Ermittlungen wegen Geheimnisverrats Anfangsverdacht gegen Ex-Minister Friedrich
22.02.2014, 16:55 Uhr
Als Bundestagsabgeordneter genießt Friedrich Immunität.
(Foto: dpa)
Hat sich Ex-Innenminister Friedrich wegen Geheimnisverrats strafbar gemacht? Im Fall Edathy hat sich der Anfangsverdacht gegen ihn erhärtet. Und auch sonst ist der Fall alles andere als erledigt.
Die Berliner Staatsanwaltschaft will im Fall Edathy Ermittlungen gegen Ex-Landwirtschaftsminister und CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich einleiten. Entsprechende Informationen der "Welt am Sonntag" wurden aus CSU-Kreisen bestätigt. Demnach gibt es den Anfangsverdacht, dass der frühere Bundesinnenminister ein Dienstgeheimnis verraten hat. Friedrich hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel bereits vor Monaten darüber informiert, dass der Name des damaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy bei Ermittlungen im Ausland aufgetaucht war.
Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob sich Friedrich damit strafbar gemacht hat. Eine Bestätigung der Behörde selbst gab es zunächst nicht. Ein Sprecher sagte: "Es gibt bislang kein Ermittlungsverfahren." Auf die Frage, ob in der kommenden Woche eines eingeleitet werde, wollte er keinen Kommentar abgeben. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits in der vorigen Woche Vorermittlungen begonnen, um zu prüfen, ob der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt.
Einen Tag nach Bekanntwerden der Vorermittlungen am 14. Februar, war Friedrich vom Amt des Landwirtschaftsministers zurückgetreten. Er begründete dies damit, dass ihm die "politische Unterstützung" fehle. Friedrich sagte aber auch: "Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass ich im Oktober politisch und rechtlich richtig gehandelt habe." In dem Verfahren gegen Edathy geht es laut Staatsanwaltschaft Hannover um den Verdacht auf Besitz kinderpornografischen Materials.
Immunität muss aufgehoben werden
Bei Ermittlungen gegen einen Abgeordneten muss Bundestagspräsident Norbert Lammert laut Bundestags-Geschäftsordnung 48 Stunden vor der Einleitung des Verfahrens unterrichtet werden - ein Wochenende dabei wird nicht mitgerechnet. Danach verliert der Parlamentarier seine Immunität. Ein Bundestagssprecher wollte nicht sagen, ob ein solches Schreiben eingegangen sei. Zu Immunitätsangelegenheiten gebe es grundsätzlich keine öffentlichen Erklärungen des Bundestages. Auch der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft wollte sich nicht dazu äußern, ob es einen Brief der Behörde an den Bundestag gibt.
Die Koalitionspartner Union und SPD streiten seit der vorigen Woche über den Umgang mit vertraulichen Informationen. Im Raum steht der Verdacht, Edathy könnte vor Ermittlungen gegen ihn gewarnt worden sein. Unionsfraktionschef Volker Kauder übte im SWR indirekt Kritik an Gabriel. Er sagte, nach der "Informationskaskade" von Friedrich zu Gabriel hätte eigentlich niemand mehr von dem Fall erfahren dürfen. Stattdessen seien noch mindestens drei weitere Personen informiert worden. Als herausgehobene Persönlichkeit müsse man aber aushalten können, mit solchen Informationen allein zu sein.
Belastung für die Koalition
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sieht die schwarz-rote Koalition wegen der Vorfälle in einer Bewährungsphase. "Die SPD muss jetzt beweisen, dass sie Vertrauen verdient", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Sie habe aber den Eindruck, dass sich die Verantwortlichen "des Ernstes der Lage bewusst sind".
Mehrere Politiker der Union warfen SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wegen seines Umgangs mit der Edathy-Affäre Überheblichkeit vor. "Etwas mehr Demut würde ich schon erwarten", sagte Hasselfeldt. "Mehr Demut und Zurückhaltung" von Oppermann forderte in der "Welt am Sonntag" auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Der SPD-Chef sehe sich zwar selbst "als Stabilitätsanker der Koalition", sei jedoch "eher eine Boje, die auf dem Wasser wild hin und her schaukelt". Bundesbildungsministerin Johanna Wanka wertete den gesamten Vorgang im "Tagesspiegel am Sonntag" als Belastung für die Arbeit der Bundesregierung.
Die Linke forderte indes die Berufung eines Sonderermittlers. "Wir sind sehr unzufrieden mit dem Stand der Aufklärung", sagte Parteichefin Katja Kipping der "Rheinischen Post". Für einen Schlussstrich sei es zu früh. Die im Raum stehenden Rechtsbrüche müssten zweifelsfrei aufgeklärt werden. Eine Sondersitzung des Innenausschusses am Freitag hatte kaum mehr Licht in die Affäre gebracht. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, kritisierte erneut die Weigerung der niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz, dem Ausschuss Rede und Antwort zu stehen. Bosbach kündigte in der "Mitteldeutschen Zeitung" an, er werde die Grünen-Ministerin für die nächste Ausschusssitzung erneut einladen.
Rechtsstaat muss handeln
Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft im Fall Edathy übte Unionsfraktionschef Kauder. "Durchstechereien mit der Folge, dass ganze Ermittlungsakten veröffentlicht werden, stärken mein Vertrauen in den Rechtsstaat nicht", sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post". Es dürfe keine öffentlichen Vorverurteilungen geben.
Mehrere Politiker forderten erneut schärfere Vorschriften zum Schutz vor Kinderpornografie. Kauder sprach sich dafür aus, den gewerbsmäßigen Umgang mit Fotos nackter Kinder zu verbieten. Bayerns CSU-Innenminister Joachim Herrmann forderte SPD-Bundesjustizminister Heiko Maas auf, die EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Kinderpornografie sofort umzusetzen. Darin sei klar formuliert, welche Darstellungen unbekleideter Kinder nicht mehr toleriert werden könnten, sagte Herrmann der "Passauer Neuen Presse".
Auch der SPD-Rechtsexperte Burkhard Lischka nannte im "Focus" eine Verschärfung der Gesetze gegen Kinderpornografie "längst überfällig". Die Grünen-Politikerin Renate Künast warnte dagegen vor einem "politischen Schnellschuss". Zwar seien Handelsverbote sinnvoll, doch müsse es Abgrenzungen beispielsweise im Bereich der Kunst geben.
Quelle: ntv.de, sba/dpa/AFP