN, sagt, Carson habe für den in der Republikanischen Partei sehr einflussreichen Wählerblock der evangelikalen Christen ein Attribut, das sehr viel interessanter sei als seine Hautfarbe: Er spricht viel und offen über Religion.

"Von seinem Glauben profitiert er mehr als von der Tatsache, dass er schwarz ist. Nichtsdestotrotz bleibt es weiter ungewiss, ob Carson unter den weißen Wählern der Republikaner, insbesondere im Süden, auf Widerstände stoßen wird, sofern er sich bis tief in den Vorwahlprozess im Rennen halten kann."

Doch bis dahin ist der Arzt im Rennen – und die Prognose sieht vielversprechend aus.

Jonathan Mann moderiert die Sendung "Political Mann" auf CNN International, ausgestrahlt freitags um 00.30 Uhr. Wiederholungen werden sonntags, um 20.30 Uhr und montags um 11.00 Uhr gesendet.

Quelle: ntv.de

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